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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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welche an der Donau die beiden mächtigen Bollwerke Carnuntum und Vindo-
bona, eine fortlaufende Grenzbefestigung, eine Kriegsflotille auf dem Strome
und ein Straßennetz schuf, auf welchem das bunte Völkergemisch der römischen
Legionen herbeizog, und die griechisch-römischen Culte mit starker orientalischer
Beimischung, auch den unter diesen Kriegerschaaren mit Vorliebe gepflegten
Mithrasdienst ins Land brachte. Allmählich entstehen römische Ortschaften, die
bedeutenderen werden mit Stadtrecht ausgestattet, doch ohne daß eine systema¬
tische Kolonisation stattgefunden hätte; besaßen auch diese Stadtgemeinden römi¬
sche Verfassung, so hat ihre Einwohnerschaft doch gewiß zum überwiegenden
Theile aus Einheimischen bestanden. Ueberhaupt können Noricum und Panno-
nien das Maß einer sehr bescheidenen provinziellen Cultur niemals überschritten
haben, die Städte werden eben nur römische Sprachinseln inmitten keltischer
Bevölkerung gewesen sein. Aus verschiedenen Merkmalen ergiebt sich, daß im
heutigen Kärnten mit Südsteiermark und Krain sowie im nördlichen Salzburg
und südlichen Oberösterreich auf der einen, in dem Striche längs der Donau
auf der andern Seite der römische Einfluß überwog, in den dazwischen liegenden
Territorien aber nur schwach oder so gut wie gar nicht zur Geltung kam.

Theilweise, namentlich zwischen dem Jnn und der Enns, hat dieses roma¬
nische Element selbst den Zusammenbruch der römischen Herrschaft überdauert;
nur ist es nicht, wie am Po, am Rhone und am Tajo, stark genug gewesen,
um auf die eindringenden Germanen eine Einwirkung auszuüben, vielmehr
haben diese, wie sich dies in größerem Maßstabe besonders in Tirol nachweisen
läßt, die Trümmer der Romanen bald assimilirt. Noch geringer ist die Erhal¬
tung romanischer Reste im Lande östlich der Enns; östlich von der Leitha hat
nicht eine einzige von den römischen Niederlassungen längs der Donaulinie
ihren antiken Namen bewahrt, von den Gewässern, die ihn sonst am ehesten
festzuhalten Pflegen, nur wenige, z. B. die Rand. Mit dem Zusammenbruche
der Militärgrenze verließen die römischen Bewohner schaarenweise diese Land¬
schaften, die von da an überhaupt für lange Zeit nicht mehr zu geordneten
Zuständen gelangten. Zeitweilig der Aufenthalt der Heruler und Langobarden,
fielen sie nach deren Abzug nach Italien bis an die Enns den Awaren anheiln,
die als ein unstätes Reitervolk nur als Herren darin schälkelen, zur Bebauung
des Landes aber slawische Colonisten herbeizogen, die nun entweder auf diese
Weise geräuschlos sich ausbreiteten oder auch, von den Awaren gedrängt, in
größeren Schaaren einbrachen und sich festsetzten; nicht jenes von manchen slawi¬
schen Historikern gepriesene friedfertige Volk, das, von Ackerbau und Viehzucht
lebend, nur zur eigenen Vertheidigung die Waffen ergriff, sondern ein rauhes,
kriegerisches Geschlecht, das zur selben Zeit im Heergefolge der Awaren das
byzantinische Reich erschütterte. Doch nnr wenige und schwache Lichtstrahlen


welche an der Donau die beiden mächtigen Bollwerke Carnuntum und Vindo-
bona, eine fortlaufende Grenzbefestigung, eine Kriegsflotille auf dem Strome
und ein Straßennetz schuf, auf welchem das bunte Völkergemisch der römischen
Legionen herbeizog, und die griechisch-römischen Culte mit starker orientalischer
Beimischung, auch den unter diesen Kriegerschaaren mit Vorliebe gepflegten
Mithrasdienst ins Land brachte. Allmählich entstehen römische Ortschaften, die
bedeutenderen werden mit Stadtrecht ausgestattet, doch ohne daß eine systema¬
tische Kolonisation stattgefunden hätte; besaßen auch diese Stadtgemeinden römi¬
sche Verfassung, so hat ihre Einwohnerschaft doch gewiß zum überwiegenden
Theile aus Einheimischen bestanden. Ueberhaupt können Noricum und Panno-
nien das Maß einer sehr bescheidenen provinziellen Cultur niemals überschritten
haben, die Städte werden eben nur römische Sprachinseln inmitten keltischer
Bevölkerung gewesen sein. Aus verschiedenen Merkmalen ergiebt sich, daß im
heutigen Kärnten mit Südsteiermark und Krain sowie im nördlichen Salzburg
und südlichen Oberösterreich auf der einen, in dem Striche längs der Donau
auf der andern Seite der römische Einfluß überwog, in den dazwischen liegenden
Territorien aber nur schwach oder so gut wie gar nicht zur Geltung kam.

