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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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ihm gerade in Göttingell als die unversöhnlichsten Feinde hinderlich gewesen.
Man ist geneigt, dies für Uebertreibung zu halten; man kann sich kaum denken,
daß ein Orden, der die trefflichsten Männer zu seinen Mitgliedern zählt, einen
-- nach gewöhnlichen Begriffen -- so unglücklichen Mann so grausam verfolgt
haben sollte, weil er einmal vielleicht gegen denselben gefehlt hatte. Und doch
sprechen so viele Aeußerungen und Thatsachen dafür, daß Krause fortdauernd
von den Freimaurern mit Haß verfolgt wurde, und es ist mehr als wahr¬
scheinlich, daß sie, wenn sie dazu Gelegenheit hatten, diesen Haß auch durch
die That bethätigten. Nicht Krause allein bezeichnet dies als den hauptsächlich¬
sten Grund seines Mißgeschicks; auch nicht bloß diejenigen unter seinen Freunden,
welche nicht Freimaurer waren, sondern vor allen Dingen äußern die Freimaurer
selbst, soweit er mit ihnen verkehrte, wiederholt ihr schmerzliches Bedauern über
die Gehässigkeit und UnVersöhnlichkeit, mit welcher die Logen Krause verfolgten.
So schreibt u. a. sein Dresdner Freund Bürger am 15. December 1822:

"Mit maurerischer und brüderlicher Freude gab gestern im Logencirkel bei
uus Br. Tittmann, unser derzeitiger Meister vom Stuhl, in Beisein Br. Brands
und mehrerer Bundesbrüder die Nachricht, daß die ganz herrliche und gründliche
Recension pu der Jenaer Literaturzeitung, jedenfalls über Krauses Kunsturkunden^
Sie tüchtig abgeführt und zurecht gewiesen habe .... Mehrere Logenschreiber
haben die Frage aufgeworfen, ob man den Bundesbrüdern in den unteren Graden
auch wol etwas von der Geschichte der Freimaurerei mittheilen dürfe. Ihre
Kunsturkunden scheinen demnach selbst den Alt- und Hochmeistern noch, ein ver¬
schlossenes Buch zu sein, wiewol sie dieselben während dieses Gesprächs vor sich
liegen hatten und darinnen herumblätterten. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche
wehmüthige Empfindungen mich dabei befielen und ob ich meinen Ohren trauen
sollte. -- Verzeihlicher dürfte es einem bald werden, nichts mehr vom Logcnwesen
wissen zu "vollen; denn wenn die Menschlichkeit sich in so einer Verbindung so zeigt
und gerirt, was soll man dann von andern Menschen denken und halten? und
kann hier wol von Sittlichkeit und Moralität noch die Rede sein?"

Dergleichen Aeußerungen, mehr oder weniger deutlich, finden sich häufig in den
Briefen. Auch ist es glaubhaft, daß Krause schon in Dresden von Freimaurern
beim Minister von Einsiedel verleumdet wurde; denn jene sechs Freimaurer, die
einst Krauses Entfernung aus der Loge beantragt hatten, waren sämmtlich hoch¬
geborene und hochgestellte Personen, die jedenfalls zum Minister in persönlicher
Beziehung standen.

Dies alles hielt freilich die Studenten, die nicht das Kleid, sondern den
Vortrag der Professoren vergleichen, nicht ab, seine Vorlesungen zu besuchen,
und mit jedem Semester wuchs die Zahl seiner Zuhörer. Bald bildete sich um
ihn ein Kreis von Schülern -- wie Ahrens, Schumacher, Reuter, Moller, Peters,


ihm gerade in Göttingell als die unversöhnlichsten Feinde hinderlich gewesen.
Man ist geneigt, dies für Uebertreibung zu halten; man kann sich kaum denken,
daß ein Orden, der die trefflichsten Männer zu seinen Mitgliedern zählt, einen
— nach gewöhnlichen Begriffen — so unglücklichen Mann so grausam verfolgt
haben sollte, weil er einmal vielleicht gegen denselben gefehlt hatte. Und doch
sprechen so viele Aeußerungen und Thatsachen dafür, daß Krause fortdauernd
von den Freimaurern mit Haß verfolgt wurde, und es ist mehr als wahr¬
scheinlich, daß sie, wenn sie dazu Gelegenheit hatten, diesen Haß auch durch
die That bethätigten. Nicht Krause allein bezeichnet dies als den hauptsächlich¬
sten Grund seines Mißgeschicks; auch nicht bloß diejenigen unter seinen Freunden,
welche nicht Freimaurer waren, sondern vor allen Dingen äußern die Freimaurer
selbst, soweit er mit ihnen verkehrte, wiederholt ihr schmerzliches Bedauern über
die Gehässigkeit und UnVersöhnlichkeit, mit welcher die Logen Krause verfolgten.
So schreibt u. a. sein Dresdner Freund Bürger am 15. December 1822:

„Mit maurerischer und brüderlicher Freude gab gestern im Logencirkel bei
uus Br. Tittmann, unser derzeitiger Meister vom Stuhl, in Beisein Br. Brands
und mehrerer Bundesbrüder die Nachricht, daß die ganz herrliche und gründliche
Recension pu der Jenaer Literaturzeitung, jedenfalls über Krauses Kunsturkunden^
Sie tüchtig abgeführt und zurecht gewiesen habe .... Mehrere Logenschreiber
haben die Frage aufgeworfen, ob man den Bundesbrüdern in den unteren Graden
auch wol etwas von der Geschichte der Freimaurerei mittheilen dürfe. Ihre
Kunsturkunden scheinen demnach selbst den Alt- und Hochmeistern noch, ein ver¬
schlossenes Buch zu sein, wiewol sie dieselben während dieses Gesprächs vor sich
liegen hatten und darinnen herumblätterten. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche
wehmüthige Empfindungen mich dabei befielen und ob ich meinen Ohren trauen
sollte. — Verzeihlicher dürfte es einem bald werden, nichts mehr vom Logcnwesen
wissen zu »vollen; denn wenn die Menschlichkeit sich in so einer Verbindung so zeigt
und gerirt, was soll man dann von andern Menschen denken und halten? und
kann hier wol von Sittlichkeit und Moralität noch die Rede sein?"

Dergleichen Aeußerungen, mehr oder weniger deutlich, finden sich häufig in den
Briefen. Auch ist es glaubhaft, daß Krause schon in Dresden von Freimaurern
beim Minister von Einsiedel verleumdet wurde; denn jene sechs Freimaurer, die
einst Krauses Entfernung aus der Loge beantragt hatten, waren sämmtlich hoch¬
geborene und hochgestellte Personen, die jedenfalls zum Minister in persönlicher
Beziehung standen.

Dies alles hielt freilich die Studenten, die nicht das Kleid, sondern den
Vortrag der Professoren vergleichen, nicht ab, seine Vorlesungen zu besuchen,
und mit jedem Semester wuchs die Zahl seiner Zuhörer. Bald bildete sich um
ihn ein Kreis von Schülern — wie Ahrens, Schumacher, Reuter, Moller, Peters,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/333>, abgerufen am 23.07.2024.