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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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aufgeopfert, unsere Mittel sind erschöpft, und neues Kapital beklimmen wir nicht
mehr. Ich erkläre mich bereit, den Nachweis von der Richtigkeit meiner Be¬
hauptung zu liefern, daß bei der colossalen Production, welche die Bessemer-
Ersindung nicht allein mit sich bringt, sondern technisch erzwingt, wenn man
rationell arbeiten will, gar nicht daran zu denken ist, daß der Consum jemals
damit in Uebereinstimmung kommen kann. Eine Ueberproduction, wie sie die
Eisenindustrie früher gar nicht gekannt, nicht einmal geahnt hat, wird leider
dauernd sein. Ich behaupte, die technischen Leistungen der Bessemer-Industrie
in allen Ländern der Welt, wenn sie völlig ausgenutzt werden, genügen dem
dreifachen Consum, und wir können lange warten, bis der Consum sich so
mehrt, um nur einigermaßen einer mäßige?: Production zu entsprechen."

Eine solche neue Erfindung von größter Tragweite liegt nun im Entphos-
phornngsverfahren entschieden vor, und die folgende Erläuterung wird zeigen,
wie Recht der Sachverständige hatte, sie als ein großes Unglück zu bezeichnen,
er, der selbst einer der intelligentesten, sachkundigsten Industriellen der zunächst
in Mitleidenschaft gezogenen Bessemer-Districte Rheinland-Westfalens ist.

Der Continent Europas besitzt ein Eisenerz, Minette genannt, welches sich
vom französischen Moseldepartement durch Lothringen und Luxemburg bis an
die belgische Grenze erstreckt. Diese Minette wird schon jetzt in großartigem
Betriebe mit den technisch vollkommensten Anlagen und Vorrichtungen auf ein
Roheisen verarbeitet, welches bezüglich seiner Billigkeit jede Concurrenz mit
Leichtigkeit aus dem Felde schlägt. Weil die Minette aber phosphorhaltig ist
und bisher im Converter nicht verhüllet werden konnte, so blieb sie gegen andere,
phosphorfreie Erze soweit zurück, daß Rheinland-Westfalen der Hauptsitz der
deutschen Bessemer-Jndustrie bisher gewesen ist.

Die Stahlproductiou in Rheinland-Westfalen scheidet sich in zwei Kategorien:
Die erste Kategorie betreibt die Stahlproductiou mit eigner Roheisenerzeugung;
die zweite Kategorie kauft das Roheisen und schmilzt es um.

Zur ersten Kategorie gehören die Werke: Fr. Krupp in Essen mit seinen
Hohöfen zu Duisburg, Herrmannshütte, Mühlhvfen und Sahn; Bochumer Gu߬
stahlfabrik mit den Hohöfen zu Bochum und Mühlheim a. Rhein; Phönix mit
den Hohöfen zu Laar bei Ruhrort, Berge Borbeck, Kupferdreh :c>; Gutehoff¬
nunghütte mit der großen Hohofen-Anlage zu Oberhausen; Dortmunder Union
mit den Hohöfen zu Dortmund, Steele, Hattingen :c.; Hörder-Verein mit dem
altbertthmten Hörde-Eisenwerk und 8 eigenen Hohöfen. Alle diese Werke waren
gezwungen worden, für die Beschaffung ihres Eisensteinbedarfes colossale Kapi¬
talien in Erzgruben anzulegen, um den größten Theil ihres Bessemer-Roheisen-
bedarfes selbst erblasen zu können.

Zur zweiten Kategorie gehören die Werke: Rheinische Stahlwerke zu Mei-


aufgeopfert, unsere Mittel sind erschöpft, und neues Kapital beklimmen wir nicht
mehr. Ich erkläre mich bereit, den Nachweis von der Richtigkeit meiner Be¬
hauptung zu liefern, daß bei der colossalen Production, welche die Bessemer-
Ersindung nicht allein mit sich bringt, sondern technisch erzwingt, wenn man
rationell arbeiten will, gar nicht daran zu denken ist, daß der Consum jemals
damit in Uebereinstimmung kommen kann. Eine Ueberproduction, wie sie die
Eisenindustrie früher gar nicht gekannt, nicht einmal geahnt hat, wird leider
dauernd sein. Ich behaupte, die technischen Leistungen der Bessemer-Industrie
in allen Ländern der Welt, wenn sie völlig ausgenutzt werden, genügen dem
dreifachen Consum, und wir können lange warten, bis der Consum sich so
mehrt, um nur einigermaßen einer mäßige?: Production zu entsprechen."

Eine solche neue Erfindung von größter Tragweite liegt nun im Entphos-
phornngsverfahren entschieden vor, und die folgende Erläuterung wird zeigen,
wie Recht der Sachverständige hatte, sie als ein großes Unglück zu bezeichnen,
er, der selbst einer der intelligentesten, sachkundigsten Industriellen der zunächst
in Mitleidenschaft gezogenen Bessemer-Districte Rheinland-Westfalens ist.

