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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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der von München herbeigekommene Hermann v. Leonhardi --, die für ihren
Meister begeistert waren und diese Begeisterung auch andern mitzutheilen suchten;
Oppermann nennt noch als einen seiner wärmsten Anhänger Gottfried Schulz,
von dem er sagt: "Für den Sohn des Pastors aus Grttnfelde bezeichnete es
einen Lebensabschnitt, als der Philosoph Carl Friedrich Krause sich in diesem
Jahre in Göttingen niederließ; Gottfried und ein großer Theil seiner Freunde
wurden eifrige Schüler des großen Wissenschaftslehrers, der jedoch im Staate
Hannover wenig öffentliche Anerkennung fand." Aus allen Briefen seiner
Schüler an ihn spricht ohne Ausnahme die höchste Ehrfurcht und Liebe zu ihm;
als Beispiel sei nur folgender Briefanfang von Peters hier angeführt: "Der
erste ruhige Brief, den ich von hier ^Leipzigj schreibe, ist Ihnen, geliebter Lehrer,
geweiht. Ihr Bild tritt nicht vor meine Seele, ohne mir Ehrfurcht und Liebe
zugleich einzuflößen; eigenthümlich erhabene Empfindungen, größere Lebensan¬
dacht, innigere Liebe zu der Tugend und zu allem Großen hat mein geistiger,
noch mehr aber der persönliche Umgang mit Ihnen in mir erweckt." Wie dieser,
so schreiben alle andern, wie auf Verabredung. Auch mit Friedrich Fröbel in
Keilhau, der von seinem Urbilde angeregt und begeistert worden war, trat er
von Göttingen aus in Verbindung.

So wohl ihm all diese Anerkennung that, so konnte er doch nicht davon
leben; er dachte bereits im Frühjahr 1827, wo sein ältester Sohn Karl nach
München ging, daran, Göttingen mit München zu vertauschen. Gleichwohl
hielten ihn die Verhältnisse in Göttingen noch lange fest, und von mancher Seite
wünschte man auch sein Verbleiben daselbst. So schreibt am 18. August 1829
Fürstin Caroline von Bückeburg an ihn:

"Recht sehr wünsche ich, daß eine Möglichkeit wäre, Sie zu bewegen, noch ein
oder zwey Jahre in Göttingen zu warten; ich hoffe, daß sich die Vorurtheile immer
mehr verlieren und der Zuhörer immer mehr werden sollen. ... Mit Vergnügen
würde ich dazu beytragen, Ihre Lage in Göttingen für ein bis zwey Jahre zu
erleichtern, da auch ich es wünsche, daß Sie unsere Gegend nicht aufs Unsichere
hin verlassen möchten, ohne daß ein Ruf in's Ausland Ihre Lage sicher stelle. ..
Der Menge fällt alles Neue und Ungewöhnliche auf, und man muß ihr Zeit lassen,
sich darein zu finden; so denke ich, wird es mit Ihren Vorträgen auch gehen.
Wenn die Besseren nur erst anfangen und fortfahren sie zu würdigen, so wird die
Meinung der Uebrigen sich fügen." --

Da trat plötzlich ein unerwartetes Ereigniß ein.

- Der Jahreswechsel war für die Universitätsstadt Göttingen immer ein
bewegter, weil da der Prorector wechselte, der regelmäßig ein Vivat oder Pereat
bekam. Zu Ende des Jahres 1830 wurde aber diese Bewegung bedenklich.


der von München herbeigekommene Hermann v. Leonhardi —, die für ihren
Meister begeistert waren und diese Begeisterung auch andern mitzutheilen suchten;
Oppermann nennt noch als einen seiner wärmsten Anhänger Gottfried Schulz,
von dem er sagt: „Für den Sohn des Pastors aus Grttnfelde bezeichnete es
einen Lebensabschnitt, als der Philosoph Carl Friedrich Krause sich in diesem
Jahre in Göttingen niederließ; Gottfried und ein großer Theil seiner Freunde
wurden eifrige Schüler des großen Wissenschaftslehrers, der jedoch im Staate
Hannover wenig öffentliche Anerkennung fand." Aus allen Briefen seiner
Schüler an ihn spricht ohne Ausnahme die höchste Ehrfurcht und Liebe zu ihm;
als Beispiel sei nur folgender Briefanfang von Peters hier angeführt: „Der
erste ruhige Brief, den ich von hier ^Leipzigj schreibe, ist Ihnen, geliebter Lehrer,
geweiht. Ihr Bild tritt nicht vor meine Seele, ohne mir Ehrfurcht und Liebe
zugleich einzuflößen; eigenthümlich erhabene Empfindungen, größere Lebensan¬
dacht, innigere Liebe zu der Tugend und zu allem Großen hat mein geistiger,
noch mehr aber der persönliche Umgang mit Ihnen in mir erweckt." Wie dieser,
so schreiben alle andern, wie auf Verabredung. Auch mit Friedrich Fröbel in
Keilhau, der von seinem Urbilde angeregt und begeistert worden war, trat er
von Göttingen aus in Verbindung.

