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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Gegenwärtig handelt es sich um verschiedene Linien, die, je nach dem
Standpunkte, den man einnehmen kann, bald weiter nördlich, bald südlicher als
Grenze gezogen werden können, und die deshalb sich auf den Karten angegeben
finden, welche den Mitgliedern der Conferenz vorliegen. Die nördlichste der¬
selben geht von einem Punkte an der westlichen Küste von Albanien, der etwa
fünf deutsche Meilen nördlich von der Insel Korfu liegt, aus, wendet sich in
ziemlich genau östlicher Richtung, biegt etwa in der Mitte zwischen den beiden
Meeren nach Süden ab und strebt dann wieder eine Strecke nach Norden, von
wo sie in südöstlicher Richtung auf Salonik zuläuft. Sie bezeichnet nach Kiepert
den Theil von Epirus und Thessalien, wo 1878 die griechische Sprache vor¬
herrschte. Die von Griechenland im October 1879 beanspruchte neue Grenze
kommt dieser Linie im Westen ziemlich nahe, sie beginnt ebenfalls nördlich von Korfu,
fällt weiter östlich mit dem Viosa-Flusse zusammen und endigt im äußersten
Osten des Landes an der Malathria, wobei sie von Westen nach Osten die
Städte Janina, Metsowo, Trikola und Larissa für Griechenland abschneidet.
Die Grenze, welche die Türken damals gewähren wollten, begann östlich von
Arka, endigte, nachdem sie erst nördlich, dann südöstlich gelaufen, im Süden
von Volo und ließ jene Städte bei der Pforte. Später wollte letztere eine
Linie zugestehen, die im Westen mit dem Kalanas-Flusse (etwa der Stadt Korfu
gegenüber) begann, bis in die Mitte des Landes ungefähr östlich lief, dann tief
nach Südost einbog und, zuletzt wieder nach Nordosten strebend, nordwärts von
Volo die Küste erreichte.

Wollte man eine Grenzlinie schaffen, welche in Epirus und Thessalien nur
rein griechische Landstriche dem hellenischen Staate einzuverleiben bestimmt wäre,
so würde dieselbe ein fast um die Hälfte kleineres Gebiet zu umfassen haben,
als die Griechen von Anbeginn verlangten. Durch die Hineinziehung von
Janina und die Tracirung der Grenze längs des Kalamas und des Salambria
würde nämlich Griechenland außer 295000 Griechen ungefähr 73000 Nicht-
griechen (Zinzaren oder Wlachen, Albanesen und Türken) erhalten. Will man
von den Zinzaren absehen, welche den Pindus in seiner ganzen Ausdehnung
bis an die gegenwärtige griechische Grenze bewohnen, so müßte eine Grenzlinie,
welche nur rein griechische Gegenden als neue Territorial - Erwerbungen des
Königreichs umschlösse, wie folgt, verlaufen: Von Prevesa durch das Luro-
Thal aufwärts bis zur Wurzel des letzteren, einem Punkt fünf deutsche Meilen
südlich von Janina, welches letztere allerdings größtentheils von Griechen be¬
wohnt, aber von albanesischen Sprachgebiet umgeben ist. Dort, am Ende des
Luro-Thals, biegt die Linie östlich ab, schneidet bei Kalarytes das obere Arla-
Thal und setzt über den Pindus in schnurgerader Richtung gegen Trikala.
Von hier folgt sie vier bis fünf Meilen dem Laufe des Salambria, geht dann in


Gegenwärtig handelt es sich um verschiedene Linien, die, je nach dem
Standpunkte, den man einnehmen kann, bald weiter nördlich, bald südlicher als
Grenze gezogen werden können, und die deshalb sich auf den Karten angegeben
finden, welche den Mitgliedern der Conferenz vorliegen. Die nördlichste der¬
selben geht von einem Punkte an der westlichen Küste von Albanien, der etwa
fünf deutsche Meilen nördlich von der Insel Korfu liegt, aus, wendet sich in
ziemlich genau östlicher Richtung, biegt etwa in der Mitte zwischen den beiden
Meeren nach Süden ab und strebt dann wieder eine Strecke nach Norden, von
wo sie in südöstlicher Richtung auf Salonik zuläuft. Sie bezeichnet nach Kiepert
den Theil von Epirus und Thessalien, wo 1878 die griechische Sprache vor¬
herrschte. Die von Griechenland im October 1879 beanspruchte neue Grenze
kommt dieser Linie im Westen ziemlich nahe, sie beginnt ebenfalls nördlich von Korfu,
fällt weiter östlich mit dem Viosa-Flusse zusammen und endigt im äußersten
Osten des Landes an der Malathria, wobei sie von Westen nach Osten die
Städte Janina, Metsowo, Trikola und Larissa für Griechenland abschneidet.
Die Grenze, welche die Türken damals gewähren wollten, begann östlich von
Arka, endigte, nachdem sie erst nördlich, dann südöstlich gelaufen, im Süden
von Volo und ließ jene Städte bei der Pforte. Später wollte letztere eine
Linie zugestehen, die im Westen mit dem Kalanas-Flusse (etwa der Stadt Korfu
gegenüber) begann, bis in die Mitte des Landes ungefähr östlich lief, dann tief
nach Südost einbog und, zuletzt wieder nach Nordosten strebend, nordwärts von
Volo die Küste erreichte.

