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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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uneingeschüchtert der Drohung die Forderung entgegen, daß ihr von dein
Minister die mit der Curie gewechselte Correspondenz vorgelegt werde. Die
Regierung sah sich genöthigt, hierauf einzugehen, und da bot sich denn dem
Lande ein überaus merkwürdiges und eigenthümliches Schauspiel. Die vor¬
gelegten Actenstücke, besonders die Actenstücke der Curie in Freiburg, bestätigten
nicht nur die Darlegung, welche der Minister des Innern in den Motiven
gegeben hatte, nicht, sondern erwiesen die Behauptungen des oben erwähnten
amtlichen Artikels als vollständig haltlos, theils geradezu als aus der Luft
gegriffen, und ließen außerdem die Haltung des Bisthumsverwesers als eine
so unnachgiebige, anmaßende, den Bisthumsverweser selbst nicht als den Frieden
suchenden, sondern den Frieden decretirenden erscheinen, daß der ganzen liberalen
Kammermehrheit sich eine ungeheure Entrüstung bemächtigte, die sich, als der
letzte Erlaß des Bisthumsverwesers durch die badische Landeszeitung über das
ganze Land hin verbreitet wurde, sich auch der Bevölkerung mittheilte und auch
in der auswärtigen Presse, die jetzt sich ausnahmslos gegen diesen Ausgleich
erklärte, eiuen ungeschminkten Ausdruck fand. Während die Motive deutlich
genug hatten durchblicken lassen, daß zwischen dem Staate und der Curie in
Freiburg Abmachungen bestünden, welche ein Entgegenkommen der Curie über
das Gesetz hinaus garantirten, zeigte die vorgelegte Correspondenz, daß die
Curie, weit davon entfernt, dem Staate irgend einen Einstich auf die Prüfung
und Anstellung von Geistlichen zuzugestehen, in den Bestimmungen des neuen
Gesetzes nichts als eine inhaltlose Form anerkannte, an die sie sich in ihrem
Gewissen schwerlich gebunden erachte. Das Schreiben des Bisthumsverwesers,
das die zwischen dem Staate und der Curie gepflogenen Verhandlungen be¬
schloß und gleichsam als ein Ultimatum der Curie angesehen werden mußte,
war in einem so hochtrabenden, gnädig herablassenden Tone gehalten, daß es
schon um dieser Aeußerlichkeit willen einen abstoßenden Eindruck machte. Aber
auch der Inhalt war für alle diejenigen nicht erbaulich, welche bei einem
Ausgleiche mit Rom den Hauptaccent auf die Wahrung der kirchlichen Autorität
legten. Die einzige thatsächliche Anerkennung des Ultimatums bestand darin,
daß der Bischof erklärte, er werde "zulassen", daß die Kandidaten der
Theologie die theologische Fachprüfung unter "Anwohnung" des Regierungs-
commissärs bestehen. Dieses "Anwohnung" zeigt zur Genüge, daß der Bis¬
thumsverweser jedes Eingreifen des Commissärs auf den Gang der Fach¬
prüfung ausgeschlossen wissen wollte. Zudem ging aus sonstigen amtlichen
Schriftstücken hervor, daß diese Prüfung dem Staate gegenüber eigentlich nur
pro formÄ abgelegt werden sollte, daß aber außerdem der junge Geistliche noch
eine eigentliche theologische Prüfung zu bestehen haben sollte, welcher ein
Regierungsvertreter nicht beiwohnen dürfte. Zum Schlüsse des mehrerwähnten


uneingeschüchtert der Drohung die Forderung entgegen, daß ihr von dein
Minister die mit der Curie gewechselte Correspondenz vorgelegt werde. Die
Regierung sah sich genöthigt, hierauf einzugehen, und da bot sich denn dem
Lande ein überaus merkwürdiges und eigenthümliches Schauspiel. Die vor¬
gelegten Actenstücke, besonders die Actenstücke der Curie in Freiburg, bestätigten
nicht nur die Darlegung, welche der Minister des Innern in den Motiven
gegeben hatte, nicht, sondern erwiesen die Behauptungen des oben erwähnten
amtlichen Artikels als vollständig haltlos, theils geradezu als aus der Luft
gegriffen, und ließen außerdem die Haltung des Bisthumsverwesers als eine
so unnachgiebige, anmaßende, den Bisthumsverweser selbst nicht als den Frieden
suchenden, sondern den Frieden decretirenden erscheinen, daß der ganzen liberalen
Kammermehrheit sich eine ungeheure Entrüstung bemächtigte, die sich, als der
letzte Erlaß des Bisthumsverwesers durch die badische Landeszeitung über das
ganze Land hin verbreitet wurde, sich auch der Bevölkerung mittheilte und auch
in der auswärtigen Presse, die jetzt sich ausnahmslos gegen diesen Ausgleich
erklärte, eiuen ungeschminkten Ausdruck fand. Während die Motive deutlich
genug hatten durchblicken lassen, daß zwischen dem Staate und der Curie in
Freiburg Abmachungen bestünden, welche ein Entgegenkommen der Curie über
das Gesetz hinaus garantirten, zeigte die vorgelegte Correspondenz, daß die
