Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

"Verwunderlich ist mirs allerdings, daß die Besetzung eines philosophischen
Lehrstuhls von der Ankunft des Königs abhängen soll. Es scheint fast, als habe
sich der König vorbehalten, Fichtes Nachfolger zu tentieren. Nun, das können Sie
abwarten. Ich beneide Ihnen den Vorzug, von einem Könige über philosophische
Gegenstände examiniert zu werden. Wenn ich pro Zr^an von lauter vornehmen
Herren examiniert werden könnte, würde ich noch auf meine alten Tage in^ihter.
sG. war damals etwa 60 Jahre alt.^ Bey so bewandten Umständen kann Ihnen
eine Empfehlung an Uhden nichts helfen; überhaupt sind Sie ihm durch Sich Selbst
am besten empfohlen. Vernachlässigen Sie Madame Hertz nicht, sie ist eine liebens¬
würdige und unterrichtete Frau. Sie sind als eine graduirte Person gewohnt, das
letzte Wort zu haben und durch Verwirrung der Streitfrage Recht zu behalten.
Aber ich bin eigensinnig, wie ein nostrificierter MÄZistei-, und werde, wenn es ver¬
langt wird, in einer lateinischen Sissertatiou beweisen, daß das "Kunst und Wissen¬
schaft nicht aus den Augen verlieren" lwie Krause an Geßler geschrieben hattet
eine verdammte Phrase ist. Außerdem habe ich immer nur behauptet, daß Sie
die Zeit, da Sie das leere freymaurerische Stroh draschen, verloren haben. Wo
ich Sie auf dieser Tenne wieder betraple, schreibe ich selbst ein Buch gegen Sie.
Nehmen Sie Sich vor Sich Selbst in Acht! Es will Jemand ihren zweiten Theil
der Kunsturkunden widerlegen; lassen Sie ihn gewähren! bleiben Sie von diesem
-- weg. Sie haben die armen Leute durch Aufdekung ihrer armen Geheimnisse
genung gequält, sie ferner melen zu wollen wäre Ungezogenheit. Wollen Sie gegen
Lüge und Irthum zu Felde ziehen, so giebt es mehr Schreien in der Natur. Die
maurerischen wMiüos,lions sind von keinem so großen Belang. Befassen Sie Sich
nicht mehr damit____Man hat mir gesagt, Fichtes Stelle sei schlecht dotiert gewesen.
Als die Philosophen barfuß gingen und in zerrissenen Mänteln, war das recht gut;
aber ize, da man den Abderitenstreich (unter uns) gemacht hat, in die großen
Städte die Universitäten zu verlegen, brauchen sie mehr.... Könnte ich nur zu Ihrem
Fortkommen recht viel beytragen!"

In Bezug auf eine Aeußerung Moßdorfs, die er vor Absendung des Briefes
erhielt, bemerkte er dann noch nachträglich:

"Dienstag war Moßdorf bey mir und erzählte mir mit einer Art von ti-iumxli,
Sie hätten den Artikel "iHuwins-ten" für das Conversationslexikon bearbeitet. -- Wenn
Sie Sich doch enthalten könnten, in alle diese Wespennester zu stören! Da Sie
einmahl geheirathet und Frau und Kinder zu ernähren haben, sollen Sie darauf
denken, Sich ein Auskommen zu verschaffen und alle Teufeleyen, die Ihnen Feinde
machen, bey Seite lassen. Sie lassen Sich immer von hämischen Affen zur Katze
brauchen die die eastsZne aus dem Feuer holt. Sie wissen, daß ich kein illummat
bin, und alle bisher bestehende geheime Verbindungen nicht mag, weil sie großen¬
teils aus elenden Lndjeetsn bestehen, mit denen manu wol schlechte Streiche,
aber nichts rechtliches anfangen kann. Ich kenne sie genung, um zu wissen, daß


