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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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doch stets genau erklärt werden, und es bleibt dann Jedermann überlassen, sie
nach eigner Prüfung anzunehmen oder zu verwerfen."

Neben den sprachlichen Studien beschäftigte sich Krause damals mit Pasi-
graphie und Telegraphie, auch wurde er in Bezug auf letztere 1820 von Zeune
zu Rathe gezogen, der von dem preußischen Ministerium um ein Gutachten ange¬
gangen worden war; ebenso interessirte ihn noch lebhaft der thierische Magnetismus.
Endlich kam jetzt auch die zweite Auflage der "Drei ältesten Kunsturkunden," an
welche er schon in Berlin gedacht hatte, zur Ausführung. "Was dieselbe wirken
wird," schrieb er von Berlin aus seinem Vater, "weiß ich noch nicht; ich muß
aber meinem innern Berufe folgen, von dem ich unwiderstehlich getrieben werde."

In den zweiten Dresdner Aufenthalt fällt auch Krauses Italienische
Reise. In Berlin hatte er die Bekanntschaft eines wohlhabenden Fabrikanten
Namens Tannen gemacht, in dessen Begleitung er die Reise am 17. April
1817 antrat. Auch sie war für Krause, wie er es bestimmt ausspricht, in erster
Linie eine Pflicht; durch das Studium der Malerei, Bildhauerei, der Musik und
dramatischen Kunst in Italien wollte er seine Aesthetik vervollkommnen. Der
Weg führte die Freunde über München, Verona, Venedig, Florenz nach Rom
und Neapel; der Rückweg ging über Lyon und Paris. Es versteht sich von
selbst, daß Krause alles benutzte, um seine Kenntnisse zu erweitern und seinen
Geschmack zu läutern. Das einzige, was ihm die Reise verleidete, war die
Trennung von seiner Familie, und auch diese empfand zum ersten Male die
Abwesenheit des Gatten und Vaters. Voll rührender Zärtlichkeit sind die
Briefe der Ehegatten; als aber Amalie dem Vater Krause in Nobitz schrieb:
"Wir haben uns gelobet, mit einander zu sterben und ich vermag ohne meinen
lieben Mann nicht zu leben", schrieb derselbe: "Das ist Schwärmerei, -- man
stirbt nicht gleich." Mitte September war Krause wieder in der Mitte der
Seinen; er kam noch zeitig genug, um sein neuntes, während der Reise geborenes
Kind zu sehen, das bald darauf der Tod wieder abrief.

Nach der Reise nahm Krause mit erneutem Eifer den Unterricht seiner
Kinder auf, dem er nicht weniger als acht Stunden täglich widmete. Wir find
entschieden geneigt, diesen persönlichen Unterricht seiner Kinder für einen Fehler
zu halten, wenn wir bedenken, wie viel Kraft derselbe absorbirte, und was
Krause in diesen acht Stunden täglich hätte arbeiten können; dagegen äußerte
er selbst hierüber am 15. Februar 1817 in einem Briefe an seinen Vater:

"Ich habe nun das Schwerste überstanden und sehe deutlich, daß meine beiden
ältesten Söhne nach 3 Jahren zur Universität reif sein werden, und zugleich, daß
Sophie dann eben so weit sein wird. Es ist wahr, ich könnte, wenn ich jetzt nicht
täglich 8 Stunden mit Kindunterricht zubrächte, mein wissenschaftliches System
früher in Druck geben, allein dieser Unterricht wirkt Wesentliches mit, diesen Glied-


doch stets genau erklärt werden, und es bleibt dann Jedermann überlassen, sie
nach eigner Prüfung anzunehmen oder zu verwerfen."

Neben den sprachlichen Studien beschäftigte sich Krause damals mit Pasi-
graphie und Telegraphie, auch wurde er in Bezug auf letztere 1820 von Zeune
zu Rathe gezogen, der von dem preußischen Ministerium um ein Gutachten ange¬
gangen worden war; ebenso interessirte ihn noch lebhaft der thierische Magnetismus.
Endlich kam jetzt auch die zweite Auflage der „Drei ältesten Kunsturkunden," an
welche er schon in Berlin gedacht hatte, zur Ausführung. „Was dieselbe wirken
wird," schrieb er von Berlin aus seinem Vater, „weiß ich noch nicht; ich muß
aber meinem innern Berufe folgen, von dem ich unwiderstehlich getrieben werde."

In den zweiten Dresdner Aufenthalt fällt auch Krauses Italienische
Reise. In Berlin hatte er die Bekanntschaft eines wohlhabenden Fabrikanten
Namens Tannen gemacht, in dessen Begleitung er die Reise am 17. April
1817 antrat. Auch sie war für Krause, wie er es bestimmt ausspricht, in erster
Linie eine Pflicht; durch das Studium der Malerei, Bildhauerei, der Musik und
dramatischen Kunst in Italien wollte er seine Aesthetik vervollkommnen. Der
Weg führte die Freunde über München, Verona, Venedig, Florenz nach Rom
und Neapel; der Rückweg ging über Lyon und Paris. Es versteht sich von
selbst, daß Krause alles benutzte, um seine Kenntnisse zu erweitern und seinen
Geschmack zu läutern. Das einzige, was ihm die Reise verleidete, war die
Trennung von seiner Familie, und auch diese empfand zum ersten Male die
Abwesenheit des Gatten und Vaters. Voll rührender Zärtlichkeit sind die
Briefe der Ehegatten; als aber Amalie dem Vater Krause in Nobitz schrieb:
„Wir haben uns gelobet, mit einander zu sterben und ich vermag ohne meinen
lieben Mann nicht zu leben", schrieb derselbe: „Das ist Schwärmerei, — man
stirbt nicht gleich." Mitte September war Krause wieder in der Mitte der
Seinen; er kam noch zeitig genug, um sein neuntes, während der Reise geborenes
Kind zu sehen, das bald darauf der Tod wieder abrief.

