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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Zum Gedächtniß Victor Gmanuels.
(f den 9. Januar 1878.)
Veto Speyer. von (Schluß.)

Die nationale Einheit Italiens, deren nahe Verwirklichung noch Massimo
d'Azeglio für einen schönen Traum erklärt hatte, war zur vollendeten Thatsache
geworden. Ein in der Weltgeschichte fast unerhörtes Glück hatte die Bestre¬
bungen des italienischen Volkes und seiner Leiter begünstigt. Die Aera der
Revolutionen und Kriege war beendet; der Tempel des Janus blieb für,Italien
bis zum Tode Victor Emanuels geschlossen. Die innere Geschichte dieser sieben
Jahre, die unablässig mit mehr oder weniger Geschick und Erfolg gemachten
Anstrengungen, die äußerlich geeinten Landestheile auch innerlich zu einem ein¬
heitlichen Ganzen zu verschmelzen, die Kämpfe der Parteien, der heimliche oder
offene Krieg mit der unversöhnlichen römischen Curie, die finanziellen Noth¬
stände, das Verhalten des neuen Staates den anderen Mächten und den Europa
in dieser letzten Zeit bewegenden Fragen gegenüber: alles das liegt außerhalb
des Rahmens dieser Skizze. Es genüge, wenn wir hervorheben, daß Victor
Emanuel auch in Friedenszeiten stets nur das Wohl seines Landes im Auge
hatte, daß er ein Vater seines Volkes, daß er vor allem das Muster eines
constitutionellen Königs war. Als im Frühling des Jahres 1876 die von
Anfang an ununterbrochen herrschende Rechte der Kammer -- die bei uns frei¬
lich schon eine Linke sein würde -- eine parlamentarische Niederlage erlitt, be¬
rief er ohne Zögern ein Ministerium, das zum großen Theile ans ehemaligen
Republikanern zusammengesetzt war. Keinem der mehr als hundert Minister,
die Italien von 1860 bis 1878 verbraucht hat, hat er sein Amt schwer gemacht,
seine freie Thätigkeit verkümmert, gegen keinen heimlich intriguirt, mochte er
ihm so bequem und sympathisch sein wie der gewandte und schmiegsame Advocat
Rettazzi oder so unbequem und unsympathisch wie der eiserne Baron Ricasoli.
Massimo d'Azeglio sagte, es sei ein wahres Vergnügen, als Minister mit ihm zu
thun zu haben. Aber man glaube nicht, daß er seine Räthe gleichgiltig hätte schalten
lassen, ohne sich selbst um die Regierungsgeschäfte zu kümmern. "Er läßt uns
gehen," sagte Cavour einst, "und wenn wir uns gehörig hineingeritten haben,
bezeichnet er mit einem Worte den Ausweg, und immer den rechten." (L^ti el
Ig-Lviei. g.Qäg,rs, eng, quanäc" ol siaino thu bsno iindarouZMti, von uns. folg,
xg-roi-i. 6Ali rrovg, 11 bauclolo, s ssillxrs 11 Aiustc".)


Zum Gedächtniß Victor Gmanuels.
(f den 9. Januar 1878.)
Veto Speyer. von (Schluß.)

