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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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ich thöricht; allein das ist allerdings besser, als in seinen eignen Augen ein Thor
zu sein. Ich handle, wie ichs für vernünftig halte, und bin für die Zukunft voll
Zuversicht; denn ich weiß, was mir geraubt werden kann, und was nicht."

Diese Reflexionen des noch nicht zwanzigjährigen Jünglings sind darum
ausführlich hier mitgetheilt worden, weil sie auch für den Mann in allen
Wechselfällen seines bewegten Lebens die niemals erschütterte Grundlage, die
unverrückte Richtschnur seines Handelns bildeten.

Den Sommer 1801 brachte Krause, wie schon erwähnt, in Nobiz zu; am
6. Oetober wurde er zum Doctor promovirt und eröffnete sich noch in dem¬
selben Monate den Weg in den geistlichen Beruf durch das Candidatenexamen,
womit er seine eigentliche Lernzeit abschloß.

Schon im Winter 1801--2 hielt er in Jena, wohin er im Oetober 1801
zurückgekehrt war, in engem Kreise Vorlesungen, seine Habilitation aber mit der
Abhandlung Os piu1o8oxliis.s se inattrsssos notions se forum intima oonirmv-
tions erfolgte erst im Mürz 1802; es war dies der Ausgangspunkt seiner
schriftstellerischen und seiner Lehrthätigkeit. Eine eingehende Darstellung seines
philosophischen Systems liegt außerhalb der Grenzen dieses Lebensbildes; auch
würde dieselbe nichts sein können als eine dürftige Reproduction der trefflichen
gekrönten Preisschrift Paul Hohlselds: "Die Krausesche Philosophie in ihrem
geschichtlichen Zusammenhange und in ihrer Bedeutung für das Geistesleben der
Gegenwart." (Jena, Costenoble, 1879.) Aus dieser Schrift find auch im Fol¬
genden die Angaben über Krauses Schriften und Lehre, soweit sie nicht aus
dem Briefwechsel unmittelbar sich ergeben, entnommen. Hier möge nur soviel
erwähnt sein, daß der ursprüngliche wissenschaftliche Standpunkt Krauses der
des harmonischen Idealismus oder des idealen Pantheismus ist. Seiner Erst¬
lingsschrift, in welcher Krause zugleich seine Bekanntschaft mit Platon, Aristo¬
teles, Baco, Descartes, Spinoza, Leibniz, Kant, Fichte, Schelling, dem Schweden
Thorild und Kepler zeigt, ließ er 1803 seine "Grundlage des Naturrechts oder
philosophischen Grundriß des Ideales des Rechts. I." und "Grundriß der histo¬
rischen Logik für Vorlesungen" folgen; mit den Schriften "Grundlage eines
philosophischen Systems der Mathematik. 1. Theil, Jena 1804", "Factoren und
Primzahlen von 1--100000" und "Entwurf des Systems der Philosophie. 1. Ab¬
theilung", (beide 1804) schließt der 1. Abschnitt seiner schriftstellerischen Thätigkeit.

Inzwischen war eine entscheidende Wendung in Krauses Leben einge¬
treten: am 19. Juli 1802 vermählte sich der 21jährige, vermögenslose
Privatdocent mit Amalia Concordia Fuchs, einem Mädchen aus seiner Ge¬
burtsstadt Eisenberg, deren Vater zwar in guten Verhältnissen war, aber
von dem Vermögen nichts herausgab, auch in der Folge, wie es scheint, die
Tochter nicht sonderlich unterstützte. Krauses Vater war gleich bei der Ver-


ich thöricht; allein das ist allerdings besser, als in seinen eignen Augen ein Thor
zu sein. Ich handle, wie ichs für vernünftig halte, und bin für die Zukunft voll
Zuversicht; denn ich weiß, was mir geraubt werden kann, und was nicht."

Diese Reflexionen des noch nicht zwanzigjährigen Jünglings sind darum
ausführlich hier mitgetheilt worden, weil sie auch für den Mann in allen
Wechselfällen seines bewegten Lebens die niemals erschütterte Grundlage, die
unverrückte Richtschnur seines Handelns bildeten.

Den Sommer 1801 brachte Krause, wie schon erwähnt, in Nobiz zu; am
6. Oetober wurde er zum Doctor promovirt und eröffnete sich noch in dem¬
selben Monate den Weg in den geistlichen Beruf durch das Candidatenexamen,
womit er seine eigentliche Lernzeit abschloß.

