Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

zum Schlage des Schwertes ausholend, den Schild in der Linken. Der letztere
besonders ist stark ergänzt, die Arbeit" bei beiden Werken eine geringe, die
Richtung auf realistische Darstellung jedoch dieselbe, manche Einzelheiten, wie
die Brustbilduug der Amazone ganz übereinstimmend, während das Raffinement
in der Technik, wie in dem durch das Gewand durchscheinenden Nabel bei der
Amazone, bedeutend zugenommen hat.

So spärlich auch diese Reste sind, so genügen sie doch, um uns die
Gebiete des Empfindens deutlich erkennen zu lassen, aus welche der Künstler
vorzugsweise wirken wollte. Läßt schon der Gegenstand, leidenschaftliche Kämpfe,
heftige Aufregung des Gemüthes erwarten, so zeigen die Reste, mit welchem
Geschick der Meister es verstanden hat, aus diesen Kämpfen die Momente her¬
vorzuheben, welche seinen Absichten am meisten entsprachen: Erschütterung des
Gemüthes durch überraschenden, heftig und unvermeidlich hereinbrechenden Tod,
durch angst- und entsetzenerfüllten Versuch der Abwehr des dennoch unausweich¬
lichen Verderbens, und daneben ergreifende Wehmuth über die langsam, aber
unabänderlich dahin fließende Lebenskraft, die wie ein in der Ferne verklingendes
Echo dahinschwindet und sich dem Tode als dein erlösenden Freunde willig ergiebt,
beides aber mit dem nicht geringen Vermögen gesteigerter Kunstübung und der
durch sie geförderten Kühnheit in der Erfassung und Darstellung des Momentes
zum Ausdruck gebracht. So wird es nicht viele kühnere Conceptionen geben
als den rücklings durch heftigen Stoß unverwundet niedergestürzten Gallier in
Venedig (1), der sich gerade noch auf die rechte Hand stützt und mit der allein
frei bleibenden Linken den tödtlichen Streich des siegreichen Gegners schwerlich
wird abwehren können. Aber auch die beiden andern Gallier (4 u. 5) lassen
das Überwältigende des Augenblicks, das Ueberraschende des Angriffes und
den Ausgang des Kampfes deutlich genug erkennen. Das ganze Entsetzen malt
sich aber in der Haltung des zusammengeduckten Pergmneners (3), besonders in
seinem von Sorge verzerrten Gesicht, das uns den bereits über ihm schwebenden
Todesstreich mit fühlen läßt. Von einem solchen rasch wirkenden Streich getrof¬
fen, der die rüstige Gestalt in heftigem Sturze niederwarf, liegen der Gigant (6),
der griechische Pergamener (9) und die Amazone (7) gleich gefällten Bäumen
da, alle drei die eine Seite im Tode streckend, das Bein der andern Seite wie
im letzten Zucken des Lebens anziehend, eine Aehnlichkeit des Motivs, die sich bei
der großen Zahl der Figuren um so leichter begreift, als diese drei Gestalten
in drei verschiedene Gruppen gehören. Und bei allen dreien liegt der dem
angezogenen Beine entsprechende Arm über dem Kopfe, das Plötzliche des Falles
und des Todes trefflich charakterisirend. Während aber bei der Amazone und
besonders bei dem Jüngling der Kopf sich wie schlafend etwas zur Seite neigt
und dadurch leise das versöhnende Element des Friedens andeutet, ist der Kopf


zum Schlage des Schwertes ausholend, den Schild in der Linken. Der letztere
besonders ist stark ergänzt, die Arbeit" bei beiden Werken eine geringe, die
Richtung auf realistische Darstellung jedoch dieselbe, manche Einzelheiten, wie
die Brustbilduug der Amazone ganz übereinstimmend, während das Raffinement
in der Technik, wie in dem durch das Gewand durchscheinenden Nabel bei der
Amazone, bedeutend zugenommen hat.

