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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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eine der Ursachen, weshalb er so rasch vergessen und ihm kein Monument er¬
richtet worden ist, wofür nach seinein Tode viele schwärmten."

Schneider erzählt aber auch aus seiner eigenen Erfahrung sehr unerfreu¬
liche Beispiele von dieser Falschheit des Mannes, den uns die Demokraten immer
und immer wieder nicht bloß als großen Weisen, sondern auch als trefflichen
Menschen rühmen. Wir haben gesehen, daß Humboldt ihm außerordentlich
freundlich entgegenkam, daß jenem aber die Gunst, die Schneider beim Könige
gewann, und der Umstand, daß er bald regelmäßig bei Hofe erschien und dann
in den Abendgesellschaften die eigentliche Quelle der Unterhaltung war, mit
Mißgunst und Verdruß erfüllten, die allmählich zu bitterem Hasse gegen den
Neuling in dieser bis dahin von ihm beherrschten Sphäre wurden. Schneider
ahnte zuerst nichts davon. Auffallend war ihm allerdings die scharfe und bos¬
hafte Weise, mit welcher er über Personen urtheilte, die sich gleich ihm der
Gunst des Königs erfreuten, aber "ich hatte," so fährt er fort, "wirklich zu
große Ehrfurcht vor der außerordentlichen Erscheinung, als daß ich mich gegen
irgend jemand darüber zu äußern wagte. Gleich das erste Mal, wo er sich
mit solcher Malice, aber auch mit jener leisen Stimme und jener süß und ver¬
bindlich lächelnden Miene über den Geheimen Hofrath Tieck aussprach, stand
ich starr und wußte nicht, ob ich meinen Ohren trauen dürfe. Der König hatte
nämlich zu Potsdam in der Straße am Obelisken gegenüber der Mauerstraße
das ehemalige Wittmeyersche Haus für Tieck zur Wohnung einrichten und des¬
halb mit dem Bildwerk einer lesenden Muse verzieren lassen. Tieck bezog diese
Wohnung nur im Sommer, und als er während des Sommers von 1848 in
Berlin bleiben mußte und es im Hinblick auf die damaligen schwierigen Ver¬
hältnisse in Sanssouci wünschenswert!) erschien, für den Generaladjutanten
v. Rauch eine Wohnung ganz in der Nähe des königlichen Wohnsitzes zu haben,
schrieb der Hofmarschall Graf Keller an Tieck, um anzufragen, ob es sein Be¬
finden gestatte, noch im Herbste nach Potsdam herüberzukommen; wenn nicht,
so sei es wünschenswert!) und nothwendig, daß ein Generaladjutant die Woh¬
nung bezöge. Tieck äußerte sich ablehnend. Ich weiß aber nicht sicher, ob sich
die Sache genau so verhalten hat; denn ich kenne den Hergang nur aus dem
Munde v. Humboldts, und dieser brodirte seine Erzählungen ebenso fesselnd
als, wie ich glaube, absichtslos. Unvergeßlich aber sind mir die Worte, mit
denen er mir die abschlägige Antwort Tiecks mittheilte: ,Was sagen Sie
nur dazu? Schlägt der alte Narr den: Könige das ab. Es ist zwar kein
Vorzug, wenn Sanssouci sich noch mehr mit Generaladjutanten bevölkert;
aber er hätte doch bedenken sollen, daß Se. Majestät sich aus seinen Vor¬
lesungen nichts macht, und daß er die Wohnung nur für ehemalige Verdienste
erhalten hat/"


eine der Ursachen, weshalb er so rasch vergessen und ihm kein Monument er¬
richtet worden ist, wofür nach seinein Tode viele schwärmten."

Schneider erzählt aber auch aus seiner eigenen Erfahrung sehr unerfreu¬
liche Beispiele von dieser Falschheit des Mannes, den uns die Demokraten immer
und immer wieder nicht bloß als großen Weisen, sondern auch als trefflichen
Menschen rühmen. Wir haben gesehen, daß Humboldt ihm außerordentlich
freundlich entgegenkam, daß jenem aber die Gunst, die Schneider beim Könige
gewann, und der Umstand, daß er bald regelmäßig bei Hofe erschien und dann
in den Abendgesellschaften die eigentliche Quelle der Unterhaltung war, mit
Mißgunst und Verdruß erfüllten, die allmählich zu bitterem Hasse gegen den
Neuling in dieser bis dahin von ihm beherrschten Sphäre wurden. Schneider
ahnte zuerst nichts davon. Auffallend war ihm allerdings die scharfe und bos¬
hafte Weise, mit welcher er über Personen urtheilte, die sich gleich ihm der
Gunst des Königs erfreuten, aber „ich hatte," so fährt er fort, „wirklich zu
große Ehrfurcht vor der außerordentlichen Erscheinung, als daß ich mich gegen
irgend jemand darüber zu äußern wagte. Gleich das erste Mal, wo er sich
mit solcher Malice, aber auch mit jener leisen Stimme und jener süß und ver¬
bindlich lächelnden Miene über den Geheimen Hofrath Tieck aussprach, stand
ich starr und wußte nicht, ob ich meinen Ohren trauen dürfe. Der König hatte
nämlich zu Potsdam in der Straße am Obelisken gegenüber der Mauerstraße
das ehemalige Wittmeyersche Haus für Tieck zur Wohnung einrichten und des¬
halb mit dem Bildwerk einer lesenden Muse verzieren lassen. Tieck bezog diese
Wohnung nur im Sommer, und als er während des Sommers von 1848 in
Berlin bleiben mußte und es im Hinblick auf die damaligen schwierigen Ver¬
hältnisse in Sanssouci wünschenswert!) erschien, für den Generaladjutanten
v. Rauch eine Wohnung ganz in der Nähe des königlichen Wohnsitzes zu haben,
schrieb der Hofmarschall Graf Keller an Tieck, um anzufragen, ob es sein Be¬
finden gestatte, noch im Herbste nach Potsdam herüberzukommen; wenn nicht,
so sei es wünschenswert!) und nothwendig, daß ein Generaladjutant die Woh¬
nung bezöge. Tieck äußerte sich ablehnend. Ich weiß aber nicht sicher, ob sich
die Sache genau so verhalten hat; denn ich kenne den Hergang nur aus dem
Munde v. Humboldts, und dieser brodirte seine Erzählungen ebenso fesselnd
als, wie ich glaube, absichtslos. Unvergeßlich aber sind mir die Worte, mit
denen er mir die abschlägige Antwort Tiecks mittheilte: ,Was sagen Sie
nur dazu? Schlägt der alte Narr den: Könige das ab. Es ist zwar kein
Vorzug, wenn Sanssouci sich noch mehr mit Generaladjutanten bevölkert;
aber er hätte doch bedenken sollen, daß Se. Majestät sich aus seinen Vor¬
lesungen nichts macht, und daß er die Wohnung nur für ehemalige Verdienste
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/117>, abgerufen am 25.08.2024.