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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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mit großer Wahrscheinlichkeit am östlichen Theile der südlichen Mauer der Akro-
polis wieder aufgefunden worden ist, setzte sich aus vier Gruppen zusammen,
die in einem leicht erkennbaren Zusammenhange stehen. In Pergamon durfte
Attalos sich allein feiern; in Athen mußte er sich die Berechtigung dazu erst
durch eine Huldigung Athens gleichsam erkaufen. Er that dies durch die Dar¬
stellung der ruhmvollsten Schlacht der Athener im Kampfe gegen die Barbaren,
des Sieges bei Marathon, mit welchem die Athener Griechenland gegenüber
dieselbe Aufgabe erfüllt hatten, die er jetzt im Kampfe gegen die Gallier gelöst
hatte: Schutz der Cultur gegen die Vernichtung durch die Barbaren. Aber
der einfach historische Ruhm genügte nicht. Sollte dieser in das rechte Licht
treten, so mußte ihm ein erhabenes Gegenbild gegenübergestellt werden, dnrch
dessen Gleichsetzung erst das historische Ereigniß in seiner ganzen Bedeutung
hervortreten konnte. Dies war die Besiegung der Amazonen, bei deren Dar¬
stellung wohl Theseus die Hauptrolle gespielt haben mag, so daß ihm, dem
Landesheros, Miltiades und die Seinen als gleichberechtigt, als im Ruhme
ebenbürtig an die Seite traten. Neben diese Doppelgruppe trat nun die zweite,
in welcher zunächst die Gruppe des siegreichen Kampfes der Pergamener gegen
die Gallier den historischen Kern bildete. Auch ihm mußte ein mythisches Gegen¬
bild zu Theil werden, welches den Kampf des Attalos erst in seiner ganzen
Größe und Wichtigkeit erkennen lassen sollte. Und hier wählte der König nichts
Geringeres als den Kampf der Götter gegen die Giganten; waren die barba¬
rischen Gallier wild und furchtbar wie die Giganten, so waren der König und
die Seinen den Göttern gleich und über die Barbaren erhaben wie die Himmli¬
schen über die aufrührerischen Riesen.

Auch die ältere griechische Kunst hat solche mythische Darstellungen als
Gegenbilder oder die Hereinziehung der Gottheiten in die historische Welt ge¬
kannt. So waren in dem Weihgeschenk der Phoker in Delphi die Heroen
ihres Landes mit den siegreichen Feldherren zusammengestellt, in dem maratho¬
nischen Siegesdenkmal des Phidias Athene und Apollon mit Miltiades vereint,
zu welchen noch die Heroen des Landes traten. Und als die Aegineten den
Ruhm verewigen wollten, der ihnen bei der Abwehr der Perser von Griechen¬
land besonders in der Schlacht bei Salamis zu Theil geworden war, da stellten
sie in die Giebel ihres Tempels Telamon und Aias, "Aeginas starke Horte",
wie sie einen gefallenen Gefährten gegen die Barbaren vertheidigten und diese
zurückschlugen. Zu ihnen aber trat schützend Pallas Athene. Der Grundge¬
danke ist hier offenbar überall der der frommen Erkenntniß, daß die gefeierten
Großthaten nur durch Hilfe der Gottheit, nicht durch Menschenhand allein ge¬
schehen sind, daß deshalb die Menschen bescheiden neben den höheren Mächten


mit großer Wahrscheinlichkeit am östlichen Theile der südlichen Mauer der Akro-
polis wieder aufgefunden worden ist, setzte sich aus vier Gruppen zusammen,
die in einem leicht erkennbaren Zusammenhange stehen. In Pergamon durfte
Attalos sich allein feiern; in Athen mußte er sich die Berechtigung dazu erst
durch eine Huldigung Athens gleichsam erkaufen. Er that dies durch die Dar¬
stellung der ruhmvollsten Schlacht der Athener im Kampfe gegen die Barbaren,
des Sieges bei Marathon, mit welchem die Athener Griechenland gegenüber
dieselbe Aufgabe erfüllt hatten, die er jetzt im Kampfe gegen die Gallier gelöst
hatte: Schutz der Cultur gegen die Vernichtung durch die Barbaren. Aber
der einfach historische Ruhm genügte nicht. Sollte dieser in das rechte Licht
treten, so mußte ihm ein erhabenes Gegenbild gegenübergestellt werden, dnrch
dessen Gleichsetzung erst das historische Ereigniß in seiner ganzen Bedeutung
hervortreten konnte. Dies war die Besiegung der Amazonen, bei deren Dar¬
stellung wohl Theseus die Hauptrolle gespielt haben mag, so daß ihm, dem
Landesheros, Miltiades und die Seinen als gleichberechtigt, als im Ruhme
ebenbürtig an die Seite traten. Neben diese Doppelgruppe trat nun die zweite,
in welcher zunächst die Gruppe des siegreichen Kampfes der Pergamener gegen
die Gallier den historischen Kern bildete. Auch ihm mußte ein mythisches Gegen¬
bild zu Theil werden, welches den Kampf des Attalos erst in seiner ganzen
Größe und Wichtigkeit erkennen lassen sollte. Und hier wählte der König nichts
Geringeres als den Kampf der Götter gegen die Giganten; waren die barba¬
rischen Gallier wild und furchtbar wie die Giganten, so waren der König und
die Seinen den Göttern gleich und über die Barbaren erhaben wie die Himmli¬
schen über die aufrührerischen Riesen.

