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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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durch seinen musikalischen Farbenzauber berauscht und in Verzückungen versetzt
hat. Wir haben erst im vorigen Jahre ihm und Gabriel Max, der den patho¬
logischen Zug Pilotys zu einem besondern Charakterkopf ausgebildet hat, in den
"Grenzboten" eine besondere Studie gewidmet, sodaß wir in unseren gegen¬
wärtigen Betrachtungen von einer nochmaligen Würdigung derjenigen Schüler
Pilotys, die am meisten von sich reden gemacht, absehen können.

Nächst Makart und Gabriel Max sind Lenbach, Defregger, Kurzbauer,
Liezen-Mayer, Alexander Wagner, Hermann Schneider, Otto Seitz und Adamo
zu nennen und von der jüngeren Generation Eduard Grützner, Rudolf Seitz,
v. Piglheim. Der Ungar Benczur, die Polen Joseph Brandt und Siemiradzki,
der Schwede Hellquist und die Griechen Gysis und Lytras verdanken Piloty
ebenfalls ihre ganze oder doch einen wesentlichen Theil ihrer Ausbildung.

Von den Genannten hat sich Franz Lenbach sicherlich am weitesten von
der Mal- und Auffassungsweise des Meisters entfernt. Geboren am 13. December
1836 zu Schrobenhausen in Oberbaiern als der Sohn eines Maurermeisters,
der ihn zur Erlernung seines Handwerks bestimmte, kam er zuerst auf die
Gewerbeschule nach Landshut und in späteren Jahren auf die polytechnische
Schule in Augsburg. Der künstlerische Trieb regte sich schon frühzeitig in ihn:,
kam aber erst, ihm unbewußt, zum Durchbruch, als der Münchener Thiermaler
Hofner, ebenfalls ein Schüler Pilotys, der besonders als Schafmaler renommirt
ist, nach seinem Heimatsorte Schrobenhausen kam, um dort Studien zu machen.
Lenbach that es zunächst dem Thiermaler nach, wagte sich aber bald an Menschen,
in deren Portraitirung er schnell eine solche Treffsicherheit erlangte, daß er sogar
für Geld zu malen begann. Indessen durfte er erst nach des Vaters Tode,
der ihm ein für seine Begriffe gewiß sehr stattliches Erbtheil von 1500 Gulden
hinterlassen hatte, ernstlich an eine regelrechte künstlerische Ausbildung denken.
Er ging nach München und besuchte die Akademie, die ihm aber so wenig ge¬
nügte, daß er zuerst in das Atelier des Portraitmalers Graste, eines Schülers
von Winterhalter, und dann definitiv in dasjenige Pilotys eintrat. Wie Friedrich
Pecht, der Münchener Vasari, erzählt, dachte er gar nicht daran, Portraitmaler
zu werden, sondern er wollte das Genre cultiviren, und mit einem Genrebilde,
welches eine vor drohendem Gewitter in eine Feldcapelle geflüchtet" Bauern¬
familie darstellte, debütirte er auch im Jahre 1857. Wie Pecht erzählt, machte
dieses und einige andere Genrebilder, die übrigens eine geringe Geschicklichkeit
in der Composition verriethen, gleichwohl "durch die gänzlich neue, fast abstoßende
Kühnheit und Ursprünglichkeit naturalistischer Mache" großes Aufsehen. Man
bemerkte mit Erstaunen einen "ganz und gar eigenthümlichen Farbensinn, welcher
Töne in der Natur sah, auf seine Palette übertrug, die, so echt sie auch er¬
schienen, doch bisher kein Mensch wahrgenommen, die alle Welt frappirten".


durch seinen musikalischen Farbenzauber berauscht und in Verzückungen versetzt
hat. Wir haben erst im vorigen Jahre ihm und Gabriel Max, der den patho¬
logischen Zug Pilotys zu einem besondern Charakterkopf ausgebildet hat, in den
„Grenzboten" eine besondere Studie gewidmet, sodaß wir in unseren gegen¬
wärtigen Betrachtungen von einer nochmaligen Würdigung derjenigen Schüler
Pilotys, die am meisten von sich reden gemacht, absehen können.

Nächst Makart und Gabriel Max sind Lenbach, Defregger, Kurzbauer,
Liezen-Mayer, Alexander Wagner, Hermann Schneider, Otto Seitz und Adamo
zu nennen und von der jüngeren Generation Eduard Grützner, Rudolf Seitz,
v. Piglheim. Der Ungar Benczur, die Polen Joseph Brandt und Siemiradzki,
der Schwede Hellquist und die Griechen Gysis und Lytras verdanken Piloty
ebenfalls ihre ganze oder doch einen wesentlichen Theil ihrer Ausbildung.

Von den Genannten hat sich Franz Lenbach sicherlich am weitesten von
der Mal- und Auffassungsweise des Meisters entfernt. Geboren am 13. December
1836 zu Schrobenhausen in Oberbaiern als der Sohn eines Maurermeisters,
der ihn zur Erlernung seines Handwerks bestimmte, kam er zuerst auf die
Gewerbeschule nach Landshut und in späteren Jahren auf die polytechnische
Schule in Augsburg. Der künstlerische Trieb regte sich schon frühzeitig in ihn:,
kam aber erst, ihm unbewußt, zum Durchbruch, als der Münchener Thiermaler
Hofner, ebenfalls ein Schüler Pilotys, der besonders als Schafmaler renommirt
ist, nach seinem Heimatsorte Schrobenhausen kam, um dort Studien zu machen.
Lenbach that es zunächst dem Thiermaler nach, wagte sich aber bald an Menschen,
in deren Portraitirung er schnell eine solche Treffsicherheit erlangte, daß er sogar
für Geld zu malen begann. Indessen durfte er erst nach des Vaters Tode,
der ihm ein für seine Begriffe gewiß sehr stattliches Erbtheil von 1500 Gulden
hinterlassen hatte, ernstlich an eine regelrechte künstlerische Ausbildung denken.
Er ging nach München und besuchte die Akademie, die ihm aber so wenig ge¬
nügte, daß er zuerst in das Atelier des Portraitmalers Graste, eines Schülers
von Winterhalter, und dann definitiv in dasjenige Pilotys eintrat. Wie Friedrich
Pecht, der Münchener Vasari, erzählt, dachte er gar nicht daran, Portraitmaler
zu werden, sondern er wollte das Genre cultiviren, und mit einem Genrebilde,
welches eine vor drohendem Gewitter in eine Feldcapelle geflüchtet« Bauern¬
familie darstellte, debütirte er auch im Jahre 1857. Wie Pecht erzählt, machte
dieses und einige andere Genrebilder, die übrigens eine geringe Geschicklichkeit
in der Composition verriethen, gleichwohl „durch die gänzlich neue, fast abstoßende
Kühnheit und Ursprünglichkeit naturalistischer Mache" großes Aufsehen. Man
bemerkte mit Erstaunen einen „ganz und gar eigenthümlichen Farbensinn, welcher
Töne in der Natur sah, auf seine Palette übertrug, die, so echt sie auch er¬
schienen, doch bisher kein Mensch wahrgenommen, die alle Welt frappirten".


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/384>, abgerufen am 25.08.2024.