Curie, weit davon entfernt, dem Staate irgend einen Einstich auf die Prüfung
und Anstellung von Geistlichen zuzugestehen, in den Bestimmungen des neuen
Gesetzes nichts als eine inhaltlose Form anerkannte, an die sie sich in ihrem
Gewissen schwerlich gebunden erachte. Das Schreiben des Bisthumsverwesers,
das die zwischen dem Staate und der Curie gepflogenen Verhandlungen be¬
schloß und gleichsam als ein Ultimatum der Curie angesehen werden mußte,
war in einem so hochtrabenden, gnädig herablassenden Tone gehalten, daß es
schon um dieser Aeußerlichkeit willen einen abstoßenden Eindruck machte. Aber
auch der Inhalt war für alle diejenigen nicht erbaulich, welche bei einem
Ausgleiche mit Rom den Hauptaccent auf die Wahrung der kirchlichen Autorität
legten. Die einzige thatsächliche Anerkennung des Ultimatums bestand darin,
daß der Bischof erklärte, er werde „zulassen", daß die Kandidaten der
Theologie die theologische Fachprüfung unter „Anwohnung" des Regierungs-
commissärs bestehen. Dieses „Anwohnung" zeigt zur Genüge, daß der Bis¬
thumsverweser jedes Eingreifen des Commissärs auf den Gang der Fach¬
prüfung ausgeschlossen wissen wollte. Zudem ging aus sonstigen amtlichen
Schriftstücken hervor, daß diese Prüfung dem Staate gegenüber eigentlich nur
pro formÄ abgelegt werden sollte, daß aber außerdem der junge Geistliche noch
eine eigentliche theologische Prüfung zu bestehen haben sollte, welcher ein
Regierungsvertreter nicht beiwohnen dürfte. Zum Schlüsse des mehrerwähnten


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[0307] uneingeschüchtert der Drohung die Forderung entgegen, daß ihr von dein Minister die mit der Curie gewechselte Correspondenz vorgelegt werde. Die Regierung sah sich genöthigt, hierauf einzugehen, und da bot sich denn dem Lande ein überaus merkwürdiges und eigenthümliches Schauspiel. Die vor¬ gelegten Actenstücke, besonders die Actenstücke der Curie in Freiburg, bestätigten nicht nur die Darlegung, welche der Minister des Innern in den Motiven gegeben hatte, nicht, sondern erwiesen die Behauptungen des oben erwähnten amtlichen Artikels als vollständig haltlos, theils geradezu als aus der Luft gegriffen, und ließen außerdem die Haltung des Bisthumsverwesers als eine so unnachgiebige, anmaßende, den Bisthumsverweser selbst nicht als den Frieden suchenden, sondern den Frieden decretirenden erscheinen, daß der ganzen liberalen Kammermehrheit sich eine ungeheure Entrüstung bemächtigte, die sich, als der letzte Erlaß des Bisthumsverwesers durch die badische Landeszeitung über das ganze Land hin verbreitet wurde, sich auch der Bevölkerung mittheilte und auch in der auswärtigen Presse, die jetzt sich ausnahmslos gegen diesen Ausgleich erklärte, eiuen ungeschminkten Ausdruck fand. Während die Motive deutlich genug hatten durchblicken lassen, daß zwischen dem Staate und der Curie in Freiburg Abmachungen bestünden, welche ein Entgegenkommen der Curie über das Gesetz hinaus garantirten, zeigte die vorgelegte Correspondenz, daß die Curie, weit davon entfernt, dem Staate irgend einen Einstich auf die Prüfung und Anstellung von Geistlichen zuzugestehen, in den Bestimmungen des neuen Gesetzes nichts als eine inhaltlose Form anerkannte, an die sie sich in ihrem Gewissen schwerlich gebunden erachte. Das Schreiben des Bisthumsverwesers, das die zwischen dem Staate und der Curie gepflogenen Verhandlungen be¬ schloß und gleichsam als ein Ultimatum der Curie angesehen werden mußte, war in einem so hochtrabenden, gnädig herablassenden Tone gehalten, daß es schon um dieser Aeußerlichkeit willen einen abstoßenden Eindruck machte. Aber auch der Inhalt war für alle diejenigen nicht erbaulich, welche bei einem Ausgleiche mit Rom den Hauptaccent auf die Wahrung der kirchlichen Autorität legten. Die einzige thatsächliche Anerkennung des Ultimatums bestand darin, daß der Bischof erklärte, er werde „zulassen", daß die Kandidaten der Theologie die theologische Fachprüfung unter „Anwohnung" des Regierungs- commissärs bestehen. Dieses „Anwohnung" zeigt zur Genüge, daß der Bis¬ thumsverweser jedes Eingreifen des Commissärs auf den Gang der Fach¬ prüfung ausgeschlossen wissen wollte. Zudem ging aus sonstigen amtlichen Schriftstücken hervor, daß diese Prüfung dem Staate gegenüber eigentlich nur pro formÄ abgelegt werden sollte, daß aber außerdem der junge Geistliche noch eine eigentliche theologische Prüfung zu bestehen haben sollte, welcher ein Regierungsvertreter nicht beiwohnen dürfte. Zum Schlüsse des mehrerwähnten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/307>, abgerufen am 23.07.2024.