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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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wodurch ich um meinen ehrlichen Namen und um vieles Geld kommen und Ihnen
Misvergnttgen machen mußte. Wie viele trübe Stunde" mich das gekostet hat,
das weiß nur ich."

Endlich am 6. März 1800:

"Ich weiß kaum, was ich Ihnen schreiben soll. Der .Kummer, dem mich der
Gedanke preisgiebt, daß ich Ihnen Herzeleid mache, und wider meinen Willen mache,
verpflichtet mich, meinen Charakter und meine Handlungsweise vor Ihnen zu ent¬
schuldigen..... Mein Wille ist rein, meine Wünsche sind bloß, mein Handeln
und Wissen -- unabhängig von äußern Einflüssen zu bilden; sinnliche Vergnügun¬
gen, als solche, haben nie mein Herz eingenommen; ich weiß diese zu verachten.
Uebrigens bin ich auf Alles, was mir begegnen kann, gefaßt, -- ich kenne keine
Furcht und Mutlosigkeit. Ich bin noch nie so mit mir selbst einig, so heiter und
festen Muthes gewesen, als jetzt; auch selbst Ihre Vorwürfe können mich nicht aus
der Fassung bringen, wenn gleich Ihre Bekümmernisse auch mich bekümmern; ich
bin seit Ihren: letzten Briefe, so, wie zuvor, unermüdet in meinen Arbeiten vorge¬
schritten, und ich hoffe Sie bald durch die That zu überzeugen, daß ich mich auch
in Rücksicht dessen, was ich gelernt habe, nicht zu schämen Ursache habe. Nur Sie
bedaure ich um Ihres ungegründeten Kummers willen, da ich weiß, daß er ein
Vaterherz trifft, das wirklich für sein Kind zärtlich besorgt ist. Ich habe gar
nicht Ursache, in die Litaney einzustimmen: 0 nnn prAotöritos se".! Ich freue
mich meiner Grundsätze, meiner Entschließungen, und meines ganze" Bewußtseins,
und wundre mich über das glückliche Zusammentreffen günstiger Umstände vergan¬
gener Jahre, die mich in philosophischer und moralischer Hinsicht zur Selbsterkennt-
niß gebracht haben.....Mein Plan ist wol überlegt und steht unerschütterlich
fest -- wenn ihn nicht Krankheit und Tod vereitelt; -- vielleicht werden Sie mich
daran zu hinder" suchen, so viel an Ihnen ist, aber Sie werden mich gewiß nicht
daran hindern. Ich bitte Sie von Herze", mich zu unterstützen; aber unterstützen
Sie mich nicht mit Widerwillen, oder darum, weil ich Sie darum bitte; sonder"
bloß dann und insoweit, als Sie es etwan für Ihre Pflicht halten dürften; Ihr
väterlicher Rath wird mir stets willkommen und geachtet sein; nur Befehle kann
ich in Punkten, die mein Wohl und Auskommen in Zukunft betreffen, nicht
anerkennen, weil sich Ueberzeugungen nicht befehlen lassen."

Der Plan, von dein er hier spricht, war der, akademischer Lehrer zu werden,
und er bewies in der Folge, daß dieser Plan allerdings klar und entschieden
gefaßt war. Man sieht aber außer der für einen noch nicht 19 Jahre alten
Jüngling ungewöhnlichen Reife des Urtheils und Entschiedenheit des Willens
doch auch die Unfähigkeit, sich in die reale Welt, die Welt des Raumes, zu
finden, wo die Sachen sich hart stoßen, eine Unfähigkeit, in Folge deren er viele
bittere Erfahrungen machte.

. Uebrigens gestaltete sich mit der Zeit das Verhältniß zum Vater wieder


wodurch ich um meinen ehrlichen Namen und um vieles Geld kommen und Ihnen
Misvergnttgen machen mußte. Wie viele trübe Stunde» mich das gekostet hat,
das weiß nur ich."

Endlich am 6. März 1800:

„Ich weiß kaum, was ich Ihnen schreiben soll. Der .Kummer, dem mich der
Gedanke preisgiebt, daß ich Ihnen Herzeleid mache, und wider meinen Willen mache,
verpflichtet mich, meinen Charakter und meine Handlungsweise vor Ihnen zu ent¬
schuldigen..... Mein Wille ist rein, meine Wünsche sind bloß, mein Handeln
und Wissen — unabhängig von äußern Einflüssen zu bilden; sinnliche Vergnügun¬
gen, als solche, haben nie mein Herz eingenommen; ich weiß diese zu verachten.
Uebrigens bin ich auf Alles, was mir begegnen kann, gefaßt, — ich kenne keine
Furcht und Mutlosigkeit. Ich bin noch nie so mit mir selbst einig, so heiter und
festen Muthes gewesen, als jetzt; auch selbst Ihre Vorwürfe können mich nicht aus
der Fassung bringen, wenn gleich Ihre Bekümmernisse auch mich bekümmern; ich
bin seit Ihren: letzten Briefe, so, wie zuvor, unermüdet in meinen Arbeiten vorge¬
schritten, und ich hoffe Sie bald durch die That zu überzeugen, daß ich mich auch
in Rücksicht dessen, was ich gelernt habe, nicht zu schämen Ursache habe. Nur Sie
bedaure ich um Ihres ungegründeten Kummers willen, da ich weiß, daß er ein
Vaterherz trifft, das wirklich für sein Kind zärtlich besorgt ist. Ich habe gar
nicht Ursache, in die Litaney einzustimmen: 0 nnn prAotöritos se«.! Ich freue
mich meiner Grundsätze, meiner Entschließungen, und meines ganze» Bewußtseins,
und wundre mich über das glückliche Zusammentreffen günstiger Umstände vergan¬
gener Jahre, die mich in philosophischer und moralischer Hinsicht zur Selbsterkennt-
niß gebracht haben.....Mein Plan ist wol überlegt und steht unerschütterlich
fest — wenn ihn nicht Krankheit und Tod vereitelt; — vielleicht werden Sie mich
daran zu hinder» suchen, so viel an Ihnen ist, aber Sie werden mich gewiß nicht
daran hindern. Ich bitte Sie von Herze», mich zu unterstützen; aber unterstützen
Sie mich nicht mit Widerwillen, oder darum, weil ich Sie darum bitte; sonder»
bloß dann und insoweit, als Sie es etwan für Ihre Pflicht halten dürften; Ihr
väterlicher Rath wird mir stets willkommen und geachtet sein; nur Befehle kann
ich in Punkten, die mein Wohl und Auskommen in Zukunft betreffen, nicht
anerkennen, weil sich Ueberzeugungen nicht befehlen lassen."

Der Plan, von dein er hier spricht, war der, akademischer Lehrer zu werden,
und er bewies in der Folge, daß dieser Plan allerdings klar und entschieden
gefaßt war. Man sieht aber außer der für einen noch nicht 19 Jahre alten
Jüngling ungewöhnlichen Reife des Urtheils und Entschiedenheit des Willens
doch auch die Unfähigkeit, sich in die reale Welt, die Welt des Raumes, zu
finden, wo die Sachen sich hart stoßen, eine Unfähigkeit, in Folge deren er viele
bittere Erfahrungen machte.

. Uebrigens gestaltete sich mit der Zeit das Verhältniß zum Vater wieder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/156>, abgerufen am 23.07.2024.