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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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zu erblicken, daß ich verzweifeln möchte, wenn nicht Vertrauen in Gott mich aufrecht
erhielte. Wie lange ich aber diese Qual noch aushalte, und ob so lange, bis ich
arbeitend und kämpfend durchdringe? Ich besorge sehr, daß das nun bald über
meine Kräfte gehen wird und daß ich nahe vor dem Ziele der Erlösung hinsinken
werde. Ich selbst bin es für mich recht wol zufrieden, nur meine Kinder und meine
Frau schmerzen mich. Ich will mich aber zusammennehmen, immer aufs Neue
zusammenraffen, so lange und so gut ich kann, ob ich vielleicht doch erhalten werde.
Was Ihnen möglich ist für uns zu thun, darum bitte ich Sie um Gotteswillen,
denn die Noth ist dringend, und in dem jetzigen Zustande der menschlichen Gesellschaft
ist sonst keine Hülfe für mich, der ich mitten unter Menschen in der Wüste bin. --
Vielleicht wird Hilfe kommen, wenn sie zu spät ist. Außer Ihnen und meiner lieben
Schwester ist ja kein Mensch auf dieser Erde, vor dem ich meine und der Meinigen
Noth klagen und dadurch mein armes Herz erleichtern könnte und dürfte; verzeihen
Sie mir also, daß ich es thue. Werde ich dennoch erhalten, dringe ich dennoch
hindurch durch diese Oual, so werden Sie auch die einzigen sein, die sich recht innig
mit uns freuen."

Und der Vater, den sonst der Sohn aufrichtete, den die Leiden des Sohnes
vom frühen Morgen bis wieder zum Morgen durch den Tag und den Traum
hindurch begleiteten, verhehlte zwar nicht, daß der Sohn selbst und sein Mangel
an Weltklugheit an diesem Loose schuld sei; aber er fügt doch auch hinzu:
"Fasse nur Muth! Vielleicht kommt noch zur rechten Zeit Hilfe! Hilfe, die
Gott aufgeschoben, hat er drum nicht aufgehoben!"

In dieser Zeit der bittersten Noth war es, wo Krause sich mit der Abfassung
eines umfassenden "Systems der Wissenschaft" trug. Dieses Werk sollte in etwa
dreißig starken Bänden alles organisch gegliedert umfassen, was unter den Begriff
Wissenschaft fällt, also alle Einzelwissenschaften in ihrem organischen Verhältniß
zu der Fundamentalwissenschaft der Philosophie. Auch diesen Plan hat er zwar
nicht zu vollenden vermocht, aber doch auch nie aufgegeben.

(Schluß folgt.)




Die Zukunft der deutschen Eisenindustrie.

Die neue, mit so großer Intensität eingeführte Zollgesetzgebung mußte für
Deutschland, vorzugsweise aber für Preußen, und hier wiederum für die rhei¬
nisch-westfälische Stahlindustrie eine tiefgreifende, gesundmachende Wirkung
hoffen lassen. Leider hat es den Anschein, als ob diese Hoffnung nur gar zu


Grenzboten I. 1880. 37

zu erblicken, daß ich verzweifeln möchte, wenn nicht Vertrauen in Gott mich aufrecht
erhielte. Wie lange ich aber diese Qual noch aushalte, und ob so lange, bis ich
arbeitend und kämpfend durchdringe? Ich besorge sehr, daß das nun bald über
meine Kräfte gehen wird und daß ich nahe vor dem Ziele der Erlösung hinsinken
werde. Ich selbst bin es für mich recht wol zufrieden, nur meine Kinder und meine
Frau schmerzen mich. Ich will mich aber zusammennehmen, immer aufs Neue
zusammenraffen, so lange und so gut ich kann, ob ich vielleicht doch erhalten werde.
Was Ihnen möglich ist für uns zu thun, darum bitte ich Sie um Gotteswillen,
denn die Noth ist dringend, und in dem jetzigen Zustande der menschlichen Gesellschaft
ist sonst keine Hülfe für mich, der ich mitten unter Menschen in der Wüste bin. —
Vielleicht wird Hilfe kommen, wenn sie zu spät ist. Außer Ihnen und meiner lieben
Schwester ist ja kein Mensch auf dieser Erde, vor dem ich meine und der Meinigen
Noth klagen und dadurch mein armes Herz erleichtern könnte und dürfte; verzeihen
Sie mir also, daß ich es thue. Werde ich dennoch erhalten, dringe ich dennoch
hindurch durch diese Oual, so werden Sie auch die einzigen sein, die sich recht innig
mit uns freuen."