So wohl ihm all diese Anerkennung that, so konnte er doch nicht davon
leben; er dachte bereits im Frühjahr 1827, wo sein ältester Sohn Karl nach
München ging, daran, Göttingen mit München zu vertauschen. Gleichwohl
hielten ihn die Verhältnisse in Göttingen noch lange fest, und von mancher Seite
wünschte man auch sein Verbleiben daselbst. So schreibt am 18. August 1829
Fürstin Caroline von Bückeburg an ihn:

„Recht sehr wünsche ich, daß eine Möglichkeit wäre, Sie zu bewegen, noch ein
oder zwey Jahre in Göttingen zu warten; ich hoffe, daß sich die Vorurtheile immer
mehr verlieren und der Zuhörer immer mehr werden sollen. ... Mit Vergnügen
würde ich dazu beytragen, Ihre Lage in Göttingen für ein bis zwey Jahre zu
erleichtern, da auch ich es wünsche, daß Sie unsere Gegend nicht aufs Unsichere
hin verlassen möchten, ohne daß ein Ruf in's Ausland Ihre Lage sicher stelle. ..
Der Menge fällt alles Neue und Ungewöhnliche auf, und man muß ihr Zeit lassen,
sich darein zu finden; so denke ich, wird es mit Ihren Vorträgen auch gehen.
Wenn die Besseren nur erst anfangen und fortfahren sie zu würdigen, so wird die
Meinung der Uebrigen sich fügen." —

Da trat plötzlich ein unerwartetes Ereigniß ein.

- Der Jahreswechsel war für die Universitätsstadt Göttingen immer ein
bewegter, weil da der Prorector wechselte, der regelmäßig ein Vivat oder Pereat
bekam. Zu Ende des Jahres 1830 wurde aber diese Bewegung bedenklich.


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[0334] der von München herbeigekommene Hermann v. Leonhardi —, die für ihren Meister begeistert waren und diese Begeisterung auch andern mitzutheilen suchten; Oppermann nennt noch als einen seiner wärmsten Anhänger Gottfried Schulz, von dem er sagt: „Für den Sohn des Pastors aus Grttnfelde bezeichnete es einen Lebensabschnitt, als der Philosoph Carl Friedrich Krause sich in diesem Jahre in Göttingen niederließ; Gottfried und ein großer Theil seiner Freunde wurden eifrige Schüler des großen Wissenschaftslehrers, der jedoch im Staate Hannover wenig öffentliche Anerkennung fand." Aus allen Briefen seiner Schüler an ihn spricht ohne Ausnahme die höchste Ehrfurcht und Liebe zu ihm; als Beispiel sei nur folgender Briefanfang von Peters hier angeführt: „Der erste ruhige Brief, den ich von hier ^Leipzigj schreibe, ist Ihnen, geliebter Lehrer, geweiht. Ihr Bild tritt nicht vor meine Seele, ohne mir Ehrfurcht und Liebe zugleich einzuflößen; eigenthümlich erhabene Empfindungen, größere Lebensan¬ dacht, innigere Liebe zu der Tugend und zu allem Großen hat mein geistiger, noch mehr aber der persönliche Umgang mit Ihnen in mir erweckt." Wie dieser, so schreiben alle andern, wie auf Verabredung. Auch mit Friedrich Fröbel in Keilhau, der von seinem Urbilde angeregt und begeistert worden war, trat er von Göttingen aus in Verbindung. So wohl ihm all diese Anerkennung that, so konnte er doch nicht davon leben; er dachte bereits im Frühjahr 1827, wo sein ältester Sohn Karl nach München ging, daran, Göttingen mit München zu vertauschen. Gleichwohl hielten ihn die Verhältnisse in Göttingen noch lange fest, und von mancher Seite wünschte man auch sein Verbleiben daselbst. So schreibt am 18. August 1829 Fürstin Caroline von Bückeburg an ihn: „Recht sehr wünsche ich, daß eine Möglichkeit wäre, Sie zu bewegen, noch ein oder zwey Jahre in Göttingen zu warten; ich hoffe, daß sich die Vorurtheile immer mehr verlieren und der Zuhörer immer mehr werden sollen. ... Mit Vergnügen würde ich dazu beytragen, Ihre Lage in Göttingen für ein bis zwey Jahre zu erleichtern, da auch ich es wünsche, daß Sie unsere Gegend nicht aufs Unsichere hin verlassen möchten, ohne daß ein Ruf in's Ausland Ihre Lage sicher stelle. .. Der Menge fällt alles Neue und Ungewöhnliche auf, und man muß ihr Zeit lassen, sich darein zu finden; so denke ich, wird es mit Ihren Vorträgen auch gehen. Wenn die Besseren nur erst anfangen und fortfahren sie zu würdigen, so wird die Meinung der Uebrigen sich fügen." — Da trat plötzlich ein unerwartetes Ereigniß ein. - Der Jahreswechsel war für die Universitätsstadt Göttingen immer ein bewegter, weil da der Prorector wechselte, der regelmäßig ein Vivat oder Pereat bekam. Zu Ende des Jahres 1830 wurde aber diese Bewegung bedenklich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/334>, abgerufen am 25.08.2024.