Schon im Winter 1801—2 hielt er in Jena, wohin er im Oetober 1801
zurückgekehrt war, in engem Kreise Vorlesungen, seine Habilitation aber mit der
Abhandlung Os piu1o8oxliis.s se inattrsssos notions se forum intima oonirmv-
tions erfolgte erst im Mürz 1802; es war dies der Ausgangspunkt seiner
schriftstellerischen und seiner Lehrthätigkeit. Eine eingehende Darstellung seines
philosophischen Systems liegt außerhalb der Grenzen dieses Lebensbildes; auch
würde dieselbe nichts sein können als eine dürftige Reproduction der trefflichen
gekrönten Preisschrift Paul Hohlselds: „Die Krausesche Philosophie in ihrem
geschichtlichen Zusammenhange und in ihrer Bedeutung für das Geistesleben der
Gegenwart." (Jena, Costenoble, 1879.) Aus dieser Schrift find auch im Fol¬
genden die Angaben über Krauses Schriften und Lehre, soweit sie nicht aus
dem Briefwechsel unmittelbar sich ergeben, entnommen. Hier möge nur soviel
erwähnt sein, daß der ursprüngliche wissenschaftliche Standpunkt Krauses der
des harmonischen Idealismus oder des idealen Pantheismus ist. Seiner Erst¬
lingsschrift, in welcher Krause zugleich seine Bekanntschaft mit Platon, Aristo¬
teles, Baco, Descartes, Spinoza, Leibniz, Kant, Fichte, Schelling, dem Schweden
Thorild und Kepler zeigt, ließ er 1803 seine „Grundlage des Naturrechts oder
philosophischen Grundriß des Ideales des Rechts. I." und „Grundriß der histo¬
rischen Logik für Vorlesungen" folgen; mit den Schriften „Grundlage eines
philosophischen Systems der Mathematik. 1. Theil, Jena 1804", „Factoren und
Primzahlen von 1—100000" und „Entwurf des Systems der Philosophie. 1. Ab¬
theilung", (beide 1804) schließt der 1. Abschnitt seiner schriftstellerischen Thätigkeit.

Inzwischen war eine entscheidende Wendung in Krauses Leben einge¬
treten: am 19. Juli 1802 vermählte sich der 21jährige, vermögenslose
Privatdocent mit Amalia Concordia Fuchs, einem Mädchen aus seiner Ge¬
burtsstadt Eisenberg, deren Vater zwar in guten Verhältnissen war, aber
von dem Vermögen nichts herausgab, auch in der Folge, wie es scheint, die
Tochter nicht sonderlich unterstützte. Krauses Vater war gleich bei der Ver-


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[0158] ich thöricht; allein das ist allerdings besser, als in seinen eignen Augen ein Thor zu sein. Ich handle, wie ichs für vernünftig halte, und bin für die Zukunft voll Zuversicht; denn ich weiß, was mir geraubt werden kann, und was nicht." Diese Reflexionen des noch nicht zwanzigjährigen Jünglings sind darum ausführlich hier mitgetheilt worden, weil sie auch für den Mann in allen Wechselfällen seines bewegten Lebens die niemals erschütterte Grundlage, die unverrückte Richtschnur seines Handelns bildeten. Den Sommer 1801 brachte Krause, wie schon erwähnt, in Nobiz zu; am 6. Oetober wurde er zum Doctor promovirt und eröffnete sich noch in dem¬ selben Monate den Weg in den geistlichen Beruf durch das Candidatenexamen, womit er seine eigentliche Lernzeit abschloß. Schon im Winter 1801—2 hielt er in Jena, wohin er im Oetober 1801 zurückgekehrt war, in engem Kreise Vorlesungen, seine Habilitation aber mit der Abhandlung Os piu1o8oxliis.s se inattrsssos notions se forum intima oonirmv- tions erfolgte erst im Mürz 1802; es war dies der Ausgangspunkt seiner schriftstellerischen und seiner Lehrthätigkeit. Eine eingehende Darstellung seines philosophischen Systems liegt außerhalb der Grenzen dieses Lebensbildes; auch würde dieselbe nichts sein können als eine dürftige Reproduction der trefflichen gekrönten Preisschrift Paul Hohlselds: „Die Krausesche Philosophie in ihrem geschichtlichen Zusammenhange und in ihrer Bedeutung für das Geistesleben der Gegenwart." (Jena, Costenoble, 1879.) Aus dieser Schrift find auch im Fol¬ genden die Angaben über Krauses Schriften und Lehre, soweit sie nicht aus dem Briefwechsel unmittelbar sich ergeben, entnommen. Hier möge nur soviel erwähnt sein, daß der ursprüngliche wissenschaftliche Standpunkt Krauses der des harmonischen Idealismus oder des idealen Pantheismus ist. Seiner Erst¬ lingsschrift, in welcher Krause zugleich seine Bekanntschaft mit Platon, Aristo¬ teles, Baco, Descartes, Spinoza, Leibniz, Kant, Fichte, Schelling, dem Schweden Thorild und Kepler zeigt, ließ er 1803 seine „Grundlage des Naturrechts oder philosophischen Grundriß des Ideales des Rechts. I." und „Grundriß der histo¬ rischen Logik für Vorlesungen" folgen; mit den Schriften „Grundlage eines philosophischen Systems der Mathematik. 1. Theil, Jena 1804", „Factoren und Primzahlen von 1—100000" und „Entwurf des Systems der Philosophie. 1. Ab¬ theilung", (beide 1804) schließt der 1. Abschnitt seiner schriftstellerischen Thätigkeit. Inzwischen war eine entscheidende Wendung in Krauses Leben einge¬ treten: am 19. Juli 1802 vermählte sich der 21jährige, vermögenslose Privatdocent mit Amalia Concordia Fuchs, einem Mädchen aus seiner Ge¬ burtsstadt Eisenberg, deren Vater zwar in guten Verhältnissen war, aber von dem Vermögen nichts herausgab, auch in der Folge, wie es scheint, die Tochter nicht sonderlich unterstützte. Krauses Vater war gleich bei der Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/158>, abgerufen am 23.07.2024.