Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.durch den Vertrag vom 15. Juli 1840 England den übrigen Mächten, deren So ist auch Serbien unter der fortwährenden Einmischung der fremden Mächte Sehr merkwürdig erscheint uns in dieser Beziehung ein Memorandum, Wir haben oben darauf hingewiesen, auf welche unüberwindlichen Schwierig, durch den Vertrag vom 15. Juli 1840 England den übrigen Mächten, deren So ist auch Serbien unter der fortwährenden Einmischung der fremden Mächte Sehr merkwürdig erscheint uns in dieser Beziehung ein Memorandum, Wir haben oben darauf hingewiesen, auf welche unüberwindlichen Schwierig, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146126"/> <p xml:id="ID_520" prev="#ID_519"> durch den Vertrag vom 15. Juli 1840 England den übrigen Mächten, deren<lb/> Absicht auf eine Erhaltung der Integrität der Pforte gerichtet war, beitrat,<lb/> mußte auch Frankreich, wo bisher Ministerium und Kammer gleich energisch<lb/> für den Vicekönig in die Schranken getreten waren, in einen Vergleich willigen,<lb/> der zwischen den Ansprüchen beider Theile vermittelte.</p><lb/> <p xml:id="ID_521"> So ist auch Serbien unter der fortwährenden Einmischung der fremden Mächte<lb/> emporgekommen. Als dort nach der Vertreibung der Dynastie der Obrenowitschen<lb/> (1842) die Wahl des serbischen Volkes auf Alexander Karageorgewitsch fiel und diese<lb/> Wahl die Bestätigung des Großherrn erhielt, war es vor allein Rußland, welches<lb/> gegen diesen „revolutionären" Act des serbischen Volkes Protest erhob und die<lb/> Vornahme einer neuen Wahl gebieterisch verlangte. Lange sträubte sich die<lb/> Pforte gegen dieses Ansinnen, welches ganz geeignet war, ihre Autorität zu<lb/> untergraben; endlich mußte sie nachgeben: die Wahl fiel wiederum auf Alexander<lb/> Karageorgewitsch und erhielt diesmal, als legal, d. h. hier: mit Erlaubniß<lb/> Rußlands vollzogen, dessen Bestätigung. Welchen Einfluß auf die unterworfenen<lb/> Völker, vor allem auf die Serbe« selbst, mußte es aber haben, wenn sie sahen,<lb/> wie die Pforte den Anforderungen Rußlands willenlos anheimgegeben war?<lb/> Seitdem war eine Vereinigung des immer mehr erstarkenden und über eine<lb/> Miliz voll 50000 Mann verfügenden serbischen Staates mit den unruhigen<lb/> Provinzen für die Pforte ein steter Gegenstand der Besorgnis?, namentlich nach¬<lb/> dem der ihr im ganzen ergebene Fürst Alexander Karageorgewitsch der nationalen<lb/> Opposition, welche immer stark zu Rußland inclinirte, hatte weichen müssen und<lb/> der alte Milosch Obrenowitsch, jener Held aus den Befreiungskriegen von<lb/> 1809—1813, wieder an seine Stelle getreten war. Jene befürchtete Eventualität<lb/> trat nun zwar nicht ein, aber die Entwicklung der serbischen Unabhängigkeit<lb/> schritt ihren unaufhaltsamen Gang weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_522"> Sehr merkwürdig erscheint uns in dieser Beziehung ein Memorandum,<lb/> welches eine serbische Deputation im Jahre 1860 nach Constantinopel über¬<lb/> brachte, und welches Ranke in den Analekten zu seinem neuesten Werke ab¬<lb/> gedruckt hat. Es ist in französischer Sprache abgefaßt und enthält die haupt¬<lb/> sächlichsten Forderungen der Serben an die Pforte, welche auf die Natur der<lb/> dort obwaltenden Verhältnisse ein Helles Licht werfen. Wir können nicht umhin,<lb/> bei diesem Memorandum einen Augenblick zu verweilen. Der Zwiespalt zwischen<lb/> den Verordnungen des Großherrn und den factischen Zuständen erscheint hier<lb/> in drastischer Form.</p><lb/> <p xml:id="ID_523" next="#ID_524"> Wir haben oben darauf hingewiesen, auf welche unüberwindlichen Schwierig,<lb/> leiten ein harmonisches Zusammenleben der Moslim mit den Christen zu allen<lb/> Zeiten gestoßen ist. Serbien, welches seit den glücklichen Befreiungskämpfen am<lb/> Anfang unseres Jahrhunderts eine bevorrechtete Stellung einnahm, hatte es er-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
durch den Vertrag vom 15. Juli 1840 England den übrigen Mächten, deren
Absicht auf eine Erhaltung der Integrität der Pforte gerichtet war, beitrat,
mußte auch Frankreich, wo bisher Ministerium und Kammer gleich energisch
für den Vicekönig in die Schranken getreten waren, in einen Vergleich willigen,
der zwischen den Ansprüchen beider Theile vermittelte.