„Verwunderlich ist mirs allerdings, daß die Besetzung eines philosophischen
Lehrstuhls von der Ankunft des Königs abhängen soll. Es scheint fast, als habe
sich der König vorbehalten, Fichtes Nachfolger zu tentieren. Nun, das können Sie
abwarten. Ich beneide Ihnen den Vorzug, von einem Könige über philosophische
Gegenstände examiniert zu werden. Wenn ich pro Zr^an von lauter vornehmen
Herren examiniert werden könnte, würde ich noch auf meine alten Tage in^ihter.
sG. war damals etwa 60 Jahre alt.^ Bey so bewandten Umständen kann Ihnen
eine Empfehlung an Uhden nichts helfen; überhaupt sind Sie ihm durch Sich Selbst
am besten empfohlen. Vernachlässigen Sie Madame Hertz nicht, sie ist eine liebens¬
würdige und unterrichtete Frau. Sie sind als eine graduirte Person gewohnt, das
letzte Wort zu haben und durch Verwirrung der Streitfrage Recht zu behalten.
Aber ich bin eigensinnig, wie ein nostrificierter MÄZistei-, und werde, wenn es ver¬
langt wird, in einer lateinischen Sissertatiou beweisen, daß das „Kunst und Wissen¬
schaft nicht aus den Augen verlieren" lwie Krause an Geßler geschrieben hattet
eine verdammte Phrase ist. Außerdem habe ich immer nur behauptet, daß Sie
die Zeit, da Sie das leere freymaurerische Stroh draschen, verloren haben. Wo
ich Sie auf dieser Tenne wieder betraple, schreibe ich selbst ein Buch gegen Sie.
Nehmen Sie Sich vor Sich Selbst in Acht! Es will Jemand ihren zweiten Theil
der Kunsturkunden widerlegen; lassen Sie ihn gewähren! bleiben Sie von diesem
— weg. Sie haben die armen Leute durch Aufdekung ihrer armen Geheimnisse
genung gequält, sie ferner melen zu wollen wäre Ungezogenheit. Wollen Sie gegen
Lüge und Irthum zu Felde ziehen, so giebt es mehr Schreien in der Natur. Die
maurerischen wMiüos,lions sind von keinem so großen Belang. Befassen Sie Sich
nicht mehr damit____Man hat mir gesagt, Fichtes Stelle sei schlecht dotiert gewesen.
Als die Philosophen barfuß gingen und in zerrissenen Mänteln, war das recht gut;
aber ize, da man den Abderitenstreich (unter uns) gemacht hat, in die großen
Städte die Universitäten zu verlegen, brauchen sie mehr.... Könnte ich nur zu Ihrem
Fortkommen recht viel beytragen!"

In Bezug auf eine Aeußerung Moßdorfs, die er vor Absendung des Briefes
erhielt, bemerkte er dann noch nachträglich:

„Dienstag war Moßdorf bey mir und erzählte mir mit einer Art von ti-iumxli,
Sie hätten den Artikel „iHuwins-ten" für das Conversationslexikon bearbeitet. — Wenn
Sie Sich doch enthalten könnten, in alle diese Wespennester zu stören! Da Sie
einmahl geheirathet und Frau und Kinder zu ernähren haben, sollen Sie darauf
denken, Sich ein Auskommen zu verschaffen und alle Teufeleyen, die Ihnen Feinde
machen, bey Seite lassen. Sie lassen Sich immer von hämischen Affen zur Katze
brauchen die die eastsZne aus dem Feuer holt. Sie wissen, daß ich kein illummat
bin, und alle bisher bestehende geheime Verbindungen nicht mag, weil sie großen¬
teils aus elenden Lndjeetsn bestehen, mit denen manu wol schlechte Streiche,
aber nichts rechtliches anfangen kann. Ich kenne sie genung, um zu wissen, daß


