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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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faltigsten und scheinbar disparatesten Gegenstände; jede Erscheinung, die ihm
entgegentrat, welcher Art sie auch sein mochte, zog er sofort in seinen Jdeenkreis
hinein, um Stellung zu ihr zu nehmen und sie zu verarbeiten. So interessirte er sich
schon seit 1811 für den thierischen Magnetismus und kam dadurch mit Ennemoser
in Berührung. Mit Hilfe des Magnetismus wollte er auch in den nächsten
Jahren eine Reihe glücklicher Euren ausgeführt haben. Daneben widmete er
der Mathematik reges Interesse, der Geographie, der Musik, für welche er eine
neue Notenschrift ersann, und vor allem dem Studium der Sprachen. Neben
der Idee einer allgemeinen Sprache, sowohl mit Zeichen für das Auge als mit
Lauten und Lautzeichen, und einer mathematischen Zeichensprache begannen schon
jetzt seine Studien über die Wurzelwörter, die ihn fortan unablässig beschäftigte".

Seine äußere Lage blieb indessen wesentlich dieselbe. In den ersten Jahren
hatte ihm der Vater jede sich bietende Möglichkeit, zu einem geistlichen Amte zu
gelangen, mitgetheilt; dann fand sich zweimal Gelegenheit zu einer Anstellung
am Gymnasium zu Altenburg, später auch (durch Eichstädt) in Weimar; allein
Krause wollte sich zur Uebernahme eines Lehramtes nur dann entschließen, wenn
ihm dasselbe so viel eintrüge, daß er ganz davon leben könnte, und da dies
nicht der Fall war, so verzichtete er auf die Anstellungen. Im Frühjahr 1813
scheuchte ihn der Kriegssturm nach Tharandt, wo er den Sommer zubrachte;
gleichzeitig aber faßte er den Entschluß, nach Berlin überzusiedeln und an der
neugegründeten Universität als akademischer Lehrer thätig zu sein. Am 17.
December 1813 traf er mit Familie in Berlin ein. Er gedachte hier namentlich
mathematische Vorlesungen zu halten; Fichte, sein alter Lehrer, begrüßte dieses
Vorhaben freudig und sagte ihm jede Unterstützung zu. Auch hier suchte ihm
sein aufrichtiger Freund, Graf Geßler, die Wege zu ebnen; er schrieb ihm am
9. Januar 1814:

"Der Himmel gebe, daß Sie zur guten Stunde nach Berlin mögen gekommen
sein und da Beyfall finden mögen. Was ein so armer Mann als Hamlet thun
kann, soll ihnen nicht fehlen. -- Hier ist ein Brieflein an Herrn von Schuckmann.
Haben Sie die Güte, Herrn Schleyernmchcr zu sagen, daß er es blos meiner clisoi-selon
zu danken habe, daß ich ihn nur mündlich an das erinnern ließe, was ich ihm
über Sie gesagt hätte. Ihn meiner Achtung schriftlich zu versichern, halte ich
für unnütz, da er meine Gesinnungen hierüber kennen müsse. -- Sie schreiben
mir nichts über Madame Hertz. Sie haben sehr unrecht gethan, wenn Sie diese
gescheute und liebenswürdige Frau vernachlässigten. An Mr. Solly haben Sie einen
der redlichsten und gescheutesten Engelländer kennen gelernt."

Auch diesmal unterließ er es nicht, Krause seine Meinung zu sagen, und
im solgenden Briefe schrieb er wiederum:


faltigsten und scheinbar disparatesten Gegenstände; jede Erscheinung, die ihm
entgegentrat, welcher Art sie auch sein mochte, zog er sofort in seinen Jdeenkreis
hinein, um Stellung zu ihr zu nehmen und sie zu verarbeiten. So interessirte er sich
schon seit 1811 für den thierischen Magnetismus und kam dadurch mit Ennemoser
in Berührung. Mit Hilfe des Magnetismus wollte er auch in den nächsten
Jahren eine Reihe glücklicher Euren ausgeführt haben. Daneben widmete er
der Mathematik reges Interesse, der Geographie, der Musik, für welche er eine
neue Notenschrift ersann, und vor allem dem Studium der Sprachen. Neben
der Idee einer allgemeinen Sprache, sowohl mit Zeichen für das Auge als mit
Lauten und Lautzeichen, und einer mathematischen Zeichensprache begannen schon
jetzt seine Studien über die Wurzelwörter, die ihn fortan unablässig beschäftigte».

Seine äußere Lage blieb indessen wesentlich dieselbe. In den ersten Jahren
hatte ihm der Vater jede sich bietende Möglichkeit, zu einem geistlichen Amte zu
gelangen, mitgetheilt; dann fand sich zweimal Gelegenheit zu einer Anstellung
am Gymnasium zu Altenburg, später auch (durch Eichstädt) in Weimar; allein
Krause wollte sich zur Uebernahme eines Lehramtes nur dann entschließen, wenn
ihm dasselbe so viel eintrüge, daß er ganz davon leben könnte, und da dies
nicht der Fall war, so verzichtete er auf die Anstellungen. Im Frühjahr 1813
scheuchte ihn der Kriegssturm nach Tharandt, wo er den Sommer zubrachte;
gleichzeitig aber faßte er den Entschluß, nach Berlin überzusiedeln und an der
neugegründeten Universität als akademischer Lehrer thätig zu sein. Am 17.
December 1813 traf er mit Familie in Berlin ein. Er gedachte hier namentlich
mathematische Vorlesungen zu halten; Fichte, sein alter Lehrer, begrüßte dieses
Vorhaben freudig und sagte ihm jede Unterstützung zu. Auch hier suchte ihm
sein aufrichtiger Freund, Graf Geßler, die Wege zu ebnen; er schrieb ihm am
9. Januar 1814:

„Der Himmel gebe, daß Sie zur guten Stunde nach Berlin mögen gekommen
sein und da Beyfall finden mögen. Was ein so armer Mann als Hamlet thun
kann, soll ihnen nicht fehlen. — Hier ist ein Brieflein an Herrn von Schuckmann.
Haben Sie die Güte, Herrn Schleyernmchcr zu sagen, daß er es blos meiner clisoi-selon
zu danken habe, daß ich ihn nur mündlich an das erinnern ließe, was ich ihm
über Sie gesagt hätte. Ihn meiner Achtung schriftlich zu versichern, halte ich
für unnütz, da er meine Gesinnungen hierüber kennen müsse. — Sie schreiben
mir nichts über Madame Hertz. Sie haben sehr unrecht gethan, wenn Sie diese
gescheute und liebenswürdige Frau vernachlässigten. An Mr. Solly haben Sie einen
der redlichsten und gescheutesten Engelländer kennen gelernt."

Auch diesmal unterließ er es nicht, Krause seine Meinung zu sagen, und
im solgenden Briefe schrieb er wiederum:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/288>, abgerufen am 23.07.2024.