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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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auch aus einem Briefe an seinen Vater hervor. Nachdem er nämlich im Früh¬
jahr 1808, jedenfalls nicht bevor er die Idee seines Menschheitbundes gefaßt
(22. März 1808), bei einem Besuche in Nobiz seinem Vater seine Ideen ent¬
wickelt hatte, schrieb er ihm am 15. October:

"... Ich habe Ihnen, bei meinem letzten Dortsein, glaub' ich, eröffnet, welche
Idee ich von der Freimaurerei gefaßt habe; daß ich glaube, es werde aus ihr ein
allgemeiner Verein aller Menschen als Menschen hervorgehen, so wesentlich und
beseligend, als Kirche und Staat. Diese Idee hat sich mir bewährt; ich habe
unablässig seitdem geforscht, besonders dem Studium der Geschichte der Brüderschaft
täglich 2 -- 4 Stunden gewidmet, und es ist mir hieraus ein Werk entstanden,
dessen Plan ganz durchgeführt und dessen Ausführung bis zur 200. Seite zum
Drucke fertig vor mir liegt. Es führt den Titel: Unverdächtiger Bericht über das
Wesen und die Bestimmung der Freimaurerei und der Freimaurerbrüderschaft
und über ihr Verhältniß zum Staate, zur Kirche und zur ganzen menschlichen
Bestimmung, erstattet an den Orient der großen Loge der Menschheit und allen
guten Menschen gewidmet von einem treuen Freimaurer."

Bald traten seine Studien über den Freimaurerbund immer mehr in den
Vordergrund; auch der Plan der Schrift, von der er seinem Vater geschrieben,
erweiterte sich. Es ist aber von Interesse, Krause selbst über den Erfolg dieser
Schrift sowie des in derselben Zeit ausgearbeiteten "Katechismus für Freimaurer"
und der etwas später erschienenen Freimaurerreden zu hören. Er schrieb darüber
am 1. Februar 1809 an seinen Vater:

" ... Meine freimaurerischen Schriften nahen sich der Vollendung; der Katechismus
ist 200 Seiten stark geworden; auch will ich meine drei letzten Reden drucken lassen.
Es ist mir freudig und zugleich wehmüthig ums Herz, wenn ich an diese Arbeiten
denke. Denn Dank ist nicht zu erwarten, weder vom Publicum, noch von den
Freimaurern, im Gegentheil Undank, schiefe Urtheile und wenig Billigung. Das
Wesen meiner Denkart strebt gegen alle Einseitigkeiten und gegen
alle Gebrechen unserer Zeit an; wie könnte ich erwarten, dafür belohnt zu werden!
Ich scheine, so viel wird mir täglich klarer, nicht bestimmt zu sein, ein äußerlich
glückliches und freudenreiches Leben zu leben; ich bin völlig darein ergeben, wenn
ich nur, so lange ich lebe, meine Kinder menschlich erziehen, ihre Gesundheit retten
und sie und mein Weib glücklich durch dies Leben bringen könnte. Ich will arbeiten,
so wie ich kann, und so wie ich soll, ohne dafür etwas zu hoffen."

Kürzer, treffender und -- ergreifender kann niemand Krauses Leben und Wirken
schildern: wie es ihm in ahnungsvoller Hoffnungslosigkeit zu kommen schien, so
ist es wirklich geworden!

Bei der Universalität seiner Ziele dachte Krause auch an einen größeren


auch aus einem Briefe an seinen Vater hervor. Nachdem er nämlich im Früh¬
jahr 1808, jedenfalls nicht bevor er die Idee seines Menschheitbundes gefaßt
(22. März 1808), bei einem Besuche in Nobiz seinem Vater seine Ideen ent¬
wickelt hatte, schrieb er ihm am 15. October:

„... Ich habe Ihnen, bei meinem letzten Dortsein, glaub' ich, eröffnet, welche
Idee ich von der Freimaurerei gefaßt habe; daß ich glaube, es werde aus ihr ein
allgemeiner Verein aller Menschen als Menschen hervorgehen, so wesentlich und
beseligend, als Kirche und Staat. Diese Idee hat sich mir bewährt; ich habe
unablässig seitdem geforscht, besonders dem Studium der Geschichte der Brüderschaft
täglich 2 — 4 Stunden gewidmet, und es ist mir hieraus ein Werk entstanden,
dessen Plan ganz durchgeführt und dessen Ausführung bis zur 200. Seite zum
Drucke fertig vor mir liegt. Es führt den Titel: Unverdächtiger Bericht über das
Wesen und die Bestimmung der Freimaurerei und der Freimaurerbrüderschaft
und über ihr Verhältniß zum Staate, zur Kirche und zur ganzen menschlichen
Bestimmung, erstattet an den Orient der großen Loge der Menschheit und allen
guten Menschen gewidmet von einem treuen Freimaurer."

Bald traten seine Studien über den Freimaurerbund immer mehr in den
Vordergrund; auch der Plan der Schrift, von der er seinem Vater geschrieben,
erweiterte sich. Es ist aber von Interesse, Krause selbst über den Erfolg dieser
Schrift sowie des in derselben Zeit ausgearbeiteten „Katechismus für Freimaurer"
und der etwas später erschienenen Freimaurerreden zu hören. Er schrieb darüber
am 1. Februar 1809 an seinen Vater:

„ ... Meine freimaurerischen Schriften nahen sich der Vollendung; der Katechismus
ist 200 Seiten stark geworden; auch will ich meine drei letzten Reden drucken lassen.
Es ist mir freudig und zugleich wehmüthig ums Herz, wenn ich an diese Arbeiten
denke. Denn Dank ist nicht zu erwarten, weder vom Publicum, noch von den
Freimaurern, im Gegentheil Undank, schiefe Urtheile und wenig Billigung. Das
Wesen meiner Denkart strebt gegen alle Einseitigkeiten und gegen
alle Gebrechen unserer Zeit an; wie könnte ich erwarten, dafür belohnt zu werden!
Ich scheine, so viel wird mir täglich klarer, nicht bestimmt zu sein, ein äußerlich
glückliches und freudenreiches Leben zu leben; ich bin völlig darein ergeben, wenn
ich nur, so lange ich lebe, meine Kinder menschlich erziehen, ihre Gesundheit retten
und sie und mein Weib glücklich durch dies Leben bringen könnte. Ich will arbeiten,
so wie ich kann, und so wie ich soll, ohne dafür etwas zu hoffen."

Kürzer, treffender und — ergreifender kann niemand Krauses Leben und Wirken
schildern: wie es ihm in ahnungsvoller Hoffnungslosigkeit zu kommen schien, so
ist es wirklich geworden!

Bei der Universalität seiner Ziele dachte Krause auch an einen größeren


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[0208] auch aus einem Briefe an seinen Vater hervor. Nachdem er nämlich im Früh¬ jahr 1808, jedenfalls nicht bevor er die Idee seines Menschheitbundes gefaßt (22. März 1808), bei einem Besuche in Nobiz seinem Vater seine Ideen ent¬ wickelt hatte, schrieb er ihm am 15. October: „... Ich habe Ihnen, bei meinem letzten Dortsein, glaub' ich, eröffnet, welche Idee ich von der Freimaurerei gefaßt habe; daß ich glaube, es werde aus ihr ein allgemeiner Verein aller Menschen als Menschen hervorgehen, so wesentlich und beseligend, als Kirche und Staat. Diese Idee hat sich mir bewährt; ich habe unablässig seitdem geforscht, besonders dem Studium der Geschichte der Brüderschaft täglich 2 — 4 Stunden gewidmet, und es ist mir hieraus ein Werk entstanden, dessen Plan ganz durchgeführt und dessen Ausführung bis zur 200. Seite zum Drucke fertig vor mir liegt. Es führt den Titel: Unverdächtiger Bericht über das Wesen und die Bestimmung der Freimaurerei und der Freimaurerbrüderschaft und über ihr Verhältniß zum Staate, zur Kirche und zur ganzen menschlichen Bestimmung, erstattet an den Orient der großen Loge der Menschheit und allen guten Menschen gewidmet von einem treuen Freimaurer." Bald traten seine Studien über den Freimaurerbund immer mehr in den Vordergrund; auch der Plan der Schrift, von der er seinem Vater geschrieben, erweiterte sich. Es ist aber von Interesse, Krause selbst über den Erfolg dieser Schrift sowie des in derselben Zeit ausgearbeiteten „Katechismus für Freimaurer" und der etwas später erschienenen Freimaurerreden zu hören. Er schrieb darüber am 1. Februar 1809 an seinen Vater: „ ... Meine freimaurerischen Schriften nahen sich der Vollendung; der Katechismus ist 200 Seiten stark geworden; auch will ich meine drei letzten Reden drucken lassen. Es ist mir freudig und zugleich wehmüthig ums Herz, wenn ich an diese Arbeiten denke. Denn Dank ist nicht zu erwarten, weder vom Publicum, noch von den Freimaurern, im Gegentheil Undank, schiefe Urtheile und wenig Billigung. Das Wesen meiner Denkart strebt gegen alle Einseitigkeiten und gegen alle Gebrechen unserer Zeit an; wie könnte ich erwarten, dafür belohnt zu werden! Ich scheine, so viel wird mir täglich klarer, nicht bestimmt zu sein, ein äußerlich glückliches und freudenreiches Leben zu leben; ich bin völlig darein ergeben, wenn ich nur, so lange ich lebe, meine Kinder menschlich erziehen, ihre Gesundheit retten und sie und mein Weib glücklich durch dies Leben bringen könnte. Ich will arbeiten, so wie ich kann, und so wie ich soll, ohne dafür etwas zu hoffen." Kürzer, treffender und — ergreifender kann niemand Krauses Leben und Wirken schildern: wie es ihm in ahnungsvoller Hoffnungslosigkeit zu kommen schien, so ist es wirklich geworden! Bei der Universalität seiner Ziele dachte Krause auch an einen größeren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/208>, abgerufen am 23.07.2024.