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146219"/>
          <p xml:id="ID_805"> &#x201E;Verwunderlich ist mirs allerdings, daß die Besetzung eines philosophischen<lb/>
Lehrstuhls von der Ankunft des Königs abhängen soll. Es scheint fast, als habe<lb/>
sich der König vorbehalten, Fichtes Nachfolger zu tentieren. Nun, das können Sie<lb/>
abwarten. Ich beneide Ihnen den Vorzug, von einem Könige über philosophische<lb/>
Gegenstände examiniert zu werden. Wenn ich pro Zr^an von lauter vornehmen<lb/>
Herren examiniert werden könnte, würde ich noch auf meine alten Tage in^ihter.<lb/>
sG. war damals etwa 60 Jahre alt.^ Bey so bewandten Umständen kann Ihnen<lb/>
eine Empfehlung an Uhden nichts helfen; überhaupt sind Sie ihm durch Sich Selbst<lb/>
am besten empfohlen. Vernachlässigen Sie Madame Hertz nicht, sie ist eine liebens¬<lb/>
würdige und unterrichtete Frau. Sie sind als eine graduirte Person gewohnt, das<lb/>
letzte Wort zu haben und durch Verwirrung der Streitfrage Recht zu behalten.<lb/>
Aber ich bin eigensinnig, wie ein nostrificierter MÄZistei-, und werde, wenn es ver¬<lb/>
langt wird, in einer lateinischen Sissertatiou beweisen, daß das &#x201E;Kunst und Wissen¬<lb/>
schaft nicht aus den Augen verlieren" lwie Krause an Geßler geschrieben hattet<lb/>
eine verdammte Phrase ist. Außerdem habe ich immer nur behauptet, daß Sie<lb/>
die Zeit, da Sie das leere freymaurerische Stroh draschen, verloren haben. Wo<lb/>
ich Sie auf dieser Tenne wieder betraple, schreibe ich selbst ein Buch gegen Sie.<lb/>
Nehmen Sie Sich vor Sich Selbst in Acht! Es will Jemand ihren zweiten Theil<lb/>
der Kunsturkunden widerlegen; lassen Sie ihn gewähren! bleiben Sie von diesem<lb/>
&#x2014; weg. Sie haben die armen Leute durch Aufdekung ihrer armen Geheimnisse<lb/>
genung gequält, sie ferner melen zu wollen wäre Ungezogenheit. Wollen Sie gegen<lb/>
Lüge und Irthum zu Felde ziehen, so giebt es mehr Schreien in der Natur. Die<lb/>
maurerischen wMiüos,lions sind von keinem so großen Belang. Befassen Sie Sich<lb/>
nicht mehr damit____Man hat mir gesagt, Fichtes Stelle sei schlecht dotiert gewesen.<lb/>
Als die Philosophen barfuß gingen und in zerrissenen Mänteln, war das recht gut;<lb/>
aber ize, da man den Abderitenstreich (unter uns) gemacht hat, in die großen<lb/>
Städte die Universitäten zu verlegen, brauchen sie mehr.... Könnte ich nur zu Ihrem<lb/>
Fortkommen recht viel beytragen!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_806"> In Bezug auf eine Aeußerung Moßdorfs, die er vor Absendung des Briefes<lb/>
erhielt, bemerkte er dann noch nachträglich:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_807" next="#ID_808"> &#x201E;Dienstag war Moßdorf bey mir und erzählte mir mit einer Art von ti-iumxli,<lb/>
Sie hätten den Artikel &#x201E;iHuwins-ten" für das Conversationslexikon bearbeitet. &#x2014; Wenn<lb/>
Sie Sich doch enthalten könnten, in alle diese Wespennester zu stören! Da Sie<lb/>
einmahl geheirathet und Frau und Kinder zu ernähren haben, sollen Sie darauf<lb/>
denken, Sich ein Auskommen zu verschaffen und alle Teufeleyen, die Ihnen Feinde<lb/>
machen, bey Seite lassen. Sie lassen Sich immer von hämischen Affen zur Katze<lb/>
brauchen die die eastsZne aus dem Feuer holt. Sie wissen, daß ich kein illummat<lb/>
bin, und alle bisher bestehende geheime Verbindungen nicht mag, weil sie großen¬<lb/>
