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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Näherrücken Rußlands, aber ebenso gern die Vergrößerung Preußens durch
Sachsen verhindert hätte.

In der schlimmen Lage, in der sich Preußen, jetzt von England verlassen,
Oesterreichs Mißgunst und Frankreichs Ränken gegenüber befand, schrieb Harden-
berg am 3. December an Metternich ein höchst unglückseliges Billet, in welchem es
zunächst hieß, nur England habe die Weichsellinie verlangt und zwar vergeblich,
Preußen und Oesterreich hätten ihre Ansprüche seit geraumer Zeit schon ans
Thorn und die Linie der Wartha, auf Krakau und Zamosc beschränkt, die Zeit,
mehr zu fordern, würde die gewesen sein, wo man in Reichenbach und Teplitz
verhandelt habe, Thorn und die Warthagrenze verlange Preußen noch jetzt,
Drohungen gegen Rußland würden die nothwendige Einigkeit gestört und eine
feste Ordnung der Dinge unmöglich gemacht haben, und in welchem der Staats-
kanzler zuletzt die unverantwortliche Aeußerung that: "Machen Sie Mittel
ausfindig, theurer Fürst, die Lage der Dinge, in der wir uns unglücklicherweise
befinden, zu Ende zu bringen. Retten Sie Preußen aus seinem gegenwärtigen
Zustande. Es kann nicht aus diesem schrecklichen Kampfe, worin es so große
und edle Anstrengungen gemacht hat, und zwar ganz allein, in einem beschä¬
menden Zustande von Schwäche hervorgehen und zusehen, wie sie sich alle ver¬
größern, abrunden, Sicherheit gewinnen, und zwar großentheils durch seine
Anstrengungen. Man kann ihm doch mit irgend einem Schatten von Recht
nicht zumuthen, daß es ganz allein so schmerzliche Opfer bringe, blos zur Satis-
faction der anderen. Eher müßte es von Neuem Alles aufs Spiel setzen/' --
"Ihr erhabner Monarch, theurer Fürst, ist die Geradheit, die Aufrichtigkeit, die
Gerechtigkeit selbst. An ihn appellire ich." Dann folgten etliche Verse aus dem
"Rheinischen Merkur", die mit den Worten begannen:


"Fleuch, Zwietracht, fleuch von unsern Gauen! Weiche,
Du Ungeheuer mit dem Schlaugenhanr!"

und mit dem Wunsche endigten:


"Und wo der teutschen Sprache Laute tönen,
Erblühe nur ein Reich des Kräftigen und Schönen."

Dieser Versuch, Metternich durch Rührung zu gewinnen, sieht an sich schon
höchst seltsam aus. Sich in solcher Weise in die Arme des Kaisers Franz,
dieses Mannes mit dem steinharten Herzen, dieses bittern Feindes Preußens
zu werfen, sich ihm beinahe auf Gnade und Ungnade zu übergeben, wäre unter
allen Umständen ein arger Mißgriff gewesen. Die Appellation war aber jetzt
doppelt am unrechten Orte, da Metternich und Castlereagh sich in dieser Zeit be¬
reits fast ganz unter dem Einflüsse Tnlleyrands befanden und Oesterreich den
Entschluß gefaßt hatte, durch sein Verhalten zur sächsischen Frage seine Rolle


Näherrücken Rußlands, aber ebenso gern die Vergrößerung Preußens durch
Sachsen verhindert hätte.

In der schlimmen Lage, in der sich Preußen, jetzt von England verlassen,
Oesterreichs Mißgunst und Frankreichs Ränken gegenüber befand, schrieb Harden-
berg am 3. December an Metternich ein höchst unglückseliges Billet, in welchem es
zunächst hieß, nur England habe die Weichsellinie verlangt und zwar vergeblich,
Preußen und Oesterreich hätten ihre Ansprüche seit geraumer Zeit schon ans
Thorn und die Linie der Wartha, auf Krakau und Zamosc beschränkt, die Zeit,
mehr zu fordern, würde die gewesen sein, wo man in Reichenbach und Teplitz
verhandelt habe, Thorn und die Warthagrenze verlange Preußen noch jetzt,
Drohungen gegen Rußland würden die nothwendige Einigkeit gestört und eine
feste Ordnung der Dinge unmöglich gemacht haben, und in welchem der Staats-
kanzler zuletzt die unverantwortliche Aeußerung that: „Machen Sie Mittel
ausfindig, theurer Fürst, die Lage der Dinge, in der wir uns unglücklicherweise
befinden, zu Ende zu bringen. Retten Sie Preußen aus seinem gegenwärtigen
Zustande. Es kann nicht aus diesem schrecklichen Kampfe, worin es so große
und edle Anstrengungen gemacht hat, und zwar ganz allein, in einem beschä¬
menden Zustande von Schwäche hervorgehen und zusehen, wie sie sich alle ver¬
größern, abrunden, Sicherheit gewinnen, und zwar großentheils durch seine
Anstrengungen. Man kann ihm doch mit irgend einem Schatten von Recht
nicht zumuthen, daß es ganz allein so schmerzliche Opfer bringe, blos zur Satis-
faction der anderen. Eher müßte es von Neuem Alles aufs Spiel setzen/' —
„Ihr erhabner Monarch, theurer Fürst, ist die Geradheit, die Aufrichtigkeit, die
Gerechtigkeit selbst. An ihn appellire ich." Dann folgten etliche Verse aus dem
„Rheinischen Merkur", die mit den Worten begannen:


