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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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emporgearbeitet. Hat doch der israelitische Gvttesuame Elohim seine Plural¬
form auch in derjenigen Zeit behalten, wo er längst mit dem Singular des
Verbums verbunden wird. Daß Abraham "um seiner reineren Gotteserkenntniß
willen das Land seiner Väter habe verlassen müssen", möchte nur noch besser
gestützt werden als durch die mehrdeutige Stelle Jesaias 29,22: "Also spricht
der Herr, der Abraham erlöset hat." Combiniren wir zu diesem Zwecke lieber
Josua 24,14: "Lasset fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben
jenseits des Wassers (Euphrat) und in Aegypten" mit 1. Moses 12,1: "Und
der Herr sprach zu Abram: Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner
Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen
will." Aber weder Abraham selbst scheint immer auf der Höhe seines Gottes-
bewußtseins geblieben zu sein, wie man aus der Erzählung von der versuchten
Opferung Jsaaks schließen kann, noch vollends die späteren Geschlechter. Von
Jakobs Gattin Rahel wird berichtet, daß sie die väterlichen Hausgötzen mit auf
die Flucht nahm (2. Moses 31,19), und auf Trübungen der israelitischen
Religion durch den Aufenthalt in Aegypten weist nicht bloß die eben angeführte
Stelle des Buches Josua hin, sondern auch die Aufrichtung des goldenen
Kalbes am Fuße des Sinai. Das Zeugniß des Propheten Amos (5,26) von
der Abgötterei der Jsraeliten aber ist nach Schrader ("Assyrisch-Biblisches" in
den Studien und Kritiken, 1874, S. 324--344) nicht, wie es auch Happel
noch thut, auf den Wüstenzug, sondern auf eine weit spätere Zeit zu beziehen.
In der That zeigen sich auch nach Happels Ansicht Spuren genug in den
biblischen Büchern, daß in der vorexilischen Zeit die große Masse des israelitischen
Volkes sich niemals ganz auf der idealen Höhe seiner eigentlichen Religion
erhalten hat, sondern namentlich mit den Religionen Vorderasiens jederzeit
Fühlung gehabt hat. Man braucht bloß nachzulesen, was 2. Könige 21 von
der Religionsmengerei des Manasse (in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts)
berichtet wird, um ein recht stattliches Verzeichnis^ fremder Culte vor sich zu
haben. Aber wie sich schon zu Elias' Zeiten 7000 fanden, die ihre Kniee nicht
vor Baal gebeugt hatten, so fehlte es Israel nie an solchen, die das bessere
Erbe der Väter rein und treu bewahrten und auf die Nachwelt hinüberretteten.
-- Wie war es nun zu einem solchen religiösen Stammkapital gekommen?

Zunächst scheint Israel von Haus aus gewisse für den Erwerb desselben
wichtige Völkereigeuthümlichkeiten in sich vereinigt zu haben: "die kindliche
Naivetät und Genügsamkeit des nomadisirenden Arabers mit der Wanderlust
der Germanen" und mit dem exclusiver Nationalstolz der Parsen. Das einfache
Hirtenleben begünstigt offenbar eine nach innen gehende Gemüthsrichtung; das
Wanderleben reißt gleichsam die religiöse Ahnung immer wieder von der Erd¬
scholle los, sodaß die Göttergestalten nicht so leicht mit einer bestimmten Natur-


emporgearbeitet. Hat doch der israelitische Gvttesuame Elohim seine Plural¬
form auch in derjenigen Zeit behalten, wo er längst mit dem Singular des
Verbums verbunden wird. Daß Abraham „um seiner reineren Gotteserkenntniß
willen das Land seiner Väter habe verlassen müssen", möchte nur noch besser
gestützt werden als durch die mehrdeutige Stelle Jesaias 29,22: „Also spricht
der Herr, der Abraham erlöset hat." Combiniren wir zu diesem Zwecke lieber
Josua 24,14: „Lasset fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben
jenseits des Wassers (Euphrat) und in Aegypten" mit 1. Moses 12,1: „Und
der Herr sprach zu Abram: Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner
Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen
will." Aber weder Abraham selbst scheint immer auf der Höhe seines Gottes-
bewußtseins geblieben zu sein, wie man aus der Erzählung von der versuchten
Opferung Jsaaks schließen kann, noch vollends die späteren Geschlechter. Von
Jakobs Gattin Rahel wird berichtet, daß sie die väterlichen Hausgötzen mit auf
die Flucht nahm (2. Moses 31,19), und auf Trübungen der israelitischen
Religion durch den Aufenthalt in Aegypten weist nicht bloß die eben angeführte
Stelle des Buches Josua hin, sondern auch die Aufrichtung des goldenen
Kalbes am Fuße des Sinai. Das Zeugniß des Propheten Amos (5,26) von
der Abgötterei der Jsraeliten aber ist nach Schrader („Assyrisch-Biblisches" in
den Studien und Kritiken, 1874, S. 324—344) nicht, wie es auch Happel
noch thut, auf den Wüstenzug, sondern auf eine weit spätere Zeit zu beziehen.
In der That zeigen sich auch nach Happels Ansicht Spuren genug in den
biblischen Büchern, daß in der vorexilischen Zeit die große Masse des israelitischen
Volkes sich niemals ganz auf der idealen Höhe seiner eigentlichen Religion
erhalten hat, sondern namentlich mit den Religionen Vorderasiens jederzeit
Fühlung gehabt hat. Man braucht bloß nachzulesen, was 2. Könige 21 von
der Religionsmengerei des Manasse (in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts)
berichtet wird, um ein recht stattliches Verzeichnis^ fremder Culte vor sich zu
haben. Aber wie sich schon zu Elias' Zeiten 7000 fanden, die ihre Kniee nicht
vor Baal gebeugt hatten, so fehlte es Israel nie an solchen, die das bessere
Erbe der Väter rein und treu bewahrten und auf die Nachwelt hinüberretteten.
— Wie war es nun zu einem solchen religiösen Stammkapital gekommen?

