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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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werden. Je mehr er hier bekannt wird, desto mehr nimmt die Liebe und Achtung
für ihn zu. Ich bin fest überzeugt, daß er gewiß noch eine gute Anstellung
bekommt, wenn er es nur noch eine Weile ruhig mit ansehen kann und seine
großen Werke erst herausgiebt." In einem Briefe an Krause selbst vom 8. April
1817 äußert er sich folgendermaßen: "Ueberhaupt bist Du mir immer wie ein
gottgeliebtes theures Haupt erschienen, das noch unser liebes Menschengeschlecht
in Liebe, Kunst und Wissenschaft zu manchem fördern wird."

Krause war auch in Berlin auf Schwierigkeiten gefaßt und gewillt, ihnen
zu begegnen; "ich werde wol zu kämpfen haben," schrieb er damals an seinen
Vater, "so lang ich lebe; denn mein inneres Leben setzt mich in zu herben Wider¬
streit mit dem äußern, und Gott will so oft ein andres von mir, als die Menschen.
Doch kann ich das wesentlich Gute noch ferner fördern, wofür ich lebe, so will
ich dafür, wenn es so gut ist, auch betteln gehen." Aber schließlich erschöpften
sich seine Mittel und Kräfte, und wenn auch feine Freunde ihn noch länger zu
unterstützen bereit waren, so hielt er es doch, wie er am 8. September 18Z5
seinem Vater erklärte, nicht für erlaubt, sich helfen zu lassen, wenn er sich selbst
helfen könne. Trotzdem war seine Unentschlossenheit wohl niemals in seinein
Leben so groß wie im Spätsommer 1815; eine düstere Stimmung bemächtigte
sich seiner. Am 28. September erzählt er seinem Vater: "Als ich neulich in
tiefe Gedanken versunken, über den Gang meines Lebens, meine Leiden und daß
ich vom Staate verschmäht werde, in den Saal der Singacademie trat, wurde
eben die herrliche Motette von Bach gesungen: ,Fürchte dich nicht, denn ich
bin bei dir -- ich will dich errettend In dieser Gesinnung habe ich die Stärke
des Sinnes und Gemüthes, worin ich bis heute aufrecht stehe. Gott wird
weiter helfen!"

Ehe Krause von Berlin schied, lud Zeune den Freund noch einmal mit der
deutschen Sprachgesellschaft am 1. October 1815 zu sich ein; die ganze Gesell¬
schaft bewies Krause so viel Dank und Liebe, wie ihm von einer ganzen Gesell¬
schaft noch niemals widerfahren war. "Zum Schluß," schreibt er seinem Vater,
"stellten sich die uoch anwesenden um mich und sangen ein herzliches Abschieds¬
lied, und mehrere begleiteten mich dann zu meiner Wohnung. Dieser Abend
war einer der schönsten meines Lebens." Welche Ansicht aber edle Männer in
Berlin über Krauses Weggang hatten, klingt aus den Worten des Geh. Staats¬
raths Nagler, des späteren Generalpostmeisters, heraus, welcher in jenen Tagen
an Moßdorf schrieb: "Es gereicht Berlin nicht zur Ehre, daß man einen Mann
von Krauses Kenntnissen und Herzen nicht zu gewinnen und auf schickliche Art
anzustellen gewußt hat." Ihm selbst schien, was ihm begegnete, das Beste zu
sein, so schmerzlich auch seine Trennung von den Berliner Freunden war.
"Sie sollten," schreibt er seinem Vater, "Zeune, Vetter, Graßhoff, Plamann, Nagler


werden. Je mehr er hier bekannt wird, desto mehr nimmt die Liebe und Achtung
für ihn zu. Ich bin fest überzeugt, daß er gewiß noch eine gute Anstellung
bekommt, wenn er es nur noch eine Weile ruhig mit ansehen kann und seine
großen Werke erst herausgiebt." In einem Briefe an Krause selbst vom 8. April
1817 äußert er sich folgendermaßen: „Ueberhaupt bist Du mir immer wie ein
gottgeliebtes theures Haupt erschienen, das noch unser liebes Menschengeschlecht
in Liebe, Kunst und Wissenschaft zu manchem fördern wird."

Krause war auch in Berlin auf Schwierigkeiten gefaßt und gewillt, ihnen
zu begegnen; „ich werde wol zu kämpfen haben," schrieb er damals an seinen
Vater, „so lang ich lebe; denn mein inneres Leben setzt mich in zu herben Wider¬
streit mit dem äußern, und Gott will so oft ein andres von mir, als die Menschen.
Doch kann ich das wesentlich Gute noch ferner fördern, wofür ich lebe, so will
ich dafür, wenn es so gut ist, auch betteln gehen." Aber schließlich erschöpften
sich seine Mittel und Kräfte, und wenn auch feine Freunde ihn noch länger zu
unterstützen bereit waren, so hielt er es doch, wie er am 8. September 18Z5
seinem Vater erklärte, nicht für erlaubt, sich helfen zu lassen, wenn er sich selbst
helfen könne. Trotzdem war seine Unentschlossenheit wohl niemals in seinein
Leben so groß wie im Spätsommer 1815; eine düstere Stimmung bemächtigte
sich seiner. Am 28. September erzählt er seinem Vater: „Als ich neulich in
tiefe Gedanken versunken, über den Gang meines Lebens, meine Leiden und daß
ich vom Staate verschmäht werde, in den Saal der Singacademie trat, wurde
eben die herrliche Motette von Bach gesungen: ,Fürchte dich nicht, denn ich
bin bei dir — ich will dich errettend In dieser Gesinnung habe ich die Stärke
des Sinnes und Gemüthes, worin ich bis heute aufrecht stehe. Gott wird
weiter helfen!"

Ehe Krause von Berlin schied, lud Zeune den Freund noch einmal mit der
deutschen Sprachgesellschaft am 1. October 1815 zu sich ein; die ganze Gesell¬
schaft bewies Krause so viel Dank und Liebe, wie ihm von einer ganzen Gesell¬
schaft noch niemals widerfahren war. „Zum Schluß," schreibt er seinem Vater,
„stellten sich die uoch anwesenden um mich und sangen ein herzliches Abschieds¬
lied, und mehrere begleiteten mich dann zu meiner Wohnung. Dieser Abend
war einer der schönsten meines Lebens." Welche Ansicht aber edle Männer in
Berlin über Krauses Weggang hatten, klingt aus den Worten des Geh. Staats¬
raths Nagler, des späteren Generalpostmeisters, heraus, welcher in jenen Tagen
an Moßdorf schrieb: „Es gereicht Berlin nicht zur Ehre, daß man einen Mann
von Krauses Kenntnissen und Herzen nicht zu gewinnen und auf schickliche Art
anzustellen gewußt hat." Ihm selbst schien, was ihm begegnete, das Beste zu
sein, so schmerzlich auch seine Trennung von den Berliner Freunden war.
„Sie sollten," schreibt er seinem Vater, „Zeune, Vetter, Graßhoff, Plamann, Nagler


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/292>, abgerufen am 23.07.2024.