Die nationale Einheit Italiens, deren nahe Verwirklichung noch Massimo
d'Azeglio für einen schönen Traum erklärt hatte, war zur vollendeten Thatsache
geworden. Ein in der Weltgeschichte fast unerhörtes Glück hatte die Bestre¬
bungen des italienischen Volkes und seiner Leiter begünstigt. Die Aera der
Revolutionen und Kriege war beendet; der Tempel des Janus blieb für,Italien
bis zum Tode Victor Emanuels geschlossen. Die innere Geschichte dieser sieben
Jahre, die unablässig mit mehr oder weniger Geschick und Erfolg gemachten
Anstrengungen, die äußerlich geeinten Landestheile auch innerlich zu einem ein¬
heitlichen Ganzen zu verschmelzen, die Kämpfe der Parteien, der heimliche oder
offene Krieg mit der unversöhnlichen römischen Curie, die finanziellen Noth¬
stände, das Verhalten des neuen Staates den anderen Mächten und den Europa
in dieser letzten Zeit bewegenden Fragen gegenüber: alles das liegt außerhalb
des Rahmens dieser Skizze. Es genüge, wenn wir hervorheben, daß Victor
Emanuel auch in Friedenszeiten stets nur das Wohl seines Landes im Auge
hatte, daß er ein Vater seines Volkes, daß er vor allem das Muster eines
constitutionellen Königs war. Als im Frühling des Jahres 1876 die von
Anfang an ununterbrochen herrschende Rechte der Kammer — die bei uns frei¬
lich schon eine Linke sein würde — eine parlamentarische Niederlage erlitt, be¬
rief er ohne Zögern ein Ministerium, das zum großen Theile ans ehemaligen
Republikanern zusammengesetzt war. Keinem der mehr als hundert Minister,
die Italien von 1860 bis 1878 verbraucht hat, hat er sein Amt schwer gemacht,
seine freie Thätigkeit verkümmert, gegen keinen heimlich intriguirt, mochte er
ihm so bequem und sympathisch sein wie der gewandte und schmiegsame Advocat
Rettazzi oder so unbequem und unsympathisch wie der eiserne Baron Ricasoli.
Massimo d'Azeglio sagte, es sei ein wahres Vergnügen, als Minister mit ihm zu
thun zu haben. Aber man glaube nicht, daß er seine Räthe gleichgiltig hätte schalten
lassen, ohne sich selbst um die Regierungsgeschäfte zu kümmern. „Er läßt uns
gehen," sagte Cavour einst, „und wenn wir uns gehörig hineingeritten haben,
bezeichnet er mit einem Worte den Ausweg, und immer den rechten." (L^ti el
Ig-Lviei. g.Qäg,rs, eng, quanäc» ol siaino thu bsno iindarouZMti, von uns. folg,
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[0102] Zum Gedächtniß Victor Gmanuels. (f den 9. Januar 1878.) Veto Speyer. von (Schluß.) Die nationale Einheit Italiens, deren nahe Verwirklichung noch Massimo d'Azeglio für einen schönen Traum erklärt hatte, war zur vollendeten Thatsache geworden. Ein in der Weltgeschichte fast unerhörtes Glück hatte die Bestre¬ bungen des italienischen Volkes und seiner Leiter begünstigt. Die Aera der Revolutionen und Kriege war beendet; der Tempel des Janus blieb für,Italien bis zum Tode Victor Emanuels geschlossen. Die innere Geschichte dieser sieben Jahre, die unablässig mit mehr oder weniger Geschick und Erfolg gemachten Anstrengungen, die äußerlich geeinten Landestheile auch innerlich zu einem ein¬ heitlichen Ganzen zu verschmelzen, die Kämpfe der Parteien, der heimliche oder offene Krieg mit der unversöhnlichen römischen Curie, die finanziellen Noth¬ stände, das Verhalten des neuen Staates den anderen Mächten und den Europa in dieser letzten Zeit bewegenden Fragen gegenüber: alles das liegt außerhalb des Rahmens dieser Skizze. Es genüge, wenn wir hervorheben, daß Victor Emanuel auch in Friedenszeiten stets nur das Wohl seines Landes im Auge hatte, daß er ein Vater seines Volkes, daß er vor allem das Muster eines constitutionellen Königs war. Als im Frühling des Jahres 1876 die von Anfang an ununterbrochen herrschende Rechte der Kammer — die bei uns frei¬ lich schon eine Linke sein würde — eine parlamentarische Niederlage erlitt, be¬ rief er ohne Zögern ein Ministerium, das zum großen Theile ans ehemaligen Republikanern zusammengesetzt war. Keinem der mehr als hundert Minister, die Italien von 1860 bis 1878 verbraucht hat, hat er sein Amt schwer gemacht, seine freie Thätigkeit verkümmert, gegen keinen heimlich intriguirt, mochte er ihm so bequem und sympathisch sein wie der gewandte und schmiegsame Advocat Rettazzi oder so unbequem und unsympathisch wie der eiserne Baron Ricasoli. Massimo d'Azeglio sagte, es sei ein wahres Vergnügen, als Minister mit ihm zu thun zu haben. Aber man glaube nicht, daß er seine Räthe gleichgiltig hätte schalten lassen, ohne sich selbst um die Regierungsgeschäfte zu kümmern. „Er läßt uns gehen," sagte Cavour einst, „und wenn wir uns gehörig hineingeritten haben, bezeichnet er mit einem Worte den Ausweg, und immer den rechten." (L^ti el Ig-Lviei. g.Qäg,rs, eng, quanäc» ol siaino thu bsno iindarouZMti, von uns. folg, xg-roi-i. 6Ali rrovg, 11 bauclolo, s ssillxrs 11 Aiustc».)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/102>, abgerufen am 03.07.2024.