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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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des Königshauses, dem Begräbniß beizuwohnen kam, erregte kein Aufsehen, wenn
auch seine Anwesenheit, gleichsam als Symbol der vollen Versöhnung zwischen
Oesterreich und Italien, mit Beifall aufgenommen wurde. Desto tieferen Ein¬
druck machte es auf die italienische Nation, daß der Erbe des deutschen Reiches
persönlich gekommen war, seinem Freunde, dem neuen Könige, die Theilnahme
seines kaiserlichen Vaters und des deutschen Volkes zu beweisen. Vom Könige
wie vom Volke mit lebhaften Sympathie-Bezeugungen empfangen, legte er an
der Leiche Victor Emanuels, die inzwischen in der vdawdrs s-räsnw aufgebahrt
war, im Namen des deutschen Kaisers einen goldenen Lorbeerkranz nieder. Kein
religiöses Symbol schmückte den schwarz ausgeschlagenen Trauersaal, kein Priester
wachte bei der Leiche. Dagegen fluthete eine endlose Menge von Personen jedes
Standes, Alters und Geschlechtes -- nicht weniger als 146000 in den paar
Tagen aus und ein, um einen letzten Blick auf die sterbliche Hülle des
verehrten Königs zu werfen.

Das Erbbegräbnis^ der Könige von Sardinien war die Gruftkirche der
Superga, deren Rundbau hoch vom Gipfel der nahen Hügelkette auf ihre alte
Hauptstadt herabschaut. Dorthin sollten auch Victor Emanuels Reste gebracht
werden. Als aber ein römisches Blatt hervorhob, daß der König von Italien
in der Reichshauptstadt ruhen müsse, damit sein Grab dem Vaterlande heiliger
sei und die ganze Nation sich um ihn versäumte, erkannte König Humbert so¬
fort die Richtigkeit des Gedankens und beschloß, trotz des Einspruchs der
Turiner und seiner nächsten Verwandten, die Beisetzung in Rom.

Es gelang, den Papst dahin zu bringen, daß er das Begräbniß im Pan¬
theon bewilligte, trotz des Widerspruches der intransigenten Cardinäle. Dagegen
setzten es die letzteren durch ihre Vorwürfe und Drohungen bei dem todkranken
Greise durch, daß er nur die einfache Einsegnung und Beisetzung ohne alle
weitere kirchliche Feier gestattete und dem Klerus des Pantheons verbot, der
Bittformel: ^.dsolvs, Dowins, animam taiQuIi tut Vietorü, Dinluraslis rs^is
ein ItMg,0 oder rostri hinzuzufügen.

Der Leichenzug, der sich in den Morgenstunden des 17. Januar aus dem
Thore des Quirinals in weitem Bogen auf einem drei italienische Meilen langen
Wege nach dem Pantheon bewegte, war vielleicht die großartigste Schaustellung
dieser Art, welche die Welt gesehen hat. Außer dem Militär, den höchsten
Staatsbehörden und Hofchargen, den fremden Diplomaten, den zur Feier her-
gekommenen Prinzen und Abgesandten der Höfe befanden sich dabei die 2700
Deputationen sämmtlicher Städte der Halbinsel. Nur der Stand, der bei
solcher Feier sonst die erste Rolle spielt, war'einzig durch acht Priester von der
Pfarrkirche des Quirinals in schmutzigen Gewändern vertreten. Daß mau diese
wenigen Priester überhaupt herbeigezogen, war eine Tactlosigkeit der bigotten


des Königshauses, dem Begräbniß beizuwohnen kam, erregte kein Aufsehen, wenn
auch seine Anwesenheit, gleichsam als Symbol der vollen Versöhnung zwischen
Oesterreich und Italien, mit Beifall aufgenommen wurde. Desto tieferen Ein¬
druck machte es auf die italienische Nation, daß der Erbe des deutschen Reiches
persönlich gekommen war, seinem Freunde, dem neuen Könige, die Theilnahme
seines kaiserlichen Vaters und des deutschen Volkes zu beweisen. Vom Könige
wie vom Volke mit lebhaften Sympathie-Bezeugungen empfangen, legte er an
der Leiche Victor Emanuels, die inzwischen in der vdawdrs s-räsnw aufgebahrt
war, im Namen des deutschen Kaisers einen goldenen Lorbeerkranz nieder. Kein
religiöses Symbol schmückte den schwarz ausgeschlagenen Trauersaal, kein Priester
wachte bei der Leiche. Dagegen fluthete eine endlose Menge von Personen jedes
Standes, Alters und Geschlechtes — nicht weniger als 146000 in den paar
Tagen aus und ein, um einen letzten Blick auf die sterbliche Hülle des
verehrten Königs zu werfen.

Das Erbbegräbnis^ der Könige von Sardinien war die Gruftkirche der
Superga, deren Rundbau hoch vom Gipfel der nahen Hügelkette auf ihre alte
Hauptstadt herabschaut. Dorthin sollten auch Victor Emanuels Reste gebracht
werden. Als aber ein römisches Blatt hervorhob, daß der König von Italien
in der Reichshauptstadt ruhen müsse, damit sein Grab dem Vaterlande heiliger
sei und die ganze Nation sich um ihn versäumte, erkannte König Humbert so¬
fort die Richtigkeit des Gedankens und beschloß, trotz des Einspruchs der
Turiner und seiner nächsten Verwandten, die Beisetzung in Rom.