So ist auch Serbien unter der fortwährenden Einmischung der fremden Mächte
emporgekommen. Als dort nach der Vertreibung der Dynastie der Obrenowitschen
(1842) die Wahl des serbischen Volkes auf Alexander Karageorgewitsch fiel und diese
Wahl die Bestätigung des Großherrn erhielt, war es vor allein Rußland, welches
gegen diesen „revolutionären" Act des serbischen Volkes Protest erhob und die
Vornahme einer neuen Wahl gebieterisch verlangte. Lange sträubte sich die
Pforte gegen dieses Ansinnen, welches ganz geeignet war, ihre Autorität zu
untergraben; endlich mußte sie nachgeben: die Wahl fiel wiederum auf Alexander
Karageorgewitsch und erhielt diesmal, als legal, d. h. hier: mit Erlaubniß
Rußlands vollzogen, dessen Bestätigung. Welchen Einfluß auf die unterworfenen
Völker, vor allem auf die Serbe« selbst, mußte es aber haben, wenn sie sahen,
wie die Pforte den Anforderungen Rußlands willenlos anheimgegeben war?
Seitdem war eine Vereinigung des immer mehr erstarkenden und über eine
Miliz voll 50000 Mann verfügenden serbischen Staates mit den unruhigen
Provinzen für die Pforte ein steter Gegenstand der Besorgnis?, namentlich nach¬
dem der ihr im ganzen ergebene Fürst Alexander Karageorgewitsch der nationalen
Opposition, welche immer stark zu Rußland inclinirte, hatte weichen müssen und
der alte Milosch Obrenowitsch, jener Held aus den Befreiungskriegen von
1809—1813, wieder an seine Stelle getreten war. Jene befürchtete Eventualität
trat nun zwar nicht ein, aber die Entwicklung der serbischen Unabhängigkeit
schritt ihren unaufhaltsamen Gang weiter.
Sehr merkwürdig erscheint uns in dieser Beziehung ein Memorandum,
welches eine serbische Deputation im Jahre 1860 nach Constantinopel über¬
brachte, und welches Ranke in den Analekten zu seinem neuesten Werke ab¬
gedruckt hat. Es ist in französischer Sprache abgefaßt und enthält die haupt¬
sächlichsten Forderungen der Serben an die Pforte, welche auf die Natur der
dort obwaltenden Verhältnisse ein Helles Licht werfen. Wir können nicht umhin,
bei diesem Memorandum einen Augenblick zu verweilen. Der Zwiespalt zwischen
den Verordnungen des Großherrn und den factischen Zuständen erscheint hier
in drastischer Form.
Wir haben oben darauf hingewiesen, auf welche unüberwindlichen Schwierig,
leiten ein harmonisches Zusammenleben der Moslim mit den Christen zu allen
Zeiten gestoßen ist. Serbien, welches seit den glücklichen Befreiungskämpfen am
Anfang unseres Jahrhunderts eine bevorrechtete Stellung einnahm, hatte es er-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |