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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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ihnen angerathen, die Landlords aus dem Lande zu jagen und selbst davon
Besitz zu ergreifen; sie sollen die Steuern verweigern und die Stellung des
Landlords so unerträglich machen, daß er froh ist, seine Güter um irgend welchen
Preis zu verkaufen, in: besten Falle sollen sie so viel vom Pachtzinse zahlen,
wie sie können, und dafür eine Quittung für die ganze Summe verlangen. Beim
nächsten Meeting finden sich die einmal Aufgehetzten um so gewisser wieder ein,
die Unruhen nehmen immer größere Ausdehnung an, bis endlich die Regierung
einschreitet und durch ihre Constabler die Rädelsführer verhaften läßt.

Soweit ist es auch gegenwärtig in Irland gekommen. Aber einmal der
Anführer beraubt, wird die Bewegung viel zu zersplittert und schwankend, als
daß sie irgend etwas Nennenswerthes erzielen könnte. Allerdings werden auch
dies Mal wieder, wie in früheren Fällen, die Pachtzinse von Seiten der Grund¬
herren reducirt und die Beschäftigung der Nothleidenden bei öffentlichen Bauten
ins Werk gesetzt werden. Aber an die Uebertragung des Landes an die Pächter
ist natürlich unter keinen Umständen zu denken. Es wäre auch das größte
Unglück für diese heißblütigen, leichtsinnigen Massen, wenn sie ans irgend eine
Weise in den Besitz ihres Pachtgrundes kämen. Der Jrländer ist nicht für die
Bebauung und Bearbeitung des Bodens geschaffen. Schon jetzt ist seine Ernte,
seine Habe und sein Pacht verpfändet; würde das Land getheilt und jeder
Pächter durch Kauf oder sonstwie zum Besitzer seines Pachtgutes werden, so
würde er auch darin nur ein neues Pfand für den Geldleiher -- den AomdsM,
wAi -- sehen. In wenigen Jahren wäre das Land aus ihren Händen in die
des Kapitalisten übergegangen und der irländische Bauer gerade so arm, wie er
es heute ist. Und selbst wenn der Pächter das Land, das ihm zugefallen,
nicht auf solche Weise abWirthschaften würde, fo wäre es nur ein Unglück für
ihn. Irland ist Irland; je länger ein Bauer hier Land behält, desto schlechter
wird es auch erwiesenermaßen durch die schlechte und nachlässige Bearbeitung,
bis er es endlich wieder an Unterpächter vergiebt.

Während der Aufstand in Irland in höherem oder geringerem Maße
fortdauert, hat die Regierung beschlossen, öffentliche Drainirungsarbeiten, Hafen¬
bauten u. f. w. zu unternehmen, um der hart bedrohten Bevölkerung Subsi-
stenzmittel für den Winter zu verschaffen. Einzelne Landlords nahmen die
Regelung der Mißstände auf ihren Gütern selbst in die Hand und erließen die
Renten theilweise oder ganz, gaben den Pächtern Vorschüsse und tragen ihr
Möglichstes zur Linderung des Nothstandes bei. Für kommende Winter wird
freilich die Regierung und das Parlament daran gehen müssen, den Verhältnissen
auf der "grünen Insel" größere Aufmerksamkeit zu schenken und die Uebelstände
mit stärkerer Hand anzufassen als bisher.




ihnen angerathen, die Landlords aus dem Lande zu jagen und selbst davon
Besitz zu ergreifen; sie sollen die Steuern verweigern und die Stellung des
Landlords so unerträglich machen, daß er froh ist, seine Güter um irgend welchen
Preis zu verkaufen, in: besten Falle sollen sie so viel vom Pachtzinse zahlen,
wie sie können, und dafür eine Quittung für die ganze Summe verlangen. Beim
nächsten Meeting finden sich die einmal Aufgehetzten um so gewisser wieder ein,
die Unruhen nehmen immer größere Ausdehnung an, bis endlich die Regierung
einschreitet und durch ihre Constabler die Rädelsführer verhaften läßt.

Soweit ist es auch gegenwärtig in Irland gekommen. Aber einmal der
Anführer beraubt, wird die Bewegung viel zu zersplittert und schwankend, als
daß sie irgend etwas Nennenswerthes erzielen könnte. Allerdings werden auch
dies Mal wieder, wie in früheren Fällen, die Pachtzinse von Seiten der Grund¬
herren reducirt und die Beschäftigung der Nothleidenden bei öffentlichen Bauten
ins Werk gesetzt werden. Aber an die Uebertragung des Landes an die Pächter
ist natürlich unter keinen Umständen zu denken. Es wäre auch das größte
Unglück für diese heißblütigen, leichtsinnigen Massen, wenn sie ans irgend eine
Weise in den Besitz ihres Pachtgrundes kämen. Der Jrländer ist nicht für die
Bebauung und Bearbeitung des Bodens geschaffen. Schon jetzt ist seine Ernte,
seine Habe und sein Pacht verpfändet; würde das Land getheilt und jeder
Pächter durch Kauf oder sonstwie zum Besitzer seines Pachtgutes werden, so
würde er auch darin nur ein neues Pfand für den Geldleiher — den AomdsM,
wAi — sehen. In wenigen Jahren wäre das Land aus ihren Händen in die
des Kapitalisten übergegangen und der irländische Bauer gerade so arm, wie er
es heute ist. Und selbst wenn der Pächter das Land, das ihm zugefallen,
nicht auf solche Weise abWirthschaften würde, fo wäre es nur ein Unglück für
ihn. Irland ist Irland; je länger ein Bauer hier Land behält, desto schlechter
wird es auch erwiesenermaßen durch die schlechte und nachlässige Bearbeitung,
bis er es endlich wieder an Unterpächter vergiebt.

Während der Aufstand in Irland in höherem oder geringerem Maße
fortdauert, hat die Regierung beschlossen, öffentliche Drainirungsarbeiten, Hafen¬
bauten u. f. w. zu unternehmen, um der hart bedrohten Bevölkerung Subsi-
stenzmittel für den Winter zu verschaffen. Einzelne Landlords nahmen die
Regelung der Mißstände auf ihren Gütern selbst in die Hand und erließen die
Renten theilweise oder ganz, gaben den Pächtern Vorschüsse und tragen ihr
Möglichstes zur Linderung des Nothstandes bei. Für kommende Winter wird
freilich die Regierung und das Parlament daran gehen müssen, den Verhältnissen
auf der „grünen Insel" größere Aufmerksamkeit zu schenken und die Uebelstände
mit stärkerer Hand anzufassen als bisher.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/101>, abgerufen am 23.07.2024.