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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Freiheit der Wahl würde es freilich nicht passen, wenn Frankreich schon als
Rußlands unzertrennlicher Freund erschiene. Darum muß Herr v. Blowitz der
Welt offenbaren: man sei noch gar nicht an Rußland gebunden, man sei voll
Mißtrauen, man wünsche Englands Freundschaft. Denn Herr v. Blowitz, das
darf man nicht vergessen, schreibt nach England, für England, und erst in zweiter
Linie für Europa. Die Qual der Wahl aber, warum sucht man sie zu ver¬
längern?--Man würde sie gern verkürzen, wenn es ein Mittel gäbe, ihr zu
entrinnen. Aber wie kann man sich hente schon unwiderruflich an Rußland binden,
an ein Land, welches einem Riesenkessel voll unheimlicher Gährung gleicht? Wer
mag wissen, wie bald die Blasen dieser Gährung zu Boden fallen, um nur
einen ohnmächtigen Niederschlag zurückzulassen? Wer mag wissen, ob die Gluth
dieses Kessels nicht sinnlos wüthend überläuft, um nach zweckloser Verheerung
durch die vereinte Anstrengung aller Culturläuder ausgedrückt zu werden? Also
gilt es zu warten, zu beobachten und zu vermeiden, daß man alle anderen
Freundschaften vorzeitig verscherze.

Angelegt ist die Partie nach allen Regeln. Für die Durchführung reichen
keine Regeln aus. Wir sind Herrn v. Blowitz dankbar dafür, daß er das
S ^ piel so hübsch eingeleitet, daß man es gleich erkennt.




Literatur.

Muster-Ornamente aus allen Stilen in historischer Anordnung. Nach Original¬
aufnahmen von Jos. Durm, Fr. Fischbach, A. Graues, E. Herdtle,
A. Ortwein, A. Schilt, Val. Teirich u. A. Liefg. 1 bis 3. Stuttgart,
Engelhorn, 1879.

Die glückliche Idee, die der Seemann'sche Verlag in Leipzig in seinen "Kunst¬
historischen Bilderbogen" zur Ausführung gebracht hat -- den im Laufe der Jahre
im Besitz der Verlagshandlung angesammelten Vorrath von Holzschnitten in kunst¬
geschichtlicher Folge auf Bogen zu vereinigen und so ein wohlfeiles und verbrei¬
tungsfähiges Anschauungsmaterial für das kunstgeschichtliche Studium zu schaffen --
hat, wie es scheint, mehrfach zur Nacheiferung angereizt. Das vorliegende, viel¬
versprechende Werk hat wenigstens augenscheinlich dieselbe Entstehungsgeschichte. In
der im Engelhorn'schen Verlage seit 17 Jahren erscheinenden kunstgewerblichen
Zeitschrift "Gewerbchalle" ist nach und nach ein reicher Schatz von Ornamenten
aller Zeiten und Stile veröffentlicht worden, der, selbst wenn er nur zum Theil
gesammelt und in historische Folge gebracht wird, eine Uebersicht über die Geschichte
der Ornamentik von aller nur wttnschenswerthen Vollständigkeit ergeben muß. Diese
Sammlung wird dem Publikum in dein vorliegenden, auf 25 Lieferungen -- d. i.
300 Tafeln -- berechneten Werke geboten. (5 Liefg. von 12 Tafeln 1 Mk.)

Nach den bis jetzt erschienene" Lieferungen zu urtheilen, werden diese "Muster-


Freiheit der Wahl würde es freilich nicht passen, wenn Frankreich schon als
Rußlands unzertrennlicher Freund erschiene. Darum muß Herr v. Blowitz der
Welt offenbaren: man sei noch gar nicht an Rußland gebunden, man sei voll
Mißtrauen, man wünsche Englands Freundschaft. Denn Herr v. Blowitz, das
darf man nicht vergessen, schreibt nach England, für England, und erst in zweiter
Linie für Europa. Die Qual der Wahl aber, warum sucht man sie zu ver¬
längern?—Man würde sie gern verkürzen, wenn es ein Mittel gäbe, ihr zu
entrinnen. Aber wie kann man sich hente schon unwiderruflich an Rußland binden,
an ein Land, welches einem Riesenkessel voll unheimlicher Gährung gleicht? Wer
mag wissen, wie bald die Blasen dieser Gährung zu Boden fallen, um nur
einen ohnmächtigen Niederschlag zurückzulassen? Wer mag wissen, ob die Gluth
dieses Kessels nicht sinnlos wüthend überläuft, um nach zweckloser Verheerung
durch die vereinte Anstrengung aller Culturläuder ausgedrückt zu werden? Also
gilt es zu warten, zu beobachten und zu vermeiden, daß man alle anderen
Freundschaften vorzeitig verscherze.

Angelegt ist die Partie nach allen Regeln. Für die Durchführung reichen
keine Regeln aus. Wir sind Herrn v. Blowitz dankbar dafür, daß er das
S ^ piel so hübsch eingeleitet, daß man es gleich erkennt.




Literatur.

Muster-Ornamente aus allen Stilen in historischer Anordnung. Nach Original¬
aufnahmen von Jos. Durm, Fr. Fischbach, A. Graues, E. Herdtle,
A. Ortwein, A. Schilt, Val. Teirich u. A. Liefg. 1 bis 3. Stuttgart,
Engelhorn, 1879.

Die glückliche Idee, die der Seemann'sche Verlag in Leipzig in seinen „Kunst¬
historischen Bilderbogen" zur Ausführung gebracht hat — den im Laufe der Jahre
im Besitz der Verlagshandlung angesammelten Vorrath von Holzschnitten in kunst¬
geschichtlicher Folge auf Bogen zu vereinigen und so ein wohlfeiles und verbrei¬
tungsfähiges Anschauungsmaterial für das kunstgeschichtliche Studium zu schaffen —
hat, wie es scheint, mehrfach zur Nacheiferung angereizt. Das vorliegende, viel¬
versprechende Werk hat wenigstens augenscheinlich dieselbe Entstehungsgeschichte. In
der im Engelhorn'schen Verlage seit 17 Jahren erscheinenden kunstgewerblichen
Zeitschrift „Gewerbchalle" ist nach und nach ein reicher Schatz von Ornamenten
aller Zeiten und Stile veröffentlicht worden, der, selbst wenn er nur zum Theil
gesammelt und in historische Folge gebracht wird, eine Uebersicht über die Geschichte
der Ornamentik von aller nur wttnschenswerthen Vollständigkeit ergeben muß. Diese
Sammlung wird dem Publikum in dein vorliegenden, auf 25 Lieferungen — d. i.
300 Tafeln — berechneten Werke geboten. (5 Liefg. von 12 Tafeln 1 Mk.)

Nach den bis jetzt erschienene» Lieferungen zu urtheilen, werden diese „Muster-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/311>, abgerufen am 22.07.2024.