Nach der Reise nahm Krause mit erneutem Eifer den Unterricht seiner
Kinder auf, dem er nicht weniger als acht Stunden täglich widmete. Wir find
entschieden geneigt, diesen persönlichen Unterricht seiner Kinder für einen Fehler
zu halten, wenn wir bedenken, wie viel Kraft derselbe absorbirte, und was
Krause in diesen acht Stunden täglich hätte arbeiten können; dagegen äußerte
er selbst hierüber am 15. Februar 1817 in einem Briefe an seinen Vater:

„Ich habe nun das Schwerste überstanden und sehe deutlich, daß meine beiden
ältesten Söhne nach 3 Jahren zur Universität reif sein werden, und zugleich, daß
Sophie dann eben so weit sein wird. Es ist wahr, ich könnte, wenn ich jetzt nicht
täglich 8 Stunden mit Kindunterricht zubrächte, mein wissenschaftliches System
früher in Druck geben, allein dieser Unterricht wirkt Wesentliches mit, diesen Glied-


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[0294] doch stets genau erklärt werden, und es bleibt dann Jedermann überlassen, sie nach eigner Prüfung anzunehmen oder zu verwerfen." Neben den sprachlichen Studien beschäftigte sich Krause damals mit Pasi- graphie und Telegraphie, auch wurde er in Bezug auf letztere 1820 von Zeune zu Rathe gezogen, der von dem preußischen Ministerium um ein Gutachten ange¬ gangen worden war; ebenso interessirte ihn noch lebhaft der thierische Magnetismus. Endlich kam jetzt auch die zweite Auflage der „Drei ältesten Kunsturkunden," an welche er schon in Berlin gedacht hatte, zur Ausführung. „Was dieselbe wirken wird," schrieb er von Berlin aus seinem Vater, „weiß ich noch nicht; ich muß aber meinem innern Berufe folgen, von dem ich unwiderstehlich getrieben werde." In den zweiten Dresdner Aufenthalt fällt auch Krauses Italienische Reise. In Berlin hatte er die Bekanntschaft eines wohlhabenden Fabrikanten Namens Tannen gemacht, in dessen Begleitung er die Reise am 17. April 1817 antrat. Auch sie war für Krause, wie er es bestimmt ausspricht, in erster Linie eine Pflicht; durch das Studium der Malerei, Bildhauerei, der Musik und dramatischen Kunst in Italien wollte er seine Aesthetik vervollkommnen. Der Weg führte die Freunde über München, Verona, Venedig, Florenz nach Rom und Neapel; der Rückweg ging über Lyon und Paris. Es versteht sich von selbst, daß Krause alles benutzte, um seine Kenntnisse zu erweitern und seinen Geschmack zu läutern. Das einzige, was ihm die Reise verleidete, war die Trennung von seiner Familie, und auch diese empfand zum ersten Male die Abwesenheit des Gatten und Vaters. Voll rührender Zärtlichkeit sind die Briefe der Ehegatten; als aber Amalie dem Vater Krause in Nobitz schrieb: „Wir haben uns gelobet, mit einander zu sterben und ich vermag ohne meinen lieben Mann nicht zu leben", schrieb derselbe: „Das ist Schwärmerei, — man stirbt nicht gleich." Mitte September war Krause wieder in der Mitte der Seinen; er kam noch zeitig genug, um sein neuntes, während der Reise geborenes Kind zu sehen, das bald darauf der Tod wieder abrief. Nach der Reise nahm Krause mit erneutem Eifer den Unterricht seiner Kinder auf, dem er nicht weniger als acht Stunden täglich widmete. Wir find entschieden geneigt, diesen persönlichen Unterricht seiner Kinder für einen Fehler zu halten, wenn wir bedenken, wie viel Kraft derselbe absorbirte, und was Krause in diesen acht Stunden täglich hätte arbeiten können; dagegen äußerte er selbst hierüber am 15. Februar 1817 in einem Briefe an seinen Vater: „Ich habe nun das Schwerste überstanden und sehe deutlich, daß meine beiden ältesten Söhne nach 3 Jahren zur Universität reif sein werden, und zugleich, daß Sophie dann eben so weit sein wird. Es ist wahr, ich könnte, wenn ich jetzt nicht täglich 8 Stunden mit Kindunterricht zubrächte, mein wissenschaftliches System früher in Druck geben, allein dieser Unterricht wirkt Wesentliches mit, diesen Glied-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/294>, abgerufen am 23.07.2024.