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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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man überall das neuerliche dieser Richtung, der es ebensosehr an idealem
Schwung wie an schlichter Empfindung gebricht.

Wir haben schon oben darauf hingewiesen, daß Piloty eine unbezwingliche
Neigung für das Düstere, das Unheimliche und das Außergewöhnliche hatte.
Diese Neigung gewann bald einen solchen Einfluß auf sein künstlerisches Schaffen,
daß er sich mit besonderer Vorliebe in der Schilderung von Gräuelthaten und
gewaltsamen Katastrophen erging. Auch nach dieser Richtung hin ist er für
manchen jungen Künstler maßgebend geworden, und besonders ist es von seinen
Schülern Gabriel Max, der sich das Gebiet des Grauens und Entsetzens zu
seiner Specialität erkoren hat.

Nach dem großen Erfolge seines Wallensteinbildes wurde Piloty am 25.
März 1856 zum Professor an der Akademie der bildenden Künste ernannt, und
nun begann er jene umfangreiche Lehrthätigkeit, die nach einer Richtung hin auf
die Förderung des technischen Könnens in München so ersprießlich eingewirkt,
die nach der andern Seite aber auch durch die einseitige Bevorzugung mecha¬
nischer Processe jene geistige Verflachung innerhalb der Münchener Schule mit
veranlaßt hat, die auf der internationalen Kunstausstellung von 1879 so er¬
schreckend zu Tage trat. Regnet hat in seiner Biographie des Meisters die
Licht- und Schattenseiten in Pilotys Lehrthätigkeit mit vollkommen richtigem
Maße gegen einander abgewogen. Als einen Vorzug Pilotys hebt er hervor,
daß er die Schüler durch seine Lehrmethode nicht zwingt, sich ihrer eigenen
Individualität zu entäußern und der seinigen unterzuordnen, sondern daß er
sich vielmehr der Anschauungs- und Empfindungsweise seiner Schüler anschließt.
Aus der anderen Seite gelingt es ihm aber nicht immer, "auf die Erfindung
der Schüler einzuwirken, ihre Phantasie fruchtbar anzuregen, ihnen den Ernst
der Kunst und die Höhe ihrer Aufgabe vor Augen zu führen". Um nicht der
Voreingenommenheit bezichtigt zu werden, führe ich zur Unterstützung meiner
Charakteristik des Meisters nur Münchener Stimmen an. Regnet, den ich eben
citirt habe, trifft auch den Hauptmangel Pilotyscher Art, indem er in der
Darlegung seiner Lehrthätigkeit weiter sagt: "Ueber der Bedeutung, welche man
der Technik beilegt, wird die innerliche und bedeutsame Seite der Kunst
nicht beachtet und so das Mittel zum Zweck erhoben. Innerlich geht jeder
Schüler seinen eigenen Weg und beweist dadurch, daß das Band, welches Meister
und Schüler umschlingt, kein geistiges ist." Wenn man der Sache tiefer
auf den Grund geht, ist mit diesen Worten zugleich der Cardinalfehler der
Pilotyschen Richtung gekennzeichnet. Es konnte sich zwischen ihm und seinen
Schülern kein geistiger Rapport bilden, weil das geistige Element in seiner
eigenen künstlerischen Physiognomie einen untergeordneten Zug bildet. Wir haben
gesehen, daß die Neuerungen, die sich an seinen Namen knüpfen, ausschließlich


man überall das neuerliche dieser Richtung, der es ebensosehr an idealem
Schwung wie an schlichter Empfindung gebricht.

Wir haben schon oben darauf hingewiesen, daß Piloty eine unbezwingliche
Neigung für das Düstere, das Unheimliche und das Außergewöhnliche hatte.
Diese Neigung gewann bald einen solchen Einfluß auf sein künstlerisches Schaffen,
daß er sich mit besonderer Vorliebe in der Schilderung von Gräuelthaten und
gewaltsamen Katastrophen erging. Auch nach dieser Richtung hin ist er für
manchen jungen Künstler maßgebend geworden, und besonders ist es von seinen
Schülern Gabriel Max, der sich das Gebiet des Grauens und Entsetzens zu
seiner Specialität erkoren hat.

Nach dem großen Erfolge seines Wallensteinbildes wurde Piloty am 25.
März 1856 zum Professor an der Akademie der bildenden Künste ernannt, und
nun begann er jene umfangreiche Lehrthätigkeit, die nach einer Richtung hin auf
die Förderung des technischen Könnens in München so ersprießlich eingewirkt,
die nach der andern Seite aber auch durch die einseitige Bevorzugung mecha¬
nischer Processe jene geistige Verflachung innerhalb der Münchener Schule mit
veranlaßt hat, die auf der internationalen Kunstausstellung von 1879 so er¬
schreckend zu Tage trat. Regnet hat in seiner Biographie des Meisters die
Licht- und Schattenseiten in Pilotys Lehrthätigkeit mit vollkommen richtigem
Maße gegen einander abgewogen. Als einen Vorzug Pilotys hebt er hervor,
daß er die Schüler durch seine Lehrmethode nicht zwingt, sich ihrer eigenen
Individualität zu entäußern und der seinigen unterzuordnen, sondern daß er
sich vielmehr der Anschauungs- und Empfindungsweise seiner Schüler anschließt.
Aus der anderen Seite gelingt es ihm aber nicht immer, „auf die Erfindung
der Schüler einzuwirken, ihre Phantasie fruchtbar anzuregen, ihnen den Ernst
der Kunst und die Höhe ihrer Aufgabe vor Augen zu führen". Um nicht der
Voreingenommenheit bezichtigt zu werden, führe ich zur Unterstützung meiner
Charakteristik des Meisters nur Münchener Stimmen an. Regnet, den ich eben
citirt habe, trifft auch den Hauptmangel Pilotyscher Art, indem er in der
Darlegung seiner Lehrthätigkeit weiter sagt: „Ueber der Bedeutung, welche man
der Technik beilegt, wird die innerliche und bedeutsame Seite der Kunst
nicht beachtet und so das Mittel zum Zweck erhoben. Innerlich geht jeder
Schüler seinen eigenen Weg und beweist dadurch, daß das Band, welches Meister
und Schüler umschlingt, kein geistiges ist." Wenn man der Sache tiefer
auf den Grund geht, ist mit diesen Worten zugleich der Cardinalfehler der
Pilotyschen Richtung gekennzeichnet. Es konnte sich zwischen ihm und seinen
Schülern kein geistiger Rapport bilden, weil das geistige Element in seiner
eigenen künstlerischen Physiognomie einen untergeordneten Zug bildet. Wir haben
gesehen, daß die Neuerungen, die sich an seinen Namen knüpfen, ausschließlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/349>, abgerufen am 23.07.2024.