Es gelang, den Papst dahin zu bringen, daß er das Begräbniß im Pan¬
theon bewilligte, trotz des Widerspruches der intransigenten Cardinäle. Dagegen
setzten es die letzteren durch ihre Vorwürfe und Drohungen bei dem todkranken
Greise durch, daß er nur die einfache Einsegnung und Beisetzung ohne alle
weitere kirchliche Feier gestattete und dem Klerus des Pantheons verbot, der
Bittformel: ^.dsolvs, Dowins, animam taiQuIi tut Vietorü, Dinluraslis rs^is
ein ItMg,0 oder rostri hinzuzufügen.

Der Leichenzug, der sich in den Morgenstunden des 17. Januar aus dem
Thore des Quirinals in weitem Bogen auf einem drei italienische Meilen langen
Wege nach dem Pantheon bewegte, war vielleicht die großartigste Schaustellung
dieser Art, welche die Welt gesehen hat. Außer dem Militär, den höchsten
Staatsbehörden und Hofchargen, den fremden Diplomaten, den zur Feier her-
gekommenen Prinzen und Abgesandten der Höfe befanden sich dabei die 2700
Deputationen sämmtlicher Städte der Halbinsel. Nur der Stand, der bei
solcher Feier sonst die erste Rolle spielt, war'einzig durch acht Priester von der
Pfarrkirche des Quirinals in schmutzigen Gewändern vertreten. Daß mau diese
wenigen Priester überhaupt herbeigezogen, war eine Tactlosigkeit der bigotten


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[0106] des Königshauses, dem Begräbniß beizuwohnen kam, erregte kein Aufsehen, wenn auch seine Anwesenheit, gleichsam als Symbol der vollen Versöhnung zwischen Oesterreich und Italien, mit Beifall aufgenommen wurde. Desto tieferen Ein¬ druck machte es auf die italienische Nation, daß der Erbe des deutschen Reiches persönlich gekommen war, seinem Freunde, dem neuen Könige, die Theilnahme seines kaiserlichen Vaters und des deutschen Volkes zu beweisen. Vom Könige wie vom Volke mit lebhaften Sympathie-Bezeugungen empfangen, legte er an der Leiche Victor Emanuels, die inzwischen in der vdawdrs s-räsnw aufgebahrt war, im Namen des deutschen Kaisers einen goldenen Lorbeerkranz nieder. Kein religiöses Symbol schmückte den schwarz ausgeschlagenen Trauersaal, kein Priester wachte bei der Leiche. Dagegen fluthete eine endlose Menge von Personen jedes Standes, Alters und Geschlechtes — nicht weniger als 146000 in den paar Tagen aus und ein, um einen letzten Blick auf die sterbliche Hülle des verehrten Königs zu werfen. Das Erbbegräbnis^ der Könige von Sardinien war die Gruftkirche der Superga, deren Rundbau hoch vom Gipfel der nahen Hügelkette auf ihre alte Hauptstadt herabschaut. Dorthin sollten auch Victor Emanuels Reste gebracht werden. Als aber ein römisches Blatt hervorhob, daß der König von Italien in der Reichshauptstadt ruhen müsse, damit sein Grab dem Vaterlande heiliger sei und die ganze Nation sich um ihn versäumte, erkannte König Humbert so¬ fort die Richtigkeit des Gedankens und beschloß, trotz des Einspruchs der Turiner und seiner nächsten Verwandten, die Beisetzung in Rom. Es gelang, den Papst dahin zu bringen, daß er das Begräbniß im Pan¬ theon bewilligte, trotz des Widerspruches der intransigenten Cardinäle. Dagegen setzten es die letzteren durch ihre Vorwürfe und Drohungen bei dem todkranken Greise durch, daß er nur die einfache Einsegnung und Beisetzung ohne alle weitere kirchliche Feier gestattete und dem Klerus des Pantheons verbot, der Bittformel: ^.dsolvs, Dowins, animam taiQuIi tut Vietorü, Dinluraslis rs^is ein ItMg,0 oder rostri hinzuzufügen. Der Leichenzug, der sich in den Morgenstunden des 17. Januar aus dem Thore des Quirinals in weitem Bogen auf einem drei italienische Meilen langen Wege nach dem Pantheon bewegte, war vielleicht die großartigste Schaustellung dieser Art, welche die Welt gesehen hat. Außer dem Militär, den höchsten Staatsbehörden und Hofchargen, den fremden Diplomaten, den zur Feier her- gekommenen Prinzen und Abgesandten der Höfe befanden sich dabei die 2700 Deputationen sämmtlicher Städte der Halbinsel. Nur der Stand, der bei solcher Feier sonst die erste Rolle spielt, war'einzig durch acht Priester von der Pfarrkirche des Quirinals in schmutzigen Gewändern vertreten. Daß mau diese wenigen Priester überhaupt herbeigezogen, war eine Tactlosigkeit der bigotten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/106>, abgerufen am 23.07.2024.