Theilweise, namentlich zwischen dem Jnn und der Enns, hat dieses roma¬
nische Element selbst den Zusammenbruch der römischen Herrschaft überdauert;
nur ist es nicht, wie am Po, am Rhone und am Tajo, stark genug gewesen,
um auf die eindringenden Germanen eine Einwirkung auszuüben, vielmehr
haben diese, wie sich dies in größerem Maßstabe besonders in Tirol nachweisen
läßt, die Trümmer der Romanen bald assimilirt. Noch geringer ist die Erhal¬
tung romanischer Reste im Lande östlich der Enns; östlich von der Leitha hat
nicht eine einzige von den römischen Niederlassungen längs der Donaulinie
ihren antiken Namen bewahrt, von den Gewässern, die ihn sonst am ehesten
festzuhalten Pflegen, nur wenige, z. B. die Rand. Mit dem Zusammenbruche
der Militärgrenze verließen die römischen Bewohner schaarenweise diese Land¬
schaften, die von da an überhaupt für lange Zeit nicht mehr zu geordneten
Zuständen gelangten. Zeitweilig der Aufenthalt der Heruler und Langobarden,
fielen sie nach deren Abzug nach Italien bis an die Enns den Awaren anheiln,
die als ein unstätes Reitervolk nur als Herren darin schälkelen, zur Bebauung
des Landes aber slawische Colonisten herbeizogen, die nun entweder auf diese
Weise geräuschlos sich ausbreiteten oder auch, von den Awaren gedrängt, in
größeren Schaaren einbrachen und sich festsetzten; nicht jenes von manchen slawi¬
schen Historikern gepriesene friedfertige Volk, das, von Ackerbau und Viehzucht
lebend, nur zur eigenen Vertheidigung die Waffen ergriff, sondern ein rauhes,
kriegerisches Geschlecht, das zur selben Zeit im Heergefolge der Awaren das
byzantinische Reich erschütterte. Doch nnr wenige und schwache Lichtstrahlen


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[0244] welche an der Donau die beiden mächtigen Bollwerke Carnuntum und Vindo- bona, eine fortlaufende Grenzbefestigung, eine Kriegsflotille auf dem Strome und ein Straßennetz schuf, auf welchem das bunte Völkergemisch der römischen Legionen herbeizog, und die griechisch-römischen Culte mit starker orientalischer Beimischung, auch den unter diesen Kriegerschaaren mit Vorliebe gepflegten Mithrasdienst ins Land brachte. Allmählich entstehen römische Ortschaften, die bedeutenderen werden mit Stadtrecht ausgestattet, doch ohne daß eine systema¬ tische Kolonisation stattgefunden hätte; besaßen auch diese Stadtgemeinden römi¬ sche Verfassung, so hat ihre Einwohnerschaft doch gewiß zum überwiegenden Theile aus Einheimischen bestanden. Ueberhaupt können Noricum und Panno- nien das Maß einer sehr bescheidenen provinziellen Cultur niemals überschritten haben, die Städte werden eben nur römische Sprachinseln inmitten keltischer Bevölkerung gewesen sein. Aus verschiedenen Merkmalen ergiebt sich, daß im heutigen Kärnten mit Südsteiermark und Krain sowie im nördlichen Salzburg und südlichen Oberösterreich auf der einen, in dem Striche längs der Donau auf der andern Seite der römische Einfluß überwog, in den dazwischen liegenden Territorien aber nur schwach oder so gut wie gar nicht zur Geltung kam. Theilweise, namentlich zwischen dem Jnn und der Enns, hat dieses roma¬ nische Element selbst den Zusammenbruch der römischen Herrschaft überdauert; nur ist es nicht, wie am Po, am Rhone und am Tajo, stark genug gewesen, um auf die eindringenden Germanen eine Einwirkung auszuüben, vielmehr haben diese, wie sich dies in größerem Maßstabe besonders in Tirol nachweisen läßt, die Trümmer der Romanen bald assimilirt. Noch geringer ist die Erhal¬ tung romanischer Reste im Lande östlich der Enns; östlich von der Leitha hat nicht eine einzige von den römischen Niederlassungen längs der Donaulinie ihren antiken Namen bewahrt, von den Gewässern, die ihn sonst am ehesten festzuhalten Pflegen, nur wenige, z. B. die Rand. Mit dem Zusammenbruche der Militärgrenze verließen die römischen Bewohner schaarenweise diese Land¬ schaften, die von da an überhaupt für lange Zeit nicht mehr zu geordneten Zuständen gelangten. Zeitweilig der Aufenthalt der Heruler und Langobarden, fielen sie nach deren Abzug nach Italien bis an die Enns den Awaren anheiln, die als ein unstätes Reitervolk nur als Herren darin schälkelen, zur Bebauung des Landes aber slawische Colonisten herbeizogen, die nun entweder auf diese Weise geräuschlos sich ausbreiteten oder auch, von den Awaren gedrängt, in größeren Schaaren einbrachen und sich festsetzten; nicht jenes von manchen slawi¬ schen Historikern gepriesene friedfertige Volk, das, von Ackerbau und Viehzucht lebend, nur zur eigenen Vertheidigung die Waffen ergriff, sondern ein rauhes, kriegerisches Geschlecht, das zur selben Zeit im Heergefolge der Awaren das byzantinische Reich erschütterte. Doch nnr wenige und schwache Lichtstrahlen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/244>, abgerufen am 23.07.2024.