So spärlich auch diese Reste sind, so genügen sie doch, um uns die
Gebiete des Empfindens deutlich erkennen zu lassen, aus welche der Künstler
vorzugsweise wirken wollte. Läßt schon der Gegenstand, leidenschaftliche Kämpfe,
heftige Aufregung des Gemüthes erwarten, so zeigen die Reste, mit welchem
Geschick der Meister es verstanden hat, aus diesen Kämpfen die Momente her¬
vorzuheben, welche seinen Absichten am meisten entsprachen: Erschütterung des
Gemüthes durch überraschenden, heftig und unvermeidlich hereinbrechenden Tod,
durch angst- und entsetzenerfüllten Versuch der Abwehr des dennoch unausweich¬
lichen Verderbens, und daneben ergreifende Wehmuth über die langsam, aber
unabänderlich dahin fließende Lebenskraft, die wie ein in der Ferne verklingendes
Echo dahinschwindet und sich dem Tode als dein erlösenden Freunde willig ergiebt,
beides aber mit dem nicht geringen Vermögen gesteigerter Kunstübung und der
durch sie geförderten Kühnheit in der Erfassung und Darstellung des Momentes
zum Ausdruck gebracht. So wird es nicht viele kühnere Conceptionen geben
als den rücklings durch heftigen Stoß unverwundet niedergestürzten Gallier in
Venedig (1), der sich gerade noch auf die rechte Hand stützt und mit der allein
frei bleibenden Linken den tödtlichen Streich des siegreichen Gegners schwerlich
wird abwehren können. Aber auch die beiden andern Gallier (4 u. 5) lassen
das Überwältigende des Augenblicks, das Ueberraschende des Angriffes und
den Ausgang des Kampfes deutlich genug erkennen. Das ganze Entsetzen malt
sich aber in der Haltung des zusammengeduckten Pergmneners (3), besonders in
seinem von Sorge verzerrten Gesicht, das uns den bereits über ihm schwebenden
Todesstreich mit fühlen läßt. Von einem solchen rasch wirkenden Streich getrof¬
fen, der die rüstige Gestalt in heftigem Sturze niederwarf, liegen der Gigant (6),
der griechische Pergamener (9) und die Amazone (7) gleich gefällten Bäumen
da, alle drei die eine Seite im Tode streckend, das Bein der andern Seite wie
im letzten Zucken des Lebens anziehend, eine Aehnlichkeit des Motivs, die sich bei
der großen Zahl der Figuren um so leichter begreift, als diese drei Gestalten
in drei verschiedene Gruppen gehören. Und bei allen dreien liegt der dem
angezogenen Beine entsprechende Arm über dem Kopfe, das Plötzliche des Falles
und des Todes trefflich charakterisirend. Während aber bei der Amazone und
besonders bei dem Jüngling der Kopf sich wie schlafend etwas zur Seite neigt
und dadurch leise das versöhnende Element des Friedens andeutet, ist der Kopf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146583"/>
            <p xml:id="ID_217" prev="#ID_216"> zum Schlage des Schwertes ausholend, den Schild in der Linken. Der letztere<lb/>
besonders ist stark ergänzt, die Arbeit" bei beiden Werken eine geringe, die<lb/>
Richtung auf realistische Darstellung jedoch dieselbe, manche Einzelheiten, wie<lb/>
die Brustbilduug der Amazone ganz übereinstimmend, während das Raffinement<lb/>
in der Technik, wie in dem durch das Gewand durchscheinenden Nabel bei der<lb/>
Amazone, bedeutend zugenommen hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_218" next="#ID_219"> So spärlich auch diese Reste sind, so genügen sie doch, um uns die<lb/>
Gebiete des Empfindens deutlich erkennen zu lassen, aus welche der Künstler<lb/>
vorzugsweise wirken wollte. Läßt schon der Gegenstand, leidenschaftliche Kämpfe,<lb/>
heftige Aufregung des Gemüthes erwarten, so zeigen die Reste, mit welchem<lb/>
Geschick der Meister es verstanden hat, aus diesen Kämpfen die Momente her¬<lb/>
vorzuheben, welche seinen Absichten am meisten entsprachen: Erschütterung des<lb/>
Gemüthes durch überraschenden, heftig und unvermeidlich hereinbrechenden Tod,<lb/>
durch angst- und entsetzenerfüllten Versuch der Abwehr des dennoch unausweich¬<lb/>
lichen Verderbens, und daneben ergreifende Wehmuth über die langsam, aber<lb/>
unabänderlich dahin fließende Lebenskraft, die wie ein in der Ferne verklingendes<lb/>
Echo dahinschwindet und sich dem Tode als dein erlösenden Freunde willig ergiebt,<lb/>
beides aber mit dem nicht geringen Vermögen gesteigerter Kunstübung und der<lb/>
durch sie geförderten Kühnheit in der Erfassung und Darstellung des Momentes<lb/>
zum Ausdruck gebracht. So wird es nicht viele kühnere Conceptionen geben<lb/>
als den rücklings durch heftigen Stoß unverwundet niedergestürzten Gallier in<lb/>
Venedig (1), der sich gerade noch auf die rechte Hand stützt und mit der allein<lb/>
