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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Karl Christian Friedrich Krause wurde den 6. Mai'') 1781 in
Eisenberg, einem freundlichen Städtchen am östlichen AbHange des Thüringer
Waldes, wo sein Vater damals Lehrer war, geboren. Er besuchte hier die
Bürgerschule, mit welcher ein Lyceum verbunden war, von Ostern 1792 bis
Michaelis 1794 die Klosterschule in Donndorf, die sich damals unter der Lei¬
tung August Krafts eines vortrefflichen Rufes erfreute, dann abermals das
Lyceum in Eisenberg und später das Gymnasium zu Altenburg, nachdem sein
Vater Ostern 1795 Pfarrer in Nobiz bei Altenburg geworden war. Seine
körperliche Entwicklung war eine sehr langsame gewesen; er war als Kind viel
trank, und sein Vater -- die Mutter starb ihm früh -- hielt den schwächlichen
Knaben fast immer im Zimmer. In Folge der Blattern, die ihn im fünften
Jahre befielen, mußte er lange an Krücken gehen ; auch die Masern griffen ihn
im achten Jahre heftig an, und beständig litt er an Kopfschmerzen. So blieb
er klein Md schwächlich; seine Wirbelnaht behielt bis zum zwölften Jahre eine
ziemlich große Oeffnung. Erst als er nach Donndorf kam und dort angehalten
wurde, sich abzuhärten, besserte sich sein körperliches Befinden wesentlich; die
Wirbelnaht wuchs zu, und der bis dahin ausfällig kleine Knabe fing tüchtig
zu wachsen an.

Seine geistigen Anlagen entwickelten sich im Gegensatze zum Körper sehr
früh und schnell. Schon im fünften Jahre hörte man von ihm ungewöhnlich
klare Ansichten, selbst über religiöse und gesellschaftliche Verhältnisse. Merk¬
würdig ist, daß er in seinem fünften und sechsten Lebensjahre, aber auch später
uoch, besonders bei wichtigen Ereignissen, eine Stimme gehört haben will, die
ihm zurief: "Denke an den Tod!", doch machte ihn diese Stimme durchaus
nicht ängstlich. Als er seine geliebte Großmutter verlor, hatte er selbst keine
Thränen; das Weinen der andern war ihm unbegreiflich. Zur Natur hatte er
eine ganz besondere Liebe; er foll oft so freudig über sie erregt gewesen sein,
daß er sich auf die Erde warf und sie küßte. Frühzeitig erwachte auch seine
Neigung zur Musik; schon im siebenten Jahre lernte er Clavier spielen und
trieb es mit einer für seinen Vater beunruhigenden Ausdauer; als zehnjähriger
schrieb er die Nächte hindurch Sonaten von Bach, Haydn und Mozart ab, die
ihm sein Vater nicht kaufen wollte. Mit seiner hellen und hohen Sopranstimme



Das Kirchenbuch giebt als Geburtstag den 7, an; dieser Angabe steht aber die noch
vorhandene schriftliche Notiz des Vaters über Krauses Geburt entgegen, die mit den Worte"
beginnt: "Im Jahre 1781 but mir meine liebe Ehefrau Christians Friederika geb. Bvhmiu
den 6. Abends halb 11 Uhr das erste Söhnchen zur Welt gebohren,-----Es hat
den Nahmen Carl Christian Friedrich, in der heiligen Tanffe erhalten." Früher war der
Tauftag wichtiger als der Geburtstag, und da in jener Zeit die Taufe meistens am I, oder
2. Tage nach der Geburt, sehr selten später stattfand, der Tauftng Krauses aber der 9. Mai
war, so ist der Irrthum deS Kirchenbuches leicht erklärlich.

Karl Christian Friedrich Krause wurde den 6. Mai'') 1781 in
Eisenberg, einem freundlichen Städtchen am östlichen AbHange des Thüringer
Waldes, wo sein Vater damals Lehrer war, geboren. Er besuchte hier die
Bürgerschule, mit welcher ein Lyceum verbunden war, von Ostern 1792 bis
Michaelis 1794 die Klosterschule in Donndorf, die sich damals unter der Lei¬
tung August Krafts eines vortrefflichen Rufes erfreute, dann abermals das
Lyceum in Eisenberg und später das Gymnasium zu Altenburg, nachdem sein
Vater Ostern 1795 Pfarrer in Nobiz bei Altenburg geworden war. Seine
körperliche Entwicklung war eine sehr langsame gewesen; er war als Kind viel
trank, und sein Vater — die Mutter starb ihm früh — hielt den schwächlichen
Knaben fast immer im Zimmer. In Folge der Blattern, die ihn im fünften
Jahre befielen, mußte er lange an Krücken gehen ; auch die Masern griffen ihn
im achten Jahre heftig an, und beständig litt er an Kopfschmerzen. So blieb
er klein Md schwächlich; seine Wirbelnaht behielt bis zum zwölften Jahre eine
ziemlich große Oeffnung. Erst als er nach Donndorf kam und dort angehalten
wurde, sich abzuhärten, besserte sich sein körperliches Befinden wesentlich; die
Wirbelnaht wuchs zu, und der bis dahin ausfällig kleine Knabe fing tüchtig
zu wachsen an.