Zunächst scheint Israel von Haus aus gewisse für den Erwerb desselben
wichtige Völkereigeuthümlichkeiten in sich vereinigt zu haben: „die kindliche
Naivetät und Genügsamkeit des nomadisirenden Arabers mit der Wanderlust
der Germanen" und mit dem exclusiver Nationalstolz der Parsen. Das einfache
Hirtenleben begünstigt offenbar eine nach innen gehende Gemüthsrichtung; das
Wanderleben reißt gleichsam die religiöse Ahnung immer wieder von der Erd¬
scholle los, sodaß die Göttergestalten nicht so leicht mit einer bestimmten Natur-


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[0277] emporgearbeitet. Hat doch der israelitische Gvttesuame Elohim seine Plural¬ form auch in derjenigen Zeit behalten, wo er längst mit dem Singular des Verbums verbunden wird. Daß Abraham „um seiner reineren Gotteserkenntniß willen das Land seiner Väter habe verlassen müssen", möchte nur noch besser gestützt werden als durch die mehrdeutige Stelle Jesaias 29,22: „Also spricht der Herr, der Abraham erlöset hat." Combiniren wir zu diesem Zwecke lieber Josua 24,14: „Lasset fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Wassers (Euphrat) und in Aegypten" mit 1. Moses 12,1: „Und der Herr sprach zu Abram: Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will." Aber weder Abraham selbst scheint immer auf der Höhe seines Gottes- bewußtseins geblieben zu sein, wie man aus der Erzählung von der versuchten Opferung Jsaaks schließen kann, noch vollends die späteren Geschlechter. Von Jakobs Gattin Rahel wird berichtet, daß sie die väterlichen Hausgötzen mit auf die Flucht nahm (2. Moses 31,19), und auf Trübungen der israelitischen Religion durch den Aufenthalt in Aegypten weist nicht bloß die eben angeführte Stelle des Buches Josua hin, sondern auch die Aufrichtung des goldenen Kalbes am Fuße des Sinai. Das Zeugniß des Propheten Amos (5,26) von der Abgötterei der Jsraeliten aber ist nach Schrader („Assyrisch-Biblisches" in den Studien und Kritiken, 1874, S. 324—344) nicht, wie es auch Happel noch thut, auf den Wüstenzug, sondern auf eine weit spätere Zeit zu beziehen. In der That zeigen sich auch nach Happels Ansicht Spuren genug in den biblischen Büchern, daß in der vorexilischen Zeit die große Masse des israelitischen Volkes sich niemals ganz auf der idealen Höhe seiner eigentlichen Religion erhalten hat, sondern namentlich mit den Religionen Vorderasiens jederzeit Fühlung gehabt hat. Man braucht bloß nachzulesen, was 2. Könige 21 von der Religionsmengerei des Manasse (in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts) berichtet wird, um ein recht stattliches Verzeichnis^ fremder Culte vor sich zu haben. Aber wie sich schon zu Elias' Zeiten 7000 fanden, die ihre Kniee nicht vor Baal gebeugt hatten, so fehlte es Israel nie an solchen, die das bessere Erbe der Väter rein und treu bewahrten und auf die Nachwelt hinüberretteten. — Wie war es nun zu einem solchen religiösen Stammkapital gekommen? Zunächst scheint Israel von Haus aus gewisse für den Erwerb desselben wichtige Völkereigeuthümlichkeiten in sich vereinigt zu haben: „die kindliche Naivetät und Genügsamkeit des nomadisirenden Arabers mit der Wanderlust der Germanen" und mit dem exclusiver Nationalstolz der Parsen. Das einfache Hirtenleben begünstigt offenbar eine nach innen gehende Gemüthsrichtung; das Wanderleben reißt gleichsam die religiöse Ahnung immer wieder von der Erd¬ scholle los, sodaß die Göttergestalten nicht so leicht mit einer bestimmten Natur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/277>, abgerufen am 23.07.2024.