frei bleibenden Linken den tödtlichen Streich des siegreichen Gegners schwerlich<lb/>
wird abwehren können. Aber auch die beiden andern Gallier (4 u. 5) lassen<lb/>
das Überwältigende des Augenblicks, das Ueberraschende des Angriffes und<lb/>
den Ausgang des Kampfes deutlich genug erkennen. Das ganze Entsetzen malt<lb/>
sich aber in der Haltung des zusammengeduckten Pergmneners (3), besonders in<lb/>
seinem von Sorge verzerrten Gesicht, das uns den bereits über ihm schwebenden<lb/>
Todesstreich mit fühlen läßt. Von einem solchen rasch wirkenden Streich getrof¬<lb/>
fen, der die rüstige Gestalt in heftigem Sturze niederwarf, liegen der Gigant (6),<lb/>
der griechische Pergamener (9) und die Amazone (7) gleich gefällten Bäumen<lb/>
da, alle drei die eine Seite im Tode streckend, das Bein der andern Seite wie<lb/>
im letzten Zucken des Lebens anziehend, eine Aehnlichkeit des Motivs, die sich bei<lb/>
der großen Zahl der Figuren um so leichter begreift, als diese drei Gestalten<lb/>
in drei verschiedene Gruppen gehören. Und bei allen dreien liegt der dem<lb/>
angezogenen Beine entsprechende Arm über dem Kopfe, das Plötzliche des Falles<lb/>
und des Todes trefflich charakterisirend. Während aber bei der Amazone und<lb/>
besonders bei dem Jüngling der Kopf sich wie schlafend etwas zur Seite neigt<lb/>
und dadurch leise das versöhnende Element des Friedens andeutet, ist der Kopf</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0078] zum Schlage des Schwertes ausholend, den Schild in der Linken. Der letztere besonders ist stark ergänzt, die Arbeit" bei beiden Werken eine geringe, die Richtung auf realistische Darstellung jedoch dieselbe, manche Einzelheiten, wie die Brustbilduug der Amazone ganz übereinstimmend, während das Raffinement in der Technik, wie in dem durch das Gewand durchscheinenden Nabel bei der Amazone, bedeutend zugenommen hat. So spärlich auch diese Reste sind, so genügen sie doch, um uns die Gebiete des Empfindens deutlich erkennen zu lassen, aus welche der Künstler vorzugsweise wirken wollte. Läßt schon der Gegenstand, leidenschaftliche Kämpfe, heftige Aufregung des Gemüthes erwarten, so zeigen die Reste, mit welchem Geschick der Meister es verstanden hat, aus diesen Kämpfen die Momente her¬ vorzuheben, welche seinen Absichten am meisten entsprachen: Erschütterung des Gemüthes durch überraschenden, heftig und unvermeidlich hereinbrechenden Tod, durch angst- und entsetzenerfüllten Versuch der Abwehr des dennoch unausweich¬ lichen Verderbens, und daneben ergreifende Wehmuth über die langsam, aber unabänderlich dahin fließende Lebenskraft, die wie ein in der Ferne verklingendes Echo dahinschwindet und sich dem Tode als dein erlösenden Freunde willig ergiebt, beides aber mit dem nicht geringen Vermögen gesteigerter Kunstübung und der durch sie geförderten Kühnheit in der Erfassung und Darstellung des Momentes zum Ausdruck gebracht. So wird es nicht viele kühnere Conceptionen geben als den rücklings durch heftigen Stoß unverwundet niedergestürzten Gallier in Venedig (1), der sich gerade noch auf die rechte Hand stützt und mit der allein frei bleibenden Linken den tödtlichen Streich des siegreichen Gegners schwerlich wird abwehren können. Aber auch die beiden andern Gallier (4 u. 5) lassen das Überwältigende des Augenblicks, das Ueberraschende des Angriffes und den Ausgang des Kampfes deutlich genug erkennen. Das ganze Entsetzen malt sich aber in der Haltung des zusammengeduckten Pergmneners (3), besonders in seinem von Sorge verzerrten Gesicht, das uns den bereits über ihm schwebenden Todesstreich mit fühlen läßt. Von einem solchen rasch wirkenden Streich getrof¬ fen, der die rüstige Gestalt in heftigem Sturze niederwarf, liegen der Gigant (6), der griechische Pergamener (9) und die Amazone (7) gleich gefällten Bäumen da, alle drei die eine Seite im Tode streckend, das Bein der andern Seite wie im letzten Zucken des Lebens anziehend, eine Aehnlichkeit des Motivs, die sich bei der großen Zahl der Figuren um so leichter begreift, als diese drei Gestalten in drei verschiedene Gruppen gehören. Und bei allen dreien liegt der dem angezogenen Beine entsprechende Arm über dem Kopfe, das Plötzliche des Falles und des Todes trefflich charakterisirend. Während aber bei der Amazone und besonders bei dem Jüngling der Kopf sich wie schlafend etwas zur Seite neigt und dadurch leise das versöhnende Element des Friedens andeutet, ist der Kopf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/78
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/78>, abgerufen am 22.07.2024.