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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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einen einer zufälligen Mehrheit des Bundesrathes gefügigen anderen Kanzler
zu ersetzen. Nachdem dieser kaiserliche Wille erklärt worden, kann der Bundes¬
rath es nicht ablehnen, seinen Beschluß nochmals zu erwägen, und die bereits
anberaumte Erwägung hat dazu geführt oder wird dazu führen, den Beschluß
vom 3. April aufzuheben.

Was der bald zu erwartende Präsidialantrag behufs Beilegung künftiger
Conflicte ähnlicher Art bringen wird, ist in dem Augenblicke, wo diese Zeilen
geschrieben werden, noch nicht bekannt. Die Hauptlehre, welche aus dem ganzen
Vorgange zu ziehen ist, scheint aber doch die zu sein, daß der Kanzler die Steuer¬
reform als Existenzfrage des Reiches und damit seines eigenen Verbleibens im
Amte behandelt. Auch der Reichstag wird den Quittungsstempel nebst den
übrigen Stempelabgaben nicht ablehnen können, wenn er nicht etwa in der Lage
ist, den von diesen Abgaben erhofften Betrag durch einen anderen Steuervor¬
schlag in Aussicht zu stellen. Daß dasselbe in erhöhtem Maße von der Brau-
steuer gilt, wurde in unserem vorigen Briefe ausgeführt. Die Aussichten des
Stempelgesetzes im Reichstage wurden bis zum 6. April für uoch geringer er¬
achtet, als diejenigen der Brausteuer. Dies wird sich durch die Krisis der
vorigen Woche wohl geändert haben. Man kann annehmen, daß in den Frac-
tionen des Reichstags nunmehr wohl die Erkenntniß deutlich geworden fein
wird, daß die Steuerreform auch die Existenzfrage des jetzigen Reichstags --
oder des Kanzlers ist. Die Modalitäten der jetzt vorgeschlagenen Steuern sind
es freilich nicht, an denen die Steuerreform hängt. Sie hängt aber an der
Aufbringung der zu der Entlastung von den direkten Steuern erforderlichen
Beträge durch irgend welche annehmbare und vom Reichstage dafür erklärte
Formen d ^ er indirekten Besteuerung.




Volkswirthschaftliche Schlagwörter.
cLuno Stommel. von

Mit Recht wird allgemein über die herrschende Unklarheit der Begriffe in
der Volkswirthschaft geklagt. Der Dilettantismus hat sich freilich jederzeit mit
Vorliebe in Wortgefechten bewegt, hat mißglückende Versuche unternommen,
die Art und Weise des Genies nachzuahmen, welches in einzelne Sätze die
Weisheit ganzer Epochen drängt, und ist so dahin gekommen, mehr den Schlag-


einen einer zufälligen Mehrheit des Bundesrathes gefügigen anderen Kanzler
zu ersetzen. Nachdem dieser kaiserliche Wille erklärt worden, kann der Bundes¬
rath es nicht ablehnen, seinen Beschluß nochmals zu erwägen, und die bereits
anberaumte Erwägung hat dazu geführt oder wird dazu führen, den Beschluß
vom 3. April aufzuheben.

Was der bald zu erwartende Präsidialantrag behufs Beilegung künftiger
Conflicte ähnlicher Art bringen wird, ist in dem Augenblicke, wo diese Zeilen
geschrieben werden, noch nicht bekannt. Die Hauptlehre, welche aus dem ganzen
Vorgange zu ziehen ist, scheint aber doch die zu sein, daß der Kanzler die Steuer¬
reform als Existenzfrage des Reiches und damit seines eigenen Verbleibens im
Amte behandelt. Auch der Reichstag wird den Quittungsstempel nebst den
übrigen Stempelabgaben nicht ablehnen können, wenn er nicht etwa in der Lage
ist, den von diesen Abgaben erhofften Betrag durch einen anderen Steuervor¬
schlag in Aussicht zu stellen. Daß dasselbe in erhöhtem Maße von der Brau-
steuer gilt, wurde in unserem vorigen Briefe ausgeführt. Die Aussichten des
Stempelgesetzes im Reichstage wurden bis zum 6. April für uoch geringer er¬
achtet, als diejenigen der Brausteuer. Dies wird sich durch die Krisis der
vorigen Woche wohl geändert haben. Man kann annehmen, daß in den Frac-
tionen des Reichstags nunmehr wohl die Erkenntniß deutlich geworden fein
wird, daß die Steuerreform auch die Existenzfrage des jetzigen Reichstags —
oder des Kanzlers ist. Die Modalitäten der jetzt vorgeschlagenen Steuern sind
es freilich nicht, an denen die Steuerreform hängt. Sie hängt aber an der
Aufbringung der zu der Entlastung von den direkten Steuern erforderlichen
Beträge durch irgend welche annehmbare und vom Reichstage dafür erklärte
Formen d ^ er indirekten Besteuerung.