Und der Vater, den sonst der Sohn aufrichtete, den die Leiden des Sohnes
vom frühen Morgen bis wieder zum Morgen durch den Tag und den Traum
hindurch begleiteten, verhehlte zwar nicht, daß der Sohn selbst und sein Mangel
an Weltklugheit an diesem Loose schuld sei; aber er fügt doch auch hinzu:
„Fasse nur Muth! Vielleicht kommt noch zur rechten Zeit Hilfe! Hilfe, die
Gott aufgeschoben, hat er drum nicht aufgehoben!"

In dieser Zeit der bittersten Noth war es, wo Krause sich mit der Abfassung
eines umfassenden „Systems der Wissenschaft" trug. Dieses Werk sollte in etwa
dreißig starken Bänden alles organisch gegliedert umfassen, was unter den Begriff
Wissenschaft fällt, also alle Einzelwissenschaften in ihrem organischen Verhältniß
zu der Fundamentalwissenschaft der Philosophie. Auch diesen Plan hat er zwar
nicht zu vollenden vermocht, aber doch auch nie aufgegeben.

(Schluß folgt.)




Die Zukunft der deutschen Eisenindustrie.

Die neue, mit so großer Intensität eingeführte Zollgesetzgebung mußte für
Deutschland, vorzugsweise aber für Preußen, und hier wiederum für die rhei¬
nisch-westfälische Stahlindustrie eine tiefgreifende, gesundmachende Wirkung
hoffen lassen. Leider hat es den Anschein, als ob diese Hoffnung nur gar zu


Grenzboten I. 1880. 37
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[0297] zu erblicken, daß ich verzweifeln möchte, wenn nicht Vertrauen in Gott mich aufrecht erhielte. Wie lange ich aber diese Qual noch aushalte, und ob so lange, bis ich arbeitend und kämpfend durchdringe? Ich besorge sehr, daß das nun bald über meine Kräfte gehen wird und daß ich nahe vor dem Ziele der Erlösung hinsinken werde. Ich selbst bin es für mich recht wol zufrieden, nur meine Kinder und meine Frau schmerzen mich. Ich will mich aber zusammennehmen, immer aufs Neue zusammenraffen, so lange und so gut ich kann, ob ich vielleicht doch erhalten werde. Was Ihnen möglich ist für uns zu thun, darum bitte ich Sie um Gotteswillen, denn die Noth ist dringend, und in dem jetzigen Zustande der menschlichen Gesellschaft ist sonst keine Hülfe für mich, der ich mitten unter Menschen in der Wüste bin. — Vielleicht wird Hilfe kommen, wenn sie zu spät ist. Außer Ihnen und meiner lieben Schwester ist ja kein Mensch auf dieser Erde, vor dem ich meine und der Meinigen Noth klagen und dadurch mein armes Herz erleichtern könnte und dürfte; verzeihen Sie mir also, daß ich es thue. Werde ich dennoch erhalten, dringe ich dennoch hindurch durch diese Oual, so werden Sie auch die einzigen sein, die sich recht innig mit uns freuen." Und der Vater, den sonst der Sohn aufrichtete, den die Leiden des Sohnes vom frühen Morgen bis wieder zum Morgen durch den Tag und den Traum hindurch begleiteten, verhehlte zwar nicht, daß der Sohn selbst und sein Mangel an Weltklugheit an diesem Loose schuld sei; aber er fügt doch auch hinzu: „Fasse nur Muth! Vielleicht kommt noch zur rechten Zeit Hilfe! Hilfe, die Gott aufgeschoben, hat er drum nicht aufgehoben!" In dieser Zeit der bittersten Noth war es, wo Krause sich mit der Abfassung eines umfassenden „Systems der Wissenschaft" trug. Dieses Werk sollte in etwa dreißig starken Bänden alles organisch gegliedert umfassen, was unter den Begriff Wissenschaft fällt, also alle Einzelwissenschaften in ihrem organischen Verhältniß zu der Fundamentalwissenschaft der Philosophie. Auch diesen Plan hat er zwar nicht zu vollenden vermocht, aber doch auch nie aufgegeben. (Schluß folgt.) Die Zukunft der deutschen Eisenindustrie. Die neue, mit so großer Intensität eingeführte Zollgesetzgebung mußte für Deutschland, vorzugsweise aber für Preußen, und hier wiederum für die rhei¬ nisch-westfälische Stahlindustrie eine tiefgreifende, gesundmachende Wirkung hoffen lassen. Leider hat es den Anschein, als ob diese Hoffnung nur gar zu Grenzboten I. 1880. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/297>, abgerufen am 22.07.2024.