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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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bei dem die schädlichen Eigenschaften des Phosphors nicht mehr zur Erschei¬
nung kamen, oder aber man unterwarf das Roheisen dem sogenannten Puddel¬
proceß, d. h. man knetete das teigflüssige Eisen in flachen backofenförmigen Oefen,
sogenannten Flammöfen, in denen die Flamme von oben, auf und über das
Metall schlägt, unter energischem Zutritt der Luft und bei relativ mäßiger Hitze
zu Bällen, den sogenannten Luppen, zusammen. Bei diesem Proceß geht ein
großer Theil des Phosphors in die Schlacke, welche rechtzeitig beseitigt werden
muß. Für beide Processe nun, sür den Mischungsproeeß mit möglichst phvs-
phorfreiem Eisen ebenso wie für den Puddelproceß, steht selbstverständlich der
Werth des Productes in directem Verhältniß zu der Qualität der dabei zur
Verwendung gekommenen Eisensorten, und bezüglich des Phvsphorgehaltes liegt
die Anwendbarkeit beider Processe in ziemlich engen Grenzen, weil die noth¬
wendigen, mehr oder weniger phosphorfreien Eisensorten hoch im Preise stehen
und aus weiteren Entfernungen herbeigeschafft werden müssen, denn mit ergie¬
bigen Fundstätten für phosphorfreie Erze ist Deutschland bez. Preußen nicht
eben reich gesegnet.

Gelingt es, ein Verfahren zu finden, durch welches man im Stande ist, aus
phosphorhaltigem Roheisen ein phosphorfreies, d. h. hämmerbares, geschmolzenes
Metall zu erhalten, dann wird es möglich, die Eisenerze direct auf Stahl bez.
ans Schmiedeeisen zu verarbeiten. Ein solches Verfahren haben nun zwei eng¬
lische Chemiker gefunden. Auf dem Meeting der Iren einel Ltssl Institut",
welche im September 1878 zu Paris stattfand, legten die englischen Chemiker
Thomas und Gilchrist eine Abhandlung vor über die Lösung der Frage der
Entphosphorung des Eisens im Bessemer-Converter.

Der Bessemer-Converter, nach seinem Erfinder Henry Bessemer genannt, ist
ein Gefäß aus Kesfelblech, mit feuerfestem Thon ausgefüttert, von der Form
einer Birne, welche mit dem abgestutzten Stiel-Ende nach oben sieht und an zwei
eisernen Zapfen beweglich aufgehängt ist. Einer der Zapfen ist hohl, um durch
ihn stark gepreßten Wind in einen Sammelkasten unter der Birne blasen zu
können, damit dieser Wind durch den Boden der Birne ans 50--80 Oeffnungen
in feinen Strahlen in das Innere der Birne eintreten kann, um den ca. 100
Centnern flüssigen Roheisens, welches in die Birne eingelassen wurde, ihren
Kohlenstoff durch Oxydation d. h. Verbrennung entweder soweit zu nehmen, daß
ihm nur noch IV2 "/o übrig bleibt, d. h. daß es Stahl, oder soviel, daß
nur noch Vs °/v Kohlenstoff zurückbleibt, d. h. daß es Schmiedeeisen wird. Dieser
Proceß, der übrigens beim Hüttenbetrieb wesentlich modificirt wird, dauert etwa
20 Minuten, während der Puddelproceß einen Zeitraum von etwa l'/s Tagen
bedarf, wobei vorausgesetzt ist, daß die Birne nur mit phosphorfreiem Eisen
beschickt wird. Die epochemachende Erfindung der genialen englischen Chemiker


bei dem die schädlichen Eigenschaften des Phosphors nicht mehr zur Erschei¬
nung kamen, oder aber man unterwarf das Roheisen dem sogenannten Puddel¬
proceß, d. h. man knetete das teigflüssige Eisen in flachen backofenförmigen Oefen,
sogenannten Flammöfen, in denen die Flamme von oben, auf und über das
Metall schlägt, unter energischem Zutritt der Luft und bei relativ mäßiger Hitze
zu Bällen, den sogenannten Luppen, zusammen. Bei diesem Proceß geht ein
großer Theil des Phosphors in die Schlacke, welche rechtzeitig beseitigt werden
muß. Für beide Processe nun, sür den Mischungsproeeß mit möglichst phvs-
phorfreiem Eisen ebenso wie für den Puddelproceß, steht selbstverständlich der
Werth des Productes in directem Verhältniß zu der Qualität der dabei zur
Verwendung gekommenen Eisensorten, und bezüglich des Phvsphorgehaltes liegt
die Anwendbarkeit beider Processe in ziemlich engen Grenzen, weil die noth¬
wendigen, mehr oder weniger phosphorfreien Eisensorten hoch im Preise stehen
und aus weiteren Entfernungen herbeigeschafft werden müssen, denn mit ergie¬
bigen Fundstätten für phosphorfreie Erze ist Deutschland bez. Preußen nicht
eben reich gesegnet.

Gelingt es, ein Verfahren zu finden, durch welches man im Stande ist, aus
phosphorhaltigem Roheisen ein phosphorfreies, d. h. hämmerbares, geschmolzenes
Metall zu erhalten, dann wird es möglich, die Eisenerze direct auf Stahl bez.
ans Schmiedeeisen zu verarbeiten. Ein solches Verfahren haben nun zwei eng¬
lische Chemiker gefunden. Auf dem Meeting der Iren einel Ltssl Institut»,
welche im September 1878 zu Paris stattfand, legten die englischen Chemiker
Thomas und Gilchrist eine Abhandlung vor über die Lösung der Frage der
Entphosphorung des Eisens im Bessemer-Converter.

