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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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sieht um unsere Universität kritisch aus; -- alle Ausländer wollen fort, wenn
gewisse Bedingungen ihnen nicht gestattet werden, die man ihnen aber wol
zugeben wird. Von neuen Professoren wissen wir noch nichts; die Medicin
ist kürglich besetzt." Als im Sommer desselben Jahres die Studentenzahl auf
250 sank und immer mehr Lehrer, u. a. auch die Juristen Thibaut und schau¬
dert fortgingen, da erwachte auch bei Krause die Sehnsucht, Jena zu verlassen.
Im Sommer 1804 las er gar nicht, und am 22. September desselben Jahres
schrieb er an seinen Vater:

"Es sind zwar mehrere Studenten bei mir gewesen, welche wünschen, daß ich
lesen soll, und von 20 hat man mir gewiß gesagt, daß sie hören wollen. Was
ist aber das? von 20 bezahlen jetzt etwa 5; da komme ich nicht auf die Kosten,
Zeit und Kraft geht umsonst verloren. Ich sehe also als gewiß voraus, daß ich
hier nicht lesen kann, und da es mit der Universität so offenbar bergein geht, daß
man blind sein müßte, wenn man es nicht merken sollte --, so kann ich auch nicht
hoffen, jemals hier mein Glück zu machen. Hierzu kommt, daß die jetzigen Mit¬
glieder der philosophischen Facultät größtentheils solche sind, die bei dem vorigen
Flore der Universität nichts gelten, also vielmehr bestrebt sind, mich und andre,
welche eine andre Philosophie lehren, als sie, zu unterdrücken und wegzuschaffen;
kurz wir Privatdocenten werden bei allen neuen Unternehmungen der Academie so
gar für nichts geachtet, daß es fast unehrlich wäre, wenn man dabei geduldig zu¬
sehen könnte."

Dazu mögen persönliche Verdrießlichkeiten gekommen sein, wie sich aus
verschiedenen Aeußerungen herauslesen, insbesondere aber aus einem Briefe
schließen läßt, den jedenfalls im Herbst 1804 in Jena Gotthilf Heinrich Schu¬
bert an Krause richtete:

"Deine Schriften, jugendlich und zum Theil Zeugen eines ungemeinen Fleißes,
haben mich sehr erfreut; ich werde Dir das aufrichtige Urtheil nicht schuldig bleiben.
Verzeihe aber, wenn ich geradezu loben muß, mit wenig Beschränkung. Denn auf
Deinem Standpunkt sind sie meist völlig in sich selber gegründet und vollendet, voll¬
endet, so weit es der Keim oder die Knospe sein kann und darf.

Ich bin, mein Theurer, voll inniger Freude und Hoffnung, und ich weiß, meine
Zukunft wird groß und göttlich sein, und wir werden uns noch oft im Leben immer
inniger, verklärter und flammender begegnen. Mein Inneres ist längst für das
Einzige und Höchste entzündet. -- Es wäre gar nicht unmöglich, daß wir uns als
Lehrer auf einer Academie zusammenfanden. Laß uns doch künftig hierauf Rück¬
sicht nehmen und nichts versäumen, was dazu führen kann. Gehst Du nur nicht
nach Rußland (wohin ich nie gehen möchte), so gehst Du sehr leicht an einen Ort,
der mir auch zugänglich wäre. Gehe voran, bereite die Stätte. Gefällt Dir
Erlangen? In Jena ist nichts mehr, mich reut die Stunde, da ich mich mit


sieht um unsere Universität kritisch aus; — alle Ausländer wollen fort, wenn
gewisse Bedingungen ihnen nicht gestattet werden, die man ihnen aber wol
zugeben wird. Von neuen Professoren wissen wir noch nichts; die Medicin
ist kürglich besetzt." Als im Sommer desselben Jahres die Studentenzahl auf
250 sank und immer mehr Lehrer, u. a. auch die Juristen Thibaut und schau¬
dert fortgingen, da erwachte auch bei Krause die Sehnsucht, Jena zu verlassen.
Im Sommer 1804 las er gar nicht, und am 22. September desselben Jahres
schrieb er an seinen Vater:

„Es sind zwar mehrere Studenten bei mir gewesen, welche wünschen, daß ich
lesen soll, und von 20 hat man mir gewiß gesagt, daß sie hören wollen. Was
ist aber das? von 20 bezahlen jetzt etwa 5; da komme ich nicht auf die Kosten,
Zeit und Kraft geht umsonst verloren. Ich sehe also als gewiß voraus, daß ich
hier nicht lesen kann, und da es mit der Universität so offenbar bergein geht, daß
man blind sein müßte, wenn man es nicht merken sollte —, so kann ich auch nicht
hoffen, jemals hier mein Glück zu machen. Hierzu kommt, daß die jetzigen Mit¬
glieder der philosophischen Facultät größtentheils solche sind, die bei dem vorigen
Flore der Universität nichts gelten, also vielmehr bestrebt sind, mich und andre,
welche eine andre Philosophie lehren, als sie, zu unterdrücken und wegzuschaffen;
kurz wir Privatdocenten werden bei allen neuen Unternehmungen der Academie so
gar für nichts geachtet, daß es fast unehrlich wäre, wenn man dabei geduldig zu¬
sehen könnte."

Dazu mögen persönliche Verdrießlichkeiten gekommen sein, wie sich aus
verschiedenen Aeußerungen herauslesen, insbesondere aber aus einem Briefe
schließen läßt, den jedenfalls im Herbst 1804 in Jena Gotthilf Heinrich Schu¬
bert an Krause richtete:

„Deine Schriften, jugendlich und zum Theil Zeugen eines ungemeinen Fleißes,
haben mich sehr erfreut; ich werde Dir das aufrichtige Urtheil nicht schuldig bleiben.
Verzeihe aber, wenn ich geradezu loben muß, mit wenig Beschränkung. Denn auf
Deinem Standpunkt sind sie meist völlig in sich selber gegründet und vollendet, voll¬
endet, so weit es der Keim oder die Knospe sein kann und darf.

Ich bin, mein Theurer, voll inniger Freude und Hoffnung, und ich weiß, meine
Zukunft wird groß und göttlich sein, und wir werden uns noch oft im Leben immer
inniger, verklärter und flammender begegnen. Mein Inneres ist längst für das
Einzige und Höchste entzündet. — Es wäre gar nicht unmöglich, daß wir uns als
Lehrer auf einer Academie zusammenfanden. Laß uns doch künftig hierauf Rück¬
sicht nehmen und nichts versäumen, was dazu führen kann. Gehst Du nur nicht
nach Rußland (wohin ich nie gehen möchte), so gehst Du sehr leicht an einen Ort,
der mir auch zugänglich wäre. Gehe voran, bereite die Stätte. Gefällt Dir
Erlangen? In Jena ist nichts mehr, mich reut die Stunde, da ich mich mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/160>, abgerufen am 23.07.2024.