Seine geistigen Anlagen entwickelten sich im Gegensatze zum Körper sehr
früh und schnell. Schon im fünften Jahre hörte man von ihm ungewöhnlich
klare Ansichten, selbst über religiöse und gesellschaftliche Verhältnisse. Merk¬
würdig ist, daß er in seinem fünften und sechsten Lebensjahre, aber auch später
uoch, besonders bei wichtigen Ereignissen, eine Stimme gehört haben will, die
ihm zurief: „Denke an den Tod!", doch machte ihn diese Stimme durchaus
nicht ängstlich. Als er seine geliebte Großmutter verlor, hatte er selbst keine
Thränen; das Weinen der andern war ihm unbegreiflich. Zur Natur hatte er
eine ganz besondere Liebe; er foll oft so freudig über sie erregt gewesen sein,
daß er sich auf die Erde warf und sie küßte. Frühzeitig erwachte auch seine
Neigung zur Musik; schon im siebenten Jahre lernte er Clavier spielen und
trieb es mit einer für seinen Vater beunruhigenden Ausdauer; als zehnjähriger
schrieb er die Nächte hindurch Sonaten von Bach, Haydn und Mozart ab, die
ihm sein Vater nicht kaufen wollte. Mit seiner hellen und hohen Sopranstimme



Das Kirchenbuch giebt als Geburtstag den 7, an; dieser Angabe steht aber die noch
vorhandene schriftliche Notiz des Vaters über Krauses Geburt entgegen, die mit den Worte»
beginnt: „Im Jahre 1781 but mir meine liebe Ehefrau Christians Friederika geb. Bvhmiu
den 6. Abends halb 11 Uhr das erste Söhnchen zur Welt gebohren,-----Es hat
den Nahmen Carl Christian Friedrich, in der heiligen Tanffe erhalten." Früher war der
Tauftag wichtiger als der Geburtstag, und da in jener Zeit die Taufe meistens am I, oder
2. Tage nach der Geburt, sehr selten später stattfand, der Tauftng Krauses aber der 9. Mai
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[0151] Karl Christian Friedrich Krause wurde den 6. Mai'') 1781 in Eisenberg, einem freundlichen Städtchen am östlichen AbHange des Thüringer Waldes, wo sein Vater damals Lehrer war, geboren. Er besuchte hier die Bürgerschule, mit welcher ein Lyceum verbunden war, von Ostern 1792 bis Michaelis 1794 die Klosterschule in Donndorf, die sich damals unter der Lei¬ tung August Krafts eines vortrefflichen Rufes erfreute, dann abermals das Lyceum in Eisenberg und später das Gymnasium zu Altenburg, nachdem sein Vater Ostern 1795 Pfarrer in Nobiz bei Altenburg geworden war. Seine körperliche Entwicklung war eine sehr langsame gewesen; er war als Kind viel trank, und sein Vater — die Mutter starb ihm früh — hielt den schwächlichen Knaben fast immer im Zimmer. In Folge der Blattern, die ihn im fünften Jahre befielen, mußte er lange an Krücken gehen ; auch die Masern griffen ihn im achten Jahre heftig an, und beständig litt er an Kopfschmerzen. So blieb er klein Md schwächlich; seine Wirbelnaht behielt bis zum zwölften Jahre eine ziemlich große Oeffnung. Erst als er nach Donndorf kam und dort angehalten wurde, sich abzuhärten, besserte sich sein körperliches Befinden wesentlich; die Wirbelnaht wuchs zu, und der bis dahin ausfällig kleine Knabe fing tüchtig zu wachsen an. Seine geistigen Anlagen entwickelten sich im Gegensatze zum Körper sehr früh und schnell. Schon im fünften Jahre hörte man von ihm ungewöhnlich klare Ansichten, selbst über religiöse und gesellschaftliche Verhältnisse. Merk¬ würdig ist, daß er in seinem fünften und sechsten Lebensjahre, aber auch später uoch, besonders bei wichtigen Ereignissen, eine Stimme gehört haben will, die ihm zurief: „Denke an den Tod!", doch machte ihn diese Stimme durchaus nicht ängstlich. Als er seine geliebte Großmutter verlor, hatte er selbst keine Thränen; das Weinen der andern war ihm unbegreiflich. Zur Natur hatte er eine ganz besondere Liebe; er foll oft so freudig über sie erregt gewesen sein, daß er sich auf die Erde warf und sie küßte. Frühzeitig erwachte auch seine Neigung zur Musik; schon im siebenten Jahre lernte er Clavier spielen und trieb es mit einer für seinen Vater beunruhigenden Ausdauer; als zehnjähriger schrieb er die Nächte hindurch Sonaten von Bach, Haydn und Mozart ab, die ihm sein Vater nicht kaufen wollte. Mit seiner hellen und hohen Sopranstimme Das Kirchenbuch giebt als Geburtstag den 7, an; dieser Angabe steht aber die noch vorhandene schriftliche Notiz des Vaters über Krauses Geburt entgegen, die mit den Worte» beginnt: „Im Jahre 1781 but mir meine liebe Ehefrau Christians Friederika geb. Bvhmiu den 6. Abends halb 11 Uhr das erste Söhnchen zur Welt gebohren,-----Es hat den Nahmen Carl Christian Friedrich, in der heiligen Tanffe erhalten." Früher war der Tauftag wichtiger als der Geburtstag, und da in jener Zeit die Taufe meistens am I, oder 2. Tage nach der Geburt, sehr selten später stattfand, der Tauftng Krauses aber der 9. Mai war, so ist der Irrthum deS Kirchenbuches leicht erklärlich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/151>, abgerufen am 25.08.2024.