„Fleuch, Zwietracht, fleuch von unsern Gauen! Weiche,
Du Ungeheuer mit dem Schlaugenhanr!"

und mit dem Wunsche endigten:


„Und wo der teutschen Sprache Laute tönen,
Erblühe nur ein Reich des Kräftigen und Schönen."

Dieser Versuch, Metternich durch Rührung zu gewinnen, sieht an sich schon
höchst seltsam aus. Sich in solcher Weise in die Arme des Kaisers Franz,
dieses Mannes mit dem steinharten Herzen, dieses bittern Feindes Preußens
zu werfen, sich ihm beinahe auf Gnade und Ungnade zu übergeben, wäre unter
allen Umständen ein arger Mißgriff gewesen. Die Appellation war aber jetzt
doppelt am unrechten Orte, da Metternich und Castlereagh sich in dieser Zeit be¬
reits fast ganz unter dem Einflüsse Tnlleyrands befanden und Oesterreich den
Entschluß gefaßt hatte, durch sein Verhalten zur sächsischen Frage seine Rolle


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[0194] Näherrücken Rußlands, aber ebenso gern die Vergrößerung Preußens durch Sachsen verhindert hätte. In der schlimmen Lage, in der sich Preußen, jetzt von England verlassen, Oesterreichs Mißgunst und Frankreichs Ränken gegenüber befand, schrieb Harden- berg am 3. December an Metternich ein höchst unglückseliges Billet, in welchem es zunächst hieß, nur England habe die Weichsellinie verlangt und zwar vergeblich, Preußen und Oesterreich hätten ihre Ansprüche seit geraumer Zeit schon ans Thorn und die Linie der Wartha, auf Krakau und Zamosc beschränkt, die Zeit, mehr zu fordern, würde die gewesen sein, wo man in Reichenbach und Teplitz verhandelt habe, Thorn und die Warthagrenze verlange Preußen noch jetzt, Drohungen gegen Rußland würden die nothwendige Einigkeit gestört und eine feste Ordnung der Dinge unmöglich gemacht haben, und in welchem der Staats- kanzler zuletzt die unverantwortliche Aeußerung that: „Machen Sie Mittel ausfindig, theurer Fürst, die Lage der Dinge, in der wir uns unglücklicherweise befinden, zu Ende zu bringen. Retten Sie Preußen aus seinem gegenwärtigen Zustande. Es kann nicht aus diesem schrecklichen Kampfe, worin es so große und edle Anstrengungen gemacht hat, und zwar ganz allein, in einem beschä¬ menden Zustande von Schwäche hervorgehen und zusehen, wie sie sich alle ver¬ größern, abrunden, Sicherheit gewinnen, und zwar großentheils durch seine Anstrengungen. Man kann ihm doch mit irgend einem Schatten von Recht nicht zumuthen, daß es ganz allein so schmerzliche Opfer bringe, blos zur Satis- faction der anderen. Eher müßte es von Neuem Alles aufs Spiel setzen/' — „Ihr erhabner Monarch, theurer Fürst, ist die Geradheit, die Aufrichtigkeit, die Gerechtigkeit selbst. An ihn appellire ich." Dann folgten etliche Verse aus dem „Rheinischen Merkur", die mit den Worten begannen: „Fleuch, Zwietracht, fleuch von unsern Gauen! Weiche, Du Ungeheuer mit dem Schlaugenhanr!" und mit dem Wunsche endigten: „Und wo der teutschen Sprache Laute tönen, Erblühe nur ein Reich des Kräftigen und Schönen." Dieser Versuch, Metternich durch Rührung zu gewinnen, sieht an sich schon höchst seltsam aus. Sich in solcher Weise in die Arme des Kaisers Franz, dieses Mannes mit dem steinharten Herzen, dieses bittern Feindes Preußens zu werfen, sich ihm beinahe auf Gnade und Ungnade zu übergeben, wäre unter allen Umständen ein arger Mißgriff gewesen. Die Appellation war aber jetzt doppelt am unrechten Orte, da Metternich und Castlereagh sich in dieser Zeit be¬ reits fast ganz unter dem Einflüsse Tnlleyrands befanden und Oesterreich den Entschluß gefaßt hatte, durch sein Verhalten zur sächsischen Frage seine Rolle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/194>, abgerufen am 03.07.2024.