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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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den Anfang der Vereinigung aller Völker der Erde in Einen großen Staat
darstellen will, welche Vereinigung sich von und durch Europa über Asien und
Africa nach America erstrecken soll; und 2) daß der Verfasser ein OonÄliurri
osoumöiüouin durch Napoleon veranstaltet, als das einzig rechtmäßige, urchrist¬
liche Mittel betrachtet, ein Concordat aller christlichen Parteyen zu Stande zu
bringen; endlich 3) daß der Verfasser Europa, Asien und Africa als ein Ganzes
Asien aber als Mutterland und die südasiatischen Völker und Länder als wesent¬
lichste und vornehmste Theile dieses Weltstaates ansieht." Die Schrift kam auch
in den Druck; aber unter der Feder erweiterte sich der Plan derart, daß der
Buchhändler Arnold das auf drei Bände berechnete Werk, obgleich der Anfang
davon gedruckt war, schließlich nicht verlegen wollte. Da aber das bereits Ge¬
druckte eine ideale Zeichnung der Menschheit im allgemeinen enthielt, so ließ
sich dieser Theil zu einem kleineren Ganzen abrunden, welches 1811 unter dem
Titel erschien: "Das Urbild der Menschheit als Eines geselligen Ganzen. Ein
Versuch. Gebildeten Lesern, vorzüglich Freimaurern gewidmet." Es ist die popu¬
lärste Schrift von Krause.

Ungleich entscheidender aber wurde seine Verbindung mit der Freimaurer¬
brüderschaft. Er hatte sich früher ablehnend zu derselben verhalten; als er
1803 sein Naturrecht einem Gönner und Freunde seines Vaters, dem Secretair
(später Rath) Schneider übersandte, erbot sich dieser, falls Krause im zweiten
Theile desselben etwas über geheime Gesellschaften sagen wollte, ihm seine An¬
sicht von der reinen Maurerei und ihrem Verhältnisse zum Staate mitzutheilen.
Dies geschah denn auch, wie es nach einem Briefe vom 30. April 1803 scheint,
in einem ausführlichen Aufsatze; in diesem Briefe erwähnt Schneider noch Fol¬
gendes: "Vielleicht wissen Sie nicht, daß alle Studentenorden aus der Frei¬
maurerei und namentlich in Jena entstanden sind. Bis 1764 war nämlich eine
Loge (zu den drei Rosen, gestiftet durch Davies) in Jena. 1764 trat ein ge¬
wisser Betrüger (Johnson a Fünen) in Jena auf und machte, ehe er entlarvt
wurde, viel Aufsehen. Die Studenten wurden Freimaurer. Wegen jenes Be¬
trügers aber wurde die Loge von Jena nach Weimar verlegt und die Studenten
erfanden sich nun selbst Ordensverbindungen." Ueber das Wesen der Frei¬
maurer selbst äußerte sich Schneider in dem Briefe vom 20. Mai desselben
Jahres folgendermaßen:

Sie kann in kosmopolitischer Hinsicht als ein Institut für die ganze Mensch¬
heit, in scientifischer Hinsicht als ein Gegenstand der Erkenntniß, und in
praktischer Hinsicht als eine Kunst betrachtet werden. Als Institut betrachtet,
ist sie eine gesellschaftliche Verfassung, die nach ihrer eignen, der Kunde ihrer
Mitglieder allein vorbehaltenen Methode dem Menschen diejenige intellectuelle,
moralische und ästhetische Bildung zu ertheilen sucht, durch welche die Vereinigung


den Anfang der Vereinigung aller Völker der Erde in Einen großen Staat
darstellen will, welche Vereinigung sich von und durch Europa über Asien und
Africa nach America erstrecken soll; und 2) daß der Verfasser ein OonÄliurri
osoumöiüouin durch Napoleon veranstaltet, als das einzig rechtmäßige, urchrist¬
liche Mittel betrachtet, ein Concordat aller christlichen Parteyen zu Stande zu
bringen; endlich 3) daß der Verfasser Europa, Asien und Africa als ein Ganzes
Asien aber als Mutterland und die südasiatischen Völker und Länder als wesent¬
lichste und vornehmste Theile dieses Weltstaates ansieht." Die Schrift kam auch
in den Druck; aber unter der Feder erweiterte sich der Plan derart, daß der
Buchhändler Arnold das auf drei Bände berechnete Werk, obgleich der Anfang
davon gedruckt war, schließlich nicht verlegen wollte. Da aber das bereits Ge¬
druckte eine ideale Zeichnung der Menschheit im allgemeinen enthielt, so ließ
sich dieser Theil zu einem kleineren Ganzen abrunden, welches 1811 unter dem
Titel erschien: „Das Urbild der Menschheit als Eines geselligen Ganzen. Ein
Versuch. Gebildeten Lesern, vorzüglich Freimaurern gewidmet." Es ist die popu¬
lärste Schrift von Krause.

Ungleich entscheidender aber wurde seine Verbindung mit der Freimaurer¬
brüderschaft. Er hatte sich früher ablehnend zu derselben verhalten; als er
1803 sein Naturrecht einem Gönner und Freunde seines Vaters, dem Secretair
(später Rath) Schneider übersandte, erbot sich dieser, falls Krause im zweiten
Theile desselben etwas über geheime Gesellschaften sagen wollte, ihm seine An¬
sicht von der reinen Maurerei und ihrem Verhältnisse zum Staate mitzutheilen.
Dies geschah denn auch, wie es nach einem Briefe vom 30. April 1803 scheint,
in einem ausführlichen Aufsatze; in diesem Briefe erwähnt Schneider noch Fol¬
gendes: „Vielleicht wissen Sie nicht, daß alle Studentenorden aus der Frei¬
maurerei und namentlich in Jena entstanden sind. Bis 1764 war nämlich eine
Loge (zu den drei Rosen, gestiftet durch Davies) in Jena. 1764 trat ein ge¬
wisser Betrüger (Johnson a Fünen) in Jena auf und machte, ehe er entlarvt
wurde, viel Aufsehen. Die Studenten wurden Freimaurer. Wegen jenes Be¬
trügers aber wurde die Loge von Jena nach Weimar verlegt und die Studenten
erfanden sich nun selbst Ordensverbindungen." Ueber das Wesen der Frei¬
maurer selbst äußerte sich Schneider in dem Briefe vom 20. Mai desselben
Jahres folgendermaßen:

Sie kann in kosmopolitischer Hinsicht als ein Institut für die ganze Mensch¬
heit, in scientifischer Hinsicht als ein Gegenstand der Erkenntniß, und in
praktischer Hinsicht als eine Kunst betrachtet werden. Als Institut betrachtet,
ist sie eine gesellschaftliche Verfassung, die nach ihrer eignen, der Kunde ihrer
Mitglieder allein vorbehaltenen Methode dem Menschen diejenige intellectuelle,
moralische und ästhetische Bildung zu ertheilen sucht, durch welche die Vereinigung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/206>, abgerufen am 23.07.2024.