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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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feuer gegen die wiederum äußerst theatralisch aufgetakelte Gestalt; aber diese
doppelte Beleuchtung ist nicht im Stande, die Aufmerksamkeit des Beschauers
von dem Schiffsinventar abzulenken, welches mit der Genauigkeit eines Proto¬
kollführers aufgenommen ist. Trotz der gewaltsamen Lichteffecte ist das Colorit
von einer ungewöhnlichen Trockenheit, und die Behandlung des Körperlichen
erinnert bedenklich an die Arbeiten der Blechlackirer. Im Jahre 1865 begann
Pilvth auch mit der stereochromischen Ausführung von drei geschichtlichen Com-
Positionen an der Front des Maximilianeums, der "Gründung des Klosters
Ettal durch Kaiser Ludwig den Baier", dem "Sängerkrieg Wolframs von Eschen¬
bach mit Klingsor" und der "Gründung der Universität Ingolstadt", zu welcher
er die Entwürfe bereits früher geschaffen hatte.

Jener verunglückte "Columbus" beweist in seiner unmittelbaren Folge auf
das Cäsarbild, wie wenig Piloty einem inneren Schaffensdrangs folgt. Wäre
ein solcher vorhanden, so müßte sich in seinem künstlerischen Entwicklungsgange
eine gewisse Stetigkeit oder auch nur eine gewisse Konsequenz offenbaren, ein
naturgemäßes Keimen und Sprossen, das sich auf einen inneren Trieb zurück¬
führen läßt. Aber nichts von alledem ist erkennbar. Nur in seinen koloristi¬
schen Tendenzen, also auf einem ganz äußerlichen Gebiete, zeigt sich, wenigstens
zeitweilig, ein zielbewußtes Streben. Sonst beobachten wir ein stetes Fluctuiren
und Experimentiren: heute ein kühner Aufschwung, morgen ein tiefer Fall, so
daß wir niemals im Stande find, mit einiger Sicherheit zu sagen, ob solch ein
Fall das Ende, den vollständigen Bankerott bezeichnet oder den Anfang einer
neuen Schaffensperiode.

So erhob sich Piloty nach dem "Columbus" wieder zu einer relativen
Höhe in zwei 1868 entstandenen Bildern, welche eine gewisse geistige Verwandt¬
schaft zeigen. Beide verherrlichen Hoheit, Muth und Geistesgröße einer Frau.
Auf dem einen tritt die Aebtissin des Klosters von Frauenchiemsee an der Spitze
ihrer Nonnen einer Rotte von Plünderer -- die Scene spielt im dreißigjährigen
Kriege -- muthvoll entgegen; auf dem andern behauptet Maria Stuart, welcher
der Kanzler Elisabeths soeben das Todesurtheil verkündet hat, inmitten ihrer
schluchzenden Frauen den Feinden gegenüber siegreich ihre Fassung. Als das
letztere Bild 1869 in München auf der internationalen Kunstausstellung erschien,
erfuhr es sehr abfällige Beurtheilungen. Man fand wiederum, daß das Stoff¬
liche sich ungebührlich in den Vordergrund dränge und den geistigen Gehalt
völlig vernichte. Dieser Vorwurf ist sicherlich begründet. Auch auf diesem
Bilde wird viel Komödie gespielt; insbesondere ist die Stellung des Grafen
Leicester, der, schon im Gehen begriffen, sich noch einmal nach der Verurtheilten
umwendet, eine unerträglich gespreizte. In der Reihe der Werke Pilotys nimmt
das Bild aber doch um seiner wohlabgewogenen Composition willen einen her-


Grcnzbotcn I. 1830. 47

feuer gegen die wiederum äußerst theatralisch aufgetakelte Gestalt; aber diese
doppelte Beleuchtung ist nicht im Stande, die Aufmerksamkeit des Beschauers
von dem Schiffsinventar abzulenken, welches mit der Genauigkeit eines Proto¬
kollführers aufgenommen ist. Trotz der gewaltsamen Lichteffecte ist das Colorit
von einer ungewöhnlichen Trockenheit, und die Behandlung des Körperlichen
erinnert bedenklich an die Arbeiten der Blechlackirer. Im Jahre 1865 begann
Pilvth auch mit der stereochromischen Ausführung von drei geschichtlichen Com-
Positionen an der Front des Maximilianeums, der „Gründung des Klosters
Ettal durch Kaiser Ludwig den Baier", dem „Sängerkrieg Wolframs von Eschen¬
bach mit Klingsor" und der „Gründung der Universität Ingolstadt", zu welcher
er die Entwürfe bereits früher geschaffen hatte.

Jener verunglückte „Columbus" beweist in seiner unmittelbaren Folge auf
das Cäsarbild, wie wenig Piloty einem inneren Schaffensdrangs folgt. Wäre
ein solcher vorhanden, so müßte sich in seinem künstlerischen Entwicklungsgange
eine gewisse Stetigkeit oder auch nur eine gewisse Konsequenz offenbaren, ein
naturgemäßes Keimen und Sprossen, das sich auf einen inneren Trieb zurück¬
führen läßt. Aber nichts von alledem ist erkennbar. Nur in seinen koloristi¬
schen Tendenzen, also auf einem ganz äußerlichen Gebiete, zeigt sich, wenigstens
zeitweilig, ein zielbewußtes Streben. Sonst beobachten wir ein stetes Fluctuiren
und Experimentiren: heute ein kühner Aufschwung, morgen ein tiefer Fall, so
daß wir niemals im Stande find, mit einiger Sicherheit zu sagen, ob solch ein
Fall das Ende, den vollständigen Bankerott bezeichnet oder den Anfang einer
neuen Schaffensperiode.

