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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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die Rede; es heißt: "Der Rabba, des Chauna Enkel, hat gesagt: Mir gingen
einmal in einer Wüste und sahen da Gänse, denen die Federn wegen ihrer
Fettheit ausfielen, und unter denen Ströme von Fett einherflössen. Da sprach
ich zu ihnen: Haben wir auch einen Theil an euch in der zukünftigen Welt?
(Das Messiasreich ist gemeint.) Da hob eine ihren Flügel auf, eine andere aber
ihr Bein. (Um anzudeuten: das wird dir zu Theil werden.) Als ich nun zu
dem Rabbi Elieser kam, sprach er: Die Jsraeliten müssen wegen derselben
einmal Rechenschaft geben/" (D. h. weil wegen ihrer Sünden der Messias so
lange ausbleibt und die Gänse in Folge ihres vielen Fettes so lange Schmerzen
leiden müssen, bemerkt tiefsinnig hierzu der Rabbi Salomon Jarchi.)

Der zuletzt genannte Tractat des Talmud berichtet ferner nach der Erzäh¬
lung des Enkels Charuas, daß dieser einen Frosch gesehen, der so groß wie
das Dorf Atra gewesen, das sechzig Hänser gezählt. "Da kam," so sagte der
Rabbi weiter, "eine Schlange, die verschlang den Frosch; darauf flog ein Rabe
herzu, der verschlang die Schlange und erhob sich nach einem Baum und setzte
sich darauf. Siehe wie groß muß die Dicke des Baumes gewesen sein." Der¬
selbe Rabbi spricht am angeführten Orte von einem Riesenfische, den er gesehen,
und der, vom Meere todt ans Land geworfen, eine Menge Ortschaften zerstörte.
"Sechzig Städte aßen von ihm, und sechzig andere satzten Fleisch von ihm ein
und füllten von einem seiner Augäpfel dreihundert Fässer mit Thran an. Als
wir nach zwölf Monaten wiederkamen, sahen wir, daß man seine Gebeine zer¬
sägte, um damit die Städte wieder aufzubauen, die er zerstört hatte." In der¬
selben Abhandlung erzählt der Rabbi Safra: "Wir fuhren einmal auf einem
Schiffe und bemerkten einen Fisch, welcher seinen Kopf aus der See streckte
und Hörner hatte, auf denen geschrieben stand: ,Jch bin eins von den kleinen
Geschöpfen, die im Meere sind, (nur) dreihundert Meilen lang, und gehe in den
Nachen des Leviathaus'" (daß er mich heute fresse). Der Leviathan aber ist
nach dem Talmud ein schlangenartiger Fisch, von dessen Gattung Gott ursprüng¬
lich zwei Exemplare, ein Männchen und ein Weibchen, erschuf. Hätten sie
Junge erzeugt, so würden sie die Welt zerstört haben. "Was hat da der heilige,
gebenedeite Gott gethan? Er hat das Männchen verschnitten und das Weib¬
chen umgebracht und eingepökelt für die Zukunft" (d. h. für die große Fest¬
mahlzeit, die den Juden nach Ankunft des Messias im Paradiese zu Theil
werden soll). Auf ähnliche Weise ist Gott nach dem Tractat Bava Bathra mit
dem Behemoth oder schor Habar, einem wilden Rinde, verfahren, dessen übrig
gebliebenes Männchen auf tausend Bergen liegt und deren Kräuter abweidet.
"Woher trinkt er aber?" fragt der Rabbi Jochanan und findet die Antwort:
"Alles Wasser, welches der Jordan in sechs Monaten zusammenbringt, trinkt der
Behemoth auf einen Schluck."


die Rede; es heißt: „Der Rabba, des Chauna Enkel, hat gesagt: Mir gingen
einmal in einer Wüste und sahen da Gänse, denen die Federn wegen ihrer
Fettheit ausfielen, und unter denen Ströme von Fett einherflössen. Da sprach
ich zu ihnen: Haben wir auch einen Theil an euch in der zukünftigen Welt?
(Das Messiasreich ist gemeint.) Da hob eine ihren Flügel auf, eine andere aber
ihr Bein. (Um anzudeuten: das wird dir zu Theil werden.) Als ich nun zu
dem Rabbi Elieser kam, sprach er: Die Jsraeliten müssen wegen derselben
einmal Rechenschaft geben/" (D. h. weil wegen ihrer Sünden der Messias so
lange ausbleibt und die Gänse in Folge ihres vielen Fettes so lange Schmerzen
leiden müssen, bemerkt tiefsinnig hierzu der Rabbi Salomon Jarchi.)