Der Continent Europas besitzt ein Eisenerz, Minette genannt, welches sich
vom französischen Moseldepartement durch Lothringen und Luxemburg bis an
die belgische Grenze erstreckt. Diese Minette wird schon jetzt in großartigem
Betriebe mit den technisch vollkommensten Anlagen und Vorrichtungen auf ein
Roheisen verarbeitet, welches bezüglich seiner Billigkeit jede Concurrenz mit
Leichtigkeit aus dem Felde schlägt. Weil die Minette aber phosphorhaltig ist
und bisher im Converter nicht verhüllet werden konnte, so blieb sie gegen andere,
phosphorfreie Erze soweit zurück, daß Rheinland-Westfalen der Hauptsitz der
deutschen Bessemer-Jndustrie bisher gewesen ist.

Die Stahlproductiou in Rheinland-Westfalen scheidet sich in zwei Kategorien:
Die erste Kategorie betreibt die Stahlproductiou mit eigner Roheisenerzeugung;
die zweite Kategorie kauft das Roheisen und schmilzt es um.

Zur ersten Kategorie gehören die Werke: Fr. Krupp in Essen mit seinen
Hohöfen zu Duisburg, Herrmannshütte, Mühlhvfen und Sahn; Bochumer Gu߬
stahlfabrik mit den Hohöfen zu Bochum und Mühlheim a. Rhein; Phönix mit
den Hohöfen zu Laar bei Ruhrort, Berge Borbeck, Kupferdreh :c>; Gutehoff¬
nunghütte mit der großen Hohofen-Anlage zu Oberhausen; Dortmunder Union
mit den Hohöfen zu Dortmund, Steele, Hattingen :c.; Hörder-Verein mit dem
altbertthmten Hörde-Eisenwerk und 8 eigenen Hohöfen. Alle diese Werke waren
gezwungen worden, für die Beschaffung ihres Eisensteinbedarfes colossale Kapi¬
talien in Erzgruben anzulegen, um den größten Theil ihres Bessemer-Roheisen-
bedarfes selbst erblasen zu können.

Zur zweiten Kategorie gehören die Werke: Rheinische Stahlwerke zu Mei-


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[0302] aufgeopfert, unsere Mittel sind erschöpft, und neues Kapital beklimmen wir nicht mehr. Ich erkläre mich bereit, den Nachweis von der Richtigkeit meiner Be¬ hauptung zu liefern, daß bei der colossalen Production, welche die Bessemer- Ersindung nicht allein mit sich bringt, sondern technisch erzwingt, wenn man rationell arbeiten will, gar nicht daran zu denken ist, daß der Consum jemals damit in Uebereinstimmung kommen kann. Eine Ueberproduction, wie sie die Eisenindustrie früher gar nicht gekannt, nicht einmal geahnt hat, wird leider dauernd sein. Ich behaupte, die technischen Leistungen der Bessemer-Industrie in allen Ländern der Welt, wenn sie völlig ausgenutzt werden, genügen dem dreifachen Consum, und wir können lange warten, bis der Consum sich so mehrt, um nur einigermaßen einer mäßige?: Production zu entsprechen." Eine solche neue Erfindung von größter Tragweite liegt nun im Entphos- phornngsverfahren entschieden vor, und die folgende Erläuterung wird zeigen, wie Recht der Sachverständige hatte, sie als ein großes Unglück zu bezeichnen, er, der selbst einer der intelligentesten, sachkundigsten Industriellen der zunächst in Mitleidenschaft gezogenen Bessemer-Districte Rheinland-Westfalens ist. Der Continent Europas besitzt ein Eisenerz, Minette genannt, welches sich vom französischen Moseldepartement durch Lothringen und Luxemburg bis an die belgische Grenze erstreckt. Diese Minette wird schon jetzt in großartigem Betriebe mit den technisch vollkommensten Anlagen und Vorrichtungen auf ein Roheisen verarbeitet, welches bezüglich seiner Billigkeit jede Concurrenz mit Leichtigkeit aus dem Felde schlägt. Weil die Minette aber phosphorhaltig ist und bisher im Converter nicht verhüllet werden konnte, so blieb sie gegen andere, phosphorfreie Erze soweit zurück, daß Rheinland-Westfalen der Hauptsitz der deutschen Bessemer-Jndustrie bisher gewesen ist. Die Stahlproductiou in Rheinland-Westfalen scheidet sich in zwei Kategorien: Die erste Kategorie betreibt die Stahlproductiou mit eigner Roheisenerzeugung; die zweite Kategorie kauft das Roheisen und schmilzt es um. Zur ersten Kategorie gehören die Werke: Fr. Krupp in Essen mit seinen Hohöfen zu Duisburg, Herrmannshütte, Mühlhvfen und Sahn; Bochumer Gu߬ stahlfabrik mit den Hohöfen zu Bochum und Mühlheim a. Rhein; Phönix mit den Hohöfen zu Laar bei Ruhrort, Berge Borbeck, Kupferdreh :c>; Gutehoff¬ nunghütte mit der großen Hohofen-Anlage zu Oberhausen; Dortmunder Union mit den Hohöfen zu Dortmund, Steele, Hattingen :c.; Hörder-Verein mit dem altbertthmten Hörde-Eisenwerk und 8 eigenen Hohöfen. Alle diese Werke waren gezwungen worden, für die Beschaffung ihres Eisensteinbedarfes colossale Kapi¬ talien in Erzgruben anzulegen, um den größten Theil ihres Bessemer-Roheisen- bedarfes selbst erblasen zu können. Zur zweiten Kategorie gehören die Werke: Rheinische Stahlwerke zu Mei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/302>, abgerufen am 25.08.2024.