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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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rung gegen willkürliche Verwendung der großartigen finanziellen Machtmittel,
welche der Staatsregierung in die Hände wachsen. Dies geschieht hauptsächlich
durch Festsetzungen über die zu supponirende Größe der Eisenbahnschuld und
über den demgemäß jährlich vorweg abzuführenden Betrag der Zinsen :c.
Zweitens haben zwischen der Staatsregierung und dem Abgeordnetenhause Be¬
rathungen über die Organisation und die Beschickung eines Eisenbahnrathes und
von Bezirkseisenbahnräthen stattgefunden. Durch diese Institutionen will man
den Einfluß des Landes und der localen Interessenten auf die Gestaltung und
den Betrieb des Eisenbahnwesens sichern. Auf den ersten Punkt wollen wir
hier gar nicht eingehen, und der zweite berührt uns nur bis zu einem gewissen
Grade. Es ist unsere Absicht nicht, die politische Seite der großen Frage zu
beleuchten, sondern die technische, volkswirtschaftliche und sociale.

Die bedenklichste Folge, welche von dem von uns soeben markirten Stand-
Punkte aus eine lediglich centralisirende Verwaltung des Eisenbahnwesens hat,
besteht darin, daß erstens der großartige Industriebetrieb, welchen das Eisen¬
bahnwesen in seiner Gesammtheit darstellt, zum directen Staatsbetriebe wird,
und daß alle davon abhängigen Menschen und Familien direct vom Staate
abhängig, alle dabei beschäftigten Beamten Staatsbeamte werden, und daß zwei¬
tens alle Industriebetriebe, welche allein oder doch hauptsächlich für die Eisen¬
bahnen arbeiten, in kurzer Zeit ebenfalls zu reinen Staatsbetrieben werden
müssen, ihre Arbeiter und Beamten also dann gleichfalls in directe Abhängigkeit
vom Staate kommen. Es werden nicht nur die Werkstätten, welche jetzt bereits
von den Eisenbahn-Verwaltungen selbst betrieben werden, vom Staate weiter
betrieben werden müssen, sondern auch jene Werke, die hauptsächlich sür die
Eisenbahnen arbeiten -- wie die Fabriken, welche eiserne Brücken, den eisernen
Oberbau, also Schienen, Schwellen, Weichen, Drehscheiben, Schiebebühnen ?e.,
und die Betriebsmittel, wie Wagen, Locomotiven und sonstige Maschinen, lie¬
fern --, in Staatsbetrieb übernommen werden müssen. Doch ist auch dies noch
nicht alles. Denn da etwa zwei Drittheile der gesammten Eisenproduction durch
das Bedürfniß der Eisenbahnen hervorgerufen werden, so daß es kaum ein in
der Eisenbranche arbeitendes Werk giebt, welches ohne die Eisenbahnen als
Abnehmer existiren könnte, so darf man kühn behaupten: Die gesammte
Eisen- und Stahlindustrie vom Eisenstein- und Kohlenbergwerk
bis zu den Maschinen-, Wagen- und Locomotivbau-Anstalten müßten
in Staatsbetrieb genommen werden. Außerdem giebt es noch eine Menge
von einzelnen kleinen Gewerbszweigen, welche sich in der gleichen Lage befinden
würden. Denn es ist klar, daß der Staat, sobald er alleiniger oder doch
Hauptabnehmer einer Industrie ist, sofort die Preise allein bestimmen wird und
muß, und zwar successive immer niedrigere Preise, da er ja im Interesse der


rung gegen willkürliche Verwendung der großartigen finanziellen Machtmittel,
welche der Staatsregierung in die Hände wachsen. Dies geschieht hauptsächlich
durch Festsetzungen über die zu supponirende Größe der Eisenbahnschuld und
über den demgemäß jährlich vorweg abzuführenden Betrag der Zinsen :c.
Zweitens haben zwischen der Staatsregierung und dem Abgeordnetenhause Be¬
rathungen über die Organisation und die Beschickung eines Eisenbahnrathes und
von Bezirkseisenbahnräthen stattgefunden. Durch diese Institutionen will man
den Einfluß des Landes und der localen Interessenten auf die Gestaltung und
den Betrieb des Eisenbahnwesens sichern. Auf den ersten Punkt wollen wir
hier gar nicht eingehen, und der zweite berührt uns nur bis zu einem gewissen
Grade. Es ist unsere Absicht nicht, die politische Seite der großen Frage zu
beleuchten, sondern die technische, volkswirtschaftliche und sociale.

Die bedenklichste Folge, welche von dem von uns soeben markirten Stand-
Punkte aus eine lediglich centralisirende Verwaltung des Eisenbahnwesens hat,
besteht darin, daß erstens der großartige Industriebetrieb, welchen das Eisen¬
bahnwesen in seiner Gesammtheit darstellt, zum directen Staatsbetriebe wird,
und daß alle davon abhängigen Menschen und Familien direct vom Staate
abhängig, alle dabei beschäftigten Beamten Staatsbeamte werden, und daß zwei¬
tens alle Industriebetriebe, welche allein oder doch hauptsächlich für die Eisen¬
bahnen arbeiten, in kurzer Zeit ebenfalls zu reinen Staatsbetrieben werden
müssen, ihre Arbeiter und Beamten also dann gleichfalls in directe Abhängigkeit
vom Staate kommen. Es werden nicht nur die Werkstätten, welche jetzt bereits
von den Eisenbahn-Verwaltungen selbst betrieben werden, vom Staate weiter
betrieben werden müssen, sondern auch jene Werke, die hauptsächlich sür die
Eisenbahnen arbeiten — wie die Fabriken, welche eiserne Brücken, den eisernen
Oberbau, also Schienen, Schwellen, Weichen, Drehscheiben, Schiebebühnen ?e.,
und die Betriebsmittel, wie Wagen, Locomotiven und sonstige Maschinen, lie¬
fern —, in Staatsbetrieb übernommen werden müssen. Doch ist auch dies noch
nicht alles. Denn da etwa zwei Drittheile der gesammten Eisenproduction durch
das Bedürfniß der Eisenbahnen hervorgerufen werden, so daß es kaum ein in
der Eisenbranche arbeitendes Werk giebt, welches ohne die Eisenbahnen als
Abnehmer existiren könnte, so darf man kühn behaupten: Die gesammte
Eisen- und Stahlindustrie vom Eisenstein- und Kohlenbergwerk
bis zu den Maschinen-, Wagen- und Locomotivbau-Anstalten müßten
in Staatsbetrieb genommen werden. Außerdem giebt es noch eine Menge
von einzelnen kleinen Gewerbszweigen, welche sich in der gleichen Lage befinden
würden. Denn es ist klar, daß der Staat, sobald er alleiniger oder doch
Hauptabnehmer einer Industrie ist, sofort die Preise allein bestimmen wird und
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/403>, abgerufen am 03.07.2024.