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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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weise" ihn zurück. Er läßt aber nicht ab, und endlich gelingt es ihm durch
Ueberredung und Drohung, die Statue für 718 Piaster zu erwerben, ohne daß
auf das Vorkaufsrecht Breses Rücksicht genommen wird. Sie wird nun nach
dem Hafen transportirt, es werden Stricke um sie geschlungen, und rücksichtslos
wird die Göttliche aus dem Boden geschleift, um sie an Bord des Schiffes zu
bringen, das sie nach Konstantinopel in eine Nacht und Vergessenheit führen
sollte, aus der es aller Wahrscheinlichkeit nach kaum eine Auferstehung gegeben
hätte. Hier erlitt der Oberkörper jene Unbilden an Schulter, Rücken, Hüften,
Gewand und wohl auch den Bruch des Haarwulstes, die dauernd an die bar¬
barische Hand erinnern, mit der der Orient sie zu erfassen gedachte.

Schon war die Statue an Bord des griechischen Schiffes; scholl war das
Schiff segelfertig und harrte nur eines günstigen Windes, als noch im letzten
Augenblicke Vicomte de Marcellus an Bord der Hsts-esto eintraf und seine
Vorrechte geltend machte. Nach zwei Tagen gelangten seine Bemühungen zum
Ziele; der Priester erhielt sein Geld zurück, die Primaten bekamen 118 Piaster
"Transportkosten" (!), und die Statue wurde auf das französische Schiff ge¬
bracht, nun endlich von sorgsamer Hand vor den Tücken des Zufalls und den
"schlimmeren der Menschen" behütet.

Die letzteren selbst aber kamen über den ihnen entgangenen Raub uicht so
bald zur Ruhe. Mourouzi, der allmächtige Dragoman, welchem der Priester
seine löblichen Bemühungen und deren Scheiter,: mitgetheilt hatte, benutzte die
Gelegenheit, um Geld zu erpressen. Die Primaten mußten sofort 2000 Piaster
erlegen, körperliche Mißhandlungen erdulden und nach und nach bis zu 7100
Piaster dem habgierigen Beamten zahlen, eine Summe, welche dieser auf Be¬
fehl des Sultans zurückzahlen sollte, als plötzlich der griechische Aufstand los¬
brach, Milo sich ihn: anschloß, Mourouzi ermordet wurde und die Zahlung
natürlich nun unterblieb. Da legte sich schließlich der Marquis de Riviöre ins
Mittel und erstattete die erpreßte Summe zurück. So kam die von ihm für
die Gesammtsumme voll etwa 5200 Francs erkaufte Statue als sein Geschenk
in das Nusös National Paris.

Ehe dies jedoch geschah, verging noch geraume Zeit. Als ob die Göttin
noch einmal ihr altes Gebiet habe durchstreifen sollen, ehe sie auf immer den
heimischen heiteren Gefilden entführt würde, fuhr das Schiff, welches sie trug,
über Rhodos nach Cypern, besuchte von da Alexandria und kehrte dann in
den Piraeus zurück. Hier in Athen, dem Orte, wo sie vielleicht geschaffen
worden, enthüllte sie dem alten französischen Archäologen Fauvel ihre Schönheit.
Dann fuhr sie wieder über Alexandria nach Smyrna, voll wo sie, ans ein
andres Schiff gebracht, nach Konstantinopel ging, um ihren neuen Gebieter, den
Marquis de Rivwre, abzuholen und mit ihm ihren Einzug in Frankreich zu


weise» ihn zurück. Er läßt aber nicht ab, und endlich gelingt es ihm durch
Ueberredung und Drohung, die Statue für 718 Piaster zu erwerben, ohne daß
auf das Vorkaufsrecht Breses Rücksicht genommen wird. Sie wird nun nach
dem Hafen transportirt, es werden Stricke um sie geschlungen, und rücksichtslos
wird die Göttliche aus dem Boden geschleift, um sie an Bord des Schiffes zu
bringen, das sie nach Konstantinopel in eine Nacht und Vergessenheit führen
sollte, aus der es aller Wahrscheinlichkeit nach kaum eine Auferstehung gegeben
hätte. Hier erlitt der Oberkörper jene Unbilden an Schulter, Rücken, Hüften,
Gewand und wohl auch den Bruch des Haarwulstes, die dauernd an die bar¬
barische Hand erinnern, mit der der Orient sie zu erfassen gedachte.

Schon war die Statue an Bord des griechischen Schiffes; scholl war das
Schiff segelfertig und harrte nur eines günstigen Windes, als noch im letzten
Augenblicke Vicomte de Marcellus an Bord der Hsts-esto eintraf und seine
Vorrechte geltend machte. Nach zwei Tagen gelangten seine Bemühungen zum
Ziele; der Priester erhielt sein Geld zurück, die Primaten bekamen 118 Piaster
„Transportkosten" (!), und die Statue wurde auf das französische Schiff ge¬
bracht, nun endlich von sorgsamer Hand vor den Tücken des Zufalls und den
„schlimmeren der Menschen" behütet.

Die letzteren selbst aber kamen über den ihnen entgangenen Raub uicht so
bald zur Ruhe. Mourouzi, der allmächtige Dragoman, welchem der Priester
seine löblichen Bemühungen und deren Scheiter,: mitgetheilt hatte, benutzte die
Gelegenheit, um Geld zu erpressen. Die Primaten mußten sofort 2000 Piaster
erlegen, körperliche Mißhandlungen erdulden und nach und nach bis zu 7100
Piaster dem habgierigen Beamten zahlen, eine Summe, welche dieser auf Be¬
fehl des Sultans zurückzahlen sollte, als plötzlich der griechische Aufstand los¬
brach, Milo sich ihn: anschloß, Mourouzi ermordet wurde und die Zahlung
natürlich nun unterblieb. Da legte sich schließlich der Marquis de Riviöre ins
Mittel und erstattete die erpreßte Summe zurück. So kam die von ihm für
die Gesammtsumme voll etwa 5200 Francs erkaufte Statue als sein Geschenk
in das Nusös National Paris.

Ehe dies jedoch geschah, verging noch geraume Zeit. Als ob die Göttin
noch einmal ihr altes Gebiet habe durchstreifen sollen, ehe sie auf immer den
heimischen heiteren Gefilden entführt würde, fuhr das Schiff, welches sie trug,
über Rhodos nach Cypern, besuchte von da Alexandria und kehrte dann in
den Piraeus zurück. Hier in Athen, dem Orte, wo sie vielleicht geschaffen
worden, enthüllte sie dem alten französischen Archäologen Fauvel ihre Schönheit.
Dann fuhr sie wieder über Alexandria nach Smyrna, voll wo sie, ans ein
andres Schiff gebracht, nach Konstantinopel ging, um ihren neuen Gebieter, den
Marquis de Rivwre, abzuholen und mit ihm ihren Einzug in Frankreich zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/28>, abgerufen am 23.07.2024.