Der zuletzt genannte Tractat des Talmud berichtet ferner nach der Erzäh¬
lung des Enkels Charuas, daß dieser einen Frosch gesehen, der so groß wie
das Dorf Atra gewesen, das sechzig Hänser gezählt. „Da kam," so sagte der
Rabbi weiter, „eine Schlange, die verschlang den Frosch; darauf flog ein Rabe
herzu, der verschlang die Schlange und erhob sich nach einem Baum und setzte
sich darauf. Siehe wie groß muß die Dicke des Baumes gewesen sein." Der¬
selbe Rabbi spricht am angeführten Orte von einem Riesenfische, den er gesehen,
und der, vom Meere todt ans Land geworfen, eine Menge Ortschaften zerstörte.
„Sechzig Städte aßen von ihm, und sechzig andere satzten Fleisch von ihm ein
und füllten von einem seiner Augäpfel dreihundert Fässer mit Thran an. Als
wir nach zwölf Monaten wiederkamen, sahen wir, daß man seine Gebeine zer¬
sägte, um damit die Städte wieder aufzubauen, die er zerstört hatte." In der¬
selben Abhandlung erzählt der Rabbi Safra: „Wir fuhren einmal auf einem
Schiffe und bemerkten einen Fisch, welcher seinen Kopf aus der See streckte
und Hörner hatte, auf denen geschrieben stand: ,Jch bin eins von den kleinen
Geschöpfen, die im Meere sind, (nur) dreihundert Meilen lang, und gehe in den
Nachen des Leviathaus'" (daß er mich heute fresse). Der Leviathan aber ist
nach dem Talmud ein schlangenartiger Fisch, von dessen Gattung Gott ursprüng¬
lich zwei Exemplare, ein Männchen und ein Weibchen, erschuf. Hätten sie
Junge erzeugt, so würden sie die Welt zerstört haben. „Was hat da der heilige,
gebenedeite Gott gethan? Er hat das Männchen verschnitten und das Weib¬
chen umgebracht und eingepökelt für die Zukunft" (d. h. für die große Fest¬
mahlzeit, die den Juden nach Ankunft des Messias im Paradiese zu Theil
werden soll). Auf ähnliche Weise ist Gott nach dem Tractat Bava Bathra mit
dem Behemoth oder schor Habar, einem wilden Rinde, verfahren, dessen übrig
gebliebenes Männchen auf tausend Bergen liegt und deren Kräuter abweidet.
„Woher trinkt er aber?" fragt der Rabbi Jochanan und findet die Antwort:
„Alles Wasser, welches der Jordan in sechs Monaten zusammenbringt, trinkt der
Behemoth auf einen Schluck."


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[0367] die Rede; es heißt: „Der Rabba, des Chauna Enkel, hat gesagt: Mir gingen einmal in einer Wüste und sahen da Gänse, denen die Federn wegen ihrer Fettheit ausfielen, und unter denen Ströme von Fett einherflössen. Da sprach ich zu ihnen: Haben wir auch einen Theil an euch in der zukünftigen Welt? (Das Messiasreich ist gemeint.) Da hob eine ihren Flügel auf, eine andere aber ihr Bein. (Um anzudeuten: das wird dir zu Theil werden.) Als ich nun zu dem Rabbi Elieser kam, sprach er: Die Jsraeliten müssen wegen derselben einmal Rechenschaft geben/" (D. h. weil wegen ihrer Sünden der Messias so lange ausbleibt und die Gänse in Folge ihres vielen Fettes so lange Schmerzen leiden müssen, bemerkt tiefsinnig hierzu der Rabbi Salomon Jarchi.) Der zuletzt genannte Tractat des Talmud berichtet ferner nach der Erzäh¬ lung des Enkels Charuas, daß dieser einen Frosch gesehen, der so groß wie das Dorf Atra gewesen, das sechzig Hänser gezählt. „Da kam," so sagte der Rabbi weiter, „eine Schlange, die verschlang den Frosch; darauf flog ein Rabe herzu, der verschlang die Schlange und erhob sich nach einem Baum und setzte sich darauf. Siehe wie groß muß die Dicke des Baumes gewesen sein." Der¬ selbe Rabbi spricht am angeführten Orte von einem Riesenfische, den er gesehen, und der, vom Meere todt ans Land geworfen, eine Menge Ortschaften zerstörte. „Sechzig Städte aßen von ihm, und sechzig andere satzten Fleisch von ihm ein und füllten von einem seiner Augäpfel dreihundert Fässer mit Thran an. Als wir nach zwölf Monaten wiederkamen, sahen wir, daß man seine Gebeine zer¬ sägte, um damit die Städte wieder aufzubauen, die er zerstört hatte." In der¬ selben Abhandlung erzählt der Rabbi Safra: „Wir fuhren einmal auf einem Schiffe und bemerkten einen Fisch, welcher seinen Kopf aus der See streckte und Hörner hatte, auf denen geschrieben stand: ,Jch bin eins von den kleinen Geschöpfen, die im Meere sind, (nur) dreihundert Meilen lang, und gehe in den Nachen des Leviathaus'" (daß er mich heute fresse). Der Leviathan aber ist nach dem Talmud ein schlangenartiger Fisch, von dessen Gattung Gott ursprüng¬ lich zwei Exemplare, ein Männchen und ein Weibchen, erschuf. Hätten sie Junge erzeugt, so würden sie die Welt zerstört haben. „Was hat da der heilige, gebenedeite Gott gethan? Er hat das Männchen verschnitten und das Weib¬ chen umgebracht und eingepökelt für die Zukunft" (d. h. für die große Fest¬ mahlzeit, die den Juden nach Ankunft des Messias im Paradiese zu Theil werden soll). Auf ähnliche Weise ist Gott nach dem Tractat Bava Bathra mit dem Behemoth oder schor Habar, einem wilden Rinde, verfahren, dessen übrig gebliebenes Männchen auf tausend Bergen liegt und deren Kräuter abweidet. „Woher trinkt er aber?" fragt der Rabbi Jochanan und findet die Antwort: „Alles Wasser, welches der Jordan in sechs Monaten zusammenbringt, trinkt der Behemoth auf einen Schluck."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/367>, abgerufen am 23.07.2024.