Der Bessemer-Converter, nach seinem Erfinder Henry Bessemer genannt, ist
ein Gefäß aus Kesfelblech, mit feuerfestem Thon ausgefüttert, von der Form
einer Birne, welche mit dem abgestutzten Stiel-Ende nach oben sieht und an zwei
eisernen Zapfen beweglich aufgehängt ist. Einer der Zapfen ist hohl, um durch
ihn stark gepreßten Wind in einen Sammelkasten unter der Birne blasen zu
können, damit dieser Wind durch den Boden der Birne ans 50—80 Oeffnungen
in feinen Strahlen in das Innere der Birne eintreten kann, um den ca. 100
Centnern flüssigen Roheisens, welches in die Birne eingelassen wurde, ihren
Kohlenstoff durch Oxydation d. h. Verbrennung entweder soweit zu nehmen, daß
ihm nur noch IV2 "/o übrig bleibt, d. h. daß es Stahl, oder soviel, daß
nur noch Vs °/v Kohlenstoff zurückbleibt, d. h. daß es Schmiedeeisen wird. Dieser
Proceß, der übrigens beim Hüttenbetrieb wesentlich modificirt wird, dauert etwa
20 Minuten, während der Puddelproceß einen Zeitraum von etwa l'/s Tagen
bedarf, wobei vorausgesetzt ist, daß die Birne nur mit phosphorfreiem Eisen
beschickt wird. Die epochemachende Erfindung der genialen englischen Chemiker


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[0300] bei dem die schädlichen Eigenschaften des Phosphors nicht mehr zur Erschei¬ nung kamen, oder aber man unterwarf das Roheisen dem sogenannten Puddel¬ proceß, d. h. man knetete das teigflüssige Eisen in flachen backofenförmigen Oefen, sogenannten Flammöfen, in denen die Flamme von oben, auf und über das Metall schlägt, unter energischem Zutritt der Luft und bei relativ mäßiger Hitze zu Bällen, den sogenannten Luppen, zusammen. Bei diesem Proceß geht ein großer Theil des Phosphors in die Schlacke, welche rechtzeitig beseitigt werden muß. Für beide Processe nun, sür den Mischungsproeeß mit möglichst phvs- phorfreiem Eisen ebenso wie für den Puddelproceß, steht selbstverständlich der Werth des Productes in directem Verhältniß zu der Qualität der dabei zur Verwendung gekommenen Eisensorten, und bezüglich des Phvsphorgehaltes liegt die Anwendbarkeit beider Processe in ziemlich engen Grenzen, weil die noth¬ wendigen, mehr oder weniger phosphorfreien Eisensorten hoch im Preise stehen und aus weiteren Entfernungen herbeigeschafft werden müssen, denn mit ergie¬ bigen Fundstätten für phosphorfreie Erze ist Deutschland bez. Preußen nicht eben reich gesegnet. Gelingt es, ein Verfahren zu finden, durch welches man im Stande ist, aus phosphorhaltigem Roheisen ein phosphorfreies, d. h. hämmerbares, geschmolzenes Metall zu erhalten, dann wird es möglich, die Eisenerze direct auf Stahl bez. ans Schmiedeeisen zu verarbeiten. Ein solches Verfahren haben nun zwei eng¬ lische Chemiker gefunden. Auf dem Meeting der Iren einel Ltssl Institut», welche im September 1878 zu Paris stattfand, legten die englischen Chemiker Thomas und Gilchrist eine Abhandlung vor über die Lösung der Frage der Entphosphorung des Eisens im Bessemer-Converter. Der Bessemer-Converter, nach seinem Erfinder Henry Bessemer genannt, ist ein Gefäß aus Kesfelblech, mit feuerfestem Thon ausgefüttert, von der Form einer Birne, welche mit dem abgestutzten Stiel-Ende nach oben sieht und an zwei eisernen Zapfen beweglich aufgehängt ist. Einer der Zapfen ist hohl, um durch ihn stark gepreßten Wind in einen Sammelkasten unter der Birne blasen zu können, damit dieser Wind durch den Boden der Birne ans 50—80 Oeffnungen in feinen Strahlen in das Innere der Birne eintreten kann, um den ca. 100 Centnern flüssigen Roheisens, welches in die Birne eingelassen wurde, ihren Kohlenstoff durch Oxydation d. h. Verbrennung entweder soweit zu nehmen, daß ihm nur noch IV2 "/o übrig bleibt, d. h. daß es Stahl, oder soviel, daß nur noch Vs °/v Kohlenstoff zurückbleibt, d. h. daß es Schmiedeeisen wird. Dieser Proceß, der übrigens beim Hüttenbetrieb wesentlich modificirt wird, dauert etwa 20 Minuten, während der Puddelproceß einen Zeitraum von etwa l'/s Tagen bedarf, wobei vorausgesetzt ist, daß die Birne nur mit phosphorfreiem Eisen beschickt wird. Die epochemachende Erfindung der genialen englischen Chemiker

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/300>, abgerufen am 23.07.2024.