Volkswirthschaftliche Schlagwörter.
cLuno Stommel. von

Mit Recht wird allgemein über die herrschende Unklarheit der Begriffe in
der Volkswirthschaft geklagt. Der Dilettantismus hat sich freilich jederzeit mit
Vorliebe in Wortgefechten bewegt, hat mißglückende Versuche unternommen,
die Art und Weise des Genies nachzuahmen, welches in einzelne Sätze die
Weisheit ganzer Epochen drängt, und ist so dahin gekommen, mehr den Schlag-


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[0095] einen einer zufälligen Mehrheit des Bundesrathes gefügigen anderen Kanzler zu ersetzen. Nachdem dieser kaiserliche Wille erklärt worden, kann der Bundes¬ rath es nicht ablehnen, seinen Beschluß nochmals zu erwägen, und die bereits anberaumte Erwägung hat dazu geführt oder wird dazu führen, den Beschluß vom 3. April aufzuheben. Was der bald zu erwartende Präsidialantrag behufs Beilegung künftiger Conflicte ähnlicher Art bringen wird, ist in dem Augenblicke, wo diese Zeilen geschrieben werden, noch nicht bekannt. Die Hauptlehre, welche aus dem ganzen Vorgange zu ziehen ist, scheint aber doch die zu sein, daß der Kanzler die Steuer¬ reform als Existenzfrage des Reiches und damit seines eigenen Verbleibens im Amte behandelt. Auch der Reichstag wird den Quittungsstempel nebst den übrigen Stempelabgaben nicht ablehnen können, wenn er nicht etwa in der Lage ist, den von diesen Abgaben erhofften Betrag durch einen anderen Steuervor¬ schlag in Aussicht zu stellen. Daß dasselbe in erhöhtem Maße von der Brau- steuer gilt, wurde in unserem vorigen Briefe ausgeführt. Die Aussichten des Stempelgesetzes im Reichstage wurden bis zum 6. April für uoch geringer er¬ achtet, als diejenigen der Brausteuer. Dies wird sich durch die Krisis der vorigen Woche wohl geändert haben. Man kann annehmen, daß in den Frac- tionen des Reichstags nunmehr wohl die Erkenntniß deutlich geworden fein wird, daß die Steuerreform auch die Existenzfrage des jetzigen Reichstags — oder des Kanzlers ist. Die Modalitäten der jetzt vorgeschlagenen Steuern sind es freilich nicht, an denen die Steuerreform hängt. Sie hängt aber an der Aufbringung der zu der Entlastung von den direkten Steuern erforderlichen Beträge durch irgend welche annehmbare und vom Reichstage dafür erklärte Formen d ^ er indirekten Besteuerung. Volkswirthschaftliche Schlagwörter. cLuno Stommel. von Mit Recht wird allgemein über die herrschende Unklarheit der Begriffe in der Volkswirthschaft geklagt. Der Dilettantismus hat sich freilich jederzeit mit Vorliebe in Wortgefechten bewegt, hat mißglückende Versuche unternommen, die Art und Weise des Genies nachzuahmen, welches in einzelne Sätze die Weisheit ganzer Epochen drängt, und ist so dahin gekommen, mehr den Schlag-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/95>, abgerufen am 03.07.2024.