Auch die ältere griechische Kunst hat solche mythische Darstellungen als
Gegenbilder oder die Hereinziehung der Gottheiten in die historische Welt ge¬
kannt. So waren in dem Weihgeschenk der Phoker in Delphi die Heroen
ihres Landes mit den siegreichen Feldherren zusammengestellt, in dem maratho¬
nischen Siegesdenkmal des Phidias Athene und Apollon mit Miltiades vereint,
zu welchen noch die Heroen des Landes traten. Und als die Aegineten den
Ruhm verewigen wollten, der ihnen bei der Abwehr der Perser von Griechen¬
land besonders in der Schlacht bei Salamis zu Theil geworden war, da stellten
sie in die Giebel ihres Tempels Telamon und Aias, „Aeginas starke Horte",
wie sie einen gefallenen Gefährten gegen die Barbaren vertheidigten und diese
zurückschlugen. Zu ihnen aber trat schützend Pallas Athene. Der Grundge¬
danke ist hier offenbar überall der der frommen Erkenntniß, daß die gefeierten
Großthaten nur durch Hilfe der Gottheit, nicht durch Menschenhand allein ge¬
schehen sind, daß deshalb die Menschen bescheiden neben den höheren Mächten


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[0073] mit großer Wahrscheinlichkeit am östlichen Theile der südlichen Mauer der Akro- polis wieder aufgefunden worden ist, setzte sich aus vier Gruppen zusammen, die in einem leicht erkennbaren Zusammenhange stehen. In Pergamon durfte Attalos sich allein feiern; in Athen mußte er sich die Berechtigung dazu erst durch eine Huldigung Athens gleichsam erkaufen. Er that dies durch die Dar¬ stellung der ruhmvollsten Schlacht der Athener im Kampfe gegen die Barbaren, des Sieges bei Marathon, mit welchem die Athener Griechenland gegenüber dieselbe Aufgabe erfüllt hatten, die er jetzt im Kampfe gegen die Gallier gelöst hatte: Schutz der Cultur gegen die Vernichtung durch die Barbaren. Aber der einfach historische Ruhm genügte nicht. Sollte dieser in das rechte Licht treten, so mußte ihm ein erhabenes Gegenbild gegenübergestellt werden, dnrch dessen Gleichsetzung erst das historische Ereigniß in seiner ganzen Bedeutung hervortreten konnte. Dies war die Besiegung der Amazonen, bei deren Dar¬ stellung wohl Theseus die Hauptrolle gespielt haben mag, so daß ihm, dem Landesheros, Miltiades und die Seinen als gleichberechtigt, als im Ruhme ebenbürtig an die Seite traten. Neben diese Doppelgruppe trat nun die zweite, in welcher zunächst die Gruppe des siegreichen Kampfes der Pergamener gegen die Gallier den historischen Kern bildete. Auch ihm mußte ein mythisches Gegen¬ bild zu Theil werden, welches den Kampf des Attalos erst in seiner ganzen Größe und Wichtigkeit erkennen lassen sollte. Und hier wählte der König nichts Geringeres als den Kampf der Götter gegen die Giganten; waren die barba¬ rischen Gallier wild und furchtbar wie die Giganten, so waren der König und die Seinen den Göttern gleich und über die Barbaren erhaben wie die Himmli¬ schen über die aufrührerischen Riesen. Auch die ältere griechische Kunst hat solche mythische Darstellungen als Gegenbilder oder die Hereinziehung der Gottheiten in die historische Welt ge¬ kannt. So waren in dem Weihgeschenk der Phoker in Delphi die Heroen ihres Landes mit den siegreichen Feldherren zusammengestellt, in dem maratho¬ nischen Siegesdenkmal des Phidias Athene und Apollon mit Miltiades vereint, zu welchen noch die Heroen des Landes traten. Und als die Aegineten den Ruhm verewigen wollten, der ihnen bei der Abwehr der Perser von Griechen¬ land besonders in der Schlacht bei Salamis zu Theil geworden war, da stellten sie in die Giebel ihres Tempels Telamon und Aias, „Aeginas starke Horte", wie sie einen gefallenen Gefährten gegen die Barbaren vertheidigten und diese zurückschlugen. Zu ihnen aber trat schützend Pallas Athene. Der Grundge¬ danke ist hier offenbar überall der der frommen Erkenntniß, daß die gefeierten Großthaten nur durch Hilfe der Gottheit, nicht durch Menschenhand allein ge¬ schehen sind, daß deshalb die Menschen bescheiden neben den höheren Mächten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/73>, abgerufen am 22.07.2024.