So erhob sich Piloty nach dem „Columbus" wieder zu einer relativen
Höhe in zwei 1868 entstandenen Bildern, welche eine gewisse geistige Verwandt¬
schaft zeigen. Beide verherrlichen Hoheit, Muth und Geistesgröße einer Frau.
Auf dem einen tritt die Aebtissin des Klosters von Frauenchiemsee an der Spitze
ihrer Nonnen einer Rotte von Plünderer — die Scene spielt im dreißigjährigen
Kriege — muthvoll entgegen; auf dem andern behauptet Maria Stuart, welcher
der Kanzler Elisabeths soeben das Todesurtheil verkündet hat, inmitten ihrer
schluchzenden Frauen den Feinden gegenüber siegreich ihre Fassung. Als das
letztere Bild 1869 in München auf der internationalen Kunstausstellung erschien,
erfuhr es sehr abfällige Beurtheilungen. Man fand wiederum, daß das Stoff¬
liche sich ungebührlich in den Vordergrund dränge und den geistigen Gehalt
völlig vernichte. Dieser Vorwurf ist sicherlich begründet. Auch auf diesem
Bilde wird viel Komödie gespielt; insbesondere ist die Stellung des Grafen
Leicester, der, schon im Gehen begriffen, sich noch einmal nach der Verurtheilten
umwendet, eine unerträglich gespreizte. In der Reihe der Werke Pilotys nimmt
das Bild aber doch um seiner wohlabgewogenen Composition willen einen her-


Grcnzbotcn I. 1830. 47
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[0377] feuer gegen die wiederum äußerst theatralisch aufgetakelte Gestalt; aber diese doppelte Beleuchtung ist nicht im Stande, die Aufmerksamkeit des Beschauers von dem Schiffsinventar abzulenken, welches mit der Genauigkeit eines Proto¬ kollführers aufgenommen ist. Trotz der gewaltsamen Lichteffecte ist das Colorit von einer ungewöhnlichen Trockenheit, und die Behandlung des Körperlichen erinnert bedenklich an die Arbeiten der Blechlackirer. Im Jahre 1865 begann Pilvth auch mit der stereochromischen Ausführung von drei geschichtlichen Com- Positionen an der Front des Maximilianeums, der „Gründung des Klosters Ettal durch Kaiser Ludwig den Baier", dem „Sängerkrieg Wolframs von Eschen¬ bach mit Klingsor" und der „Gründung der Universität Ingolstadt", zu welcher er die Entwürfe bereits früher geschaffen hatte. Jener verunglückte „Columbus" beweist in seiner unmittelbaren Folge auf das Cäsarbild, wie wenig Piloty einem inneren Schaffensdrangs folgt. Wäre ein solcher vorhanden, so müßte sich in seinem künstlerischen Entwicklungsgange eine gewisse Stetigkeit oder auch nur eine gewisse Konsequenz offenbaren, ein naturgemäßes Keimen und Sprossen, das sich auf einen inneren Trieb zurück¬ führen läßt. Aber nichts von alledem ist erkennbar. Nur in seinen koloristi¬ schen Tendenzen, also auf einem ganz äußerlichen Gebiete, zeigt sich, wenigstens zeitweilig, ein zielbewußtes Streben. Sonst beobachten wir ein stetes Fluctuiren und Experimentiren: heute ein kühner Aufschwung, morgen ein tiefer Fall, so daß wir niemals im Stande find, mit einiger Sicherheit zu sagen, ob solch ein Fall das Ende, den vollständigen Bankerott bezeichnet oder den Anfang einer neuen Schaffensperiode. So erhob sich Piloty nach dem „Columbus" wieder zu einer relativen Höhe in zwei 1868 entstandenen Bildern, welche eine gewisse geistige Verwandt¬ schaft zeigen. Beide verherrlichen Hoheit, Muth und Geistesgröße einer Frau. Auf dem einen tritt die Aebtissin des Klosters von Frauenchiemsee an der Spitze ihrer Nonnen einer Rotte von Plünderer — die Scene spielt im dreißigjährigen Kriege — muthvoll entgegen; auf dem andern behauptet Maria Stuart, welcher der Kanzler Elisabeths soeben das Todesurtheil verkündet hat, inmitten ihrer schluchzenden Frauen den Feinden gegenüber siegreich ihre Fassung. Als das letztere Bild 1869 in München auf der internationalen Kunstausstellung erschien, erfuhr es sehr abfällige Beurtheilungen. Man fand wiederum, daß das Stoff¬ liche sich ungebührlich in den Vordergrund dränge und den geistigen Gehalt völlig vernichte. Dieser Vorwurf ist sicherlich begründet. Auch auf diesem Bilde wird viel Komödie gespielt; insbesondere ist die Stellung des Grafen Leicester, der, schon im Gehen begriffen, sich noch einmal nach der Verurtheilten umwendet, eine unerträglich gespreizte. In der Reihe der Werke Pilotys nimmt das Bild aber doch um seiner wohlabgewogenen Composition willen einen her- Grcnzbotcn I. 1830. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/377>, abgerufen am 23.07.2024.