teils aus elenden Lndjeetsn bestehen, mit denen manu wol schlechte Streiche,<lb/>
aber nichts rechtliches anfangen kann. Ich kenne sie genung, um zu wissen, daß</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0290] „Verwunderlich ist mirs allerdings, daß die Besetzung eines philosophischen Lehrstuhls von der Ankunft des Königs abhängen soll. Es scheint fast, als habe sich der König vorbehalten, Fichtes Nachfolger zu tentieren. Nun, das können Sie abwarten. Ich beneide Ihnen den Vorzug, von einem Könige über philosophische Gegenstände examiniert zu werden. Wenn ich pro Zr^an von lauter vornehmen Herren examiniert werden könnte, würde ich noch auf meine alten Tage in^ihter. sG. war damals etwa 60 Jahre alt.^ Bey so bewandten Umständen kann Ihnen eine Empfehlung an Uhden nichts helfen; überhaupt sind Sie ihm durch Sich Selbst am besten empfohlen. Vernachlässigen Sie Madame Hertz nicht, sie ist eine liebens¬ würdige und unterrichtete Frau. Sie sind als eine graduirte Person gewohnt, das letzte Wort zu haben und durch Verwirrung der Streitfrage Recht zu behalten. Aber ich bin eigensinnig, wie ein nostrificierter MÄZistei-, und werde, wenn es ver¬ langt wird, in einer lateinischen Sissertatiou beweisen, daß das „Kunst und Wissen¬ schaft nicht aus den Augen verlieren" lwie Krause an Geßler geschrieben hattet eine verdammte Phrase ist. Außerdem habe ich immer nur behauptet, daß Sie die Zeit, da Sie das leere freymaurerische Stroh draschen, verloren haben. Wo ich Sie auf dieser Tenne wieder betraple, schreibe ich selbst ein Buch gegen Sie. Nehmen Sie Sich vor Sich Selbst in Acht! Es will Jemand ihren zweiten Theil der Kunsturkunden widerlegen; lassen Sie ihn gewähren! bleiben Sie von diesem — weg. Sie haben die armen Leute durch Aufdekung ihrer armen Geheimnisse genung gequält, sie ferner melen zu wollen wäre Ungezogenheit. Wollen Sie gegen Lüge und Irthum zu Felde ziehen, so giebt es mehr Schreien in der Natur. Die maurerischen wMiüos,lions sind von keinem so großen Belang. Befassen Sie Sich nicht mehr damit____Man hat mir gesagt, Fichtes Stelle sei schlecht dotiert gewesen. Als die Philosophen barfuß gingen und in zerrissenen Mänteln, war das recht gut; aber ize, da man den Abderitenstreich (unter uns) gemacht hat, in die großen Städte die Universitäten zu verlegen, brauchen sie mehr.... Könnte ich nur zu Ihrem Fortkommen recht viel beytragen!" In Bezug auf eine Aeußerung Moßdorfs, die er vor Absendung des Briefes erhielt, bemerkte er dann noch nachträglich: „Dienstag war Moßdorf bey mir und erzählte mir mit einer Art von ti-iumxli, Sie hätten den Artikel „iHuwins-ten" für das Conversationslexikon bearbeitet. — Wenn Sie Sich doch enthalten könnten, in alle diese Wespennester zu stören! Da Sie einmahl geheirathet und Frau und Kinder zu ernähren haben, sollen Sie darauf denken, Sich ein Auskommen zu verschaffen und alle Teufeleyen, die Ihnen Feinde machen, bey Seite lassen. Sie lassen Sich immer von hämischen Affen zur Katze brauchen die die eastsZne aus dem Feuer holt. Sie wissen, daß ich kein illummat bin, und alle bisher bestehende geheime Verbindungen nicht mag, weil sie großen¬ teils aus elenden Lndjeetsn bestehen, mit denen manu wol schlechte Streiche, aber nichts rechtliches anfangen kann. Ich kenne sie genung, um zu wissen, daß

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/290
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/290>, abgerufen am 23.07.2024.