Wollte man eine Grenzlinie schaffen, welche in Epirus und Thessalien nur
rein griechische Landstriche dem hellenischen Staate einzuverleiben bestimmt wäre,
so würde dieselbe ein fast um die Hälfte kleineres Gebiet zu umfassen haben,
als die Griechen von Anbeginn verlangten. Durch die Hineinziehung von
Janina und die Tracirung der Grenze längs des Kalamas und des Salambria
würde nämlich Griechenland außer 295000 Griechen ungefähr 73000 Nicht-
griechen (Zinzaren oder Wlachen, Albanesen und Türken) erhalten. Will man
von den Zinzaren absehen, welche den Pindus in seiner ganzen Ausdehnung
bis an die gegenwärtige griechische Grenze bewohnen, so müßte eine Grenzlinie,
welche nur rein griechische Gegenden als neue Territorial - Erwerbungen des
Königreichs umschlösse, wie folgt, verlaufen: Von Prevesa durch das Luro-
Thal aufwärts bis zur Wurzel des letzteren, einem Punkt fünf deutsche Meilen
südlich von Janina, welches letztere allerdings größtentheils von Griechen be¬
wohnt, aber von albanesischen Sprachgebiet umgeben ist. Dort, am Ende des
Luro-Thals, biegt die Linie östlich ab, schneidet bei Kalarytes das obere Arla-
Thal und setzt über den Pindus in schnurgerader Richtung gegen Trikala.
Von hier folgt sie vier bis fünf Meilen dem Laufe des Salambria, geht dann in


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[0574] Gegenwärtig handelt es sich um verschiedene Linien, die, je nach dem Standpunkte, den man einnehmen kann, bald weiter nördlich, bald südlicher als Grenze gezogen werden können, und die deshalb sich auf den Karten angegeben finden, welche den Mitgliedern der Conferenz vorliegen. Die nördlichste der¬ selben geht von einem Punkte an der westlichen Küste von Albanien, der etwa fünf deutsche Meilen nördlich von der Insel Korfu liegt, aus, wendet sich in ziemlich genau östlicher Richtung, biegt etwa in der Mitte zwischen den beiden Meeren nach Süden ab und strebt dann wieder eine Strecke nach Norden, von wo sie in südöstlicher Richtung auf Salonik zuläuft. Sie bezeichnet nach Kiepert den Theil von Epirus und Thessalien, wo 1878 die griechische Sprache vor¬ herrschte. Die von Griechenland im October 1879 beanspruchte neue Grenze kommt dieser Linie im Westen ziemlich nahe, sie beginnt ebenfalls nördlich von Korfu, fällt weiter östlich mit dem Viosa-Flusse zusammen und endigt im äußersten Osten des Landes an der Malathria, wobei sie von Westen nach Osten die Städte Janina, Metsowo, Trikola und Larissa für Griechenland abschneidet. Die Grenze, welche die Türken damals gewähren wollten, begann östlich von Arka, endigte, nachdem sie erst nördlich, dann südöstlich gelaufen, im Süden von Volo und ließ jene Städte bei der Pforte. Später wollte letztere eine Linie zugestehen, die im Westen mit dem Kalanas-Flusse (etwa der Stadt Korfu gegenüber) begann, bis in die Mitte des Landes ungefähr östlich lief, dann tief nach Südost einbog und, zuletzt wieder nach Nordosten strebend, nordwärts von Volo die Küste erreichte. Wollte man eine Grenzlinie schaffen, welche in Epirus und Thessalien nur rein griechische Landstriche dem hellenischen Staate einzuverleiben bestimmt wäre, so würde dieselbe ein fast um die Hälfte kleineres Gebiet zu umfassen haben, als die Griechen von Anbeginn verlangten. Durch die Hineinziehung von Janina und die Tracirung der Grenze längs des Kalamas und des Salambria würde nämlich Griechenland außer 295000 Griechen ungefähr 73000 Nicht- griechen (Zinzaren oder Wlachen, Albanesen und Türken) erhalten. Will man von den Zinzaren absehen, welche den Pindus in seiner ganzen Ausdehnung bis an die gegenwärtige griechische Grenze bewohnen, so müßte eine Grenzlinie, welche nur rein griechische Gegenden als neue Territorial - Erwerbungen des Königreichs umschlösse, wie folgt, verlaufen: Von Prevesa durch das Luro- Thal aufwärts bis zur Wurzel des letzteren, einem Punkt fünf deutsche Meilen südlich von Janina, welches letztere allerdings größtentheils von Griechen be¬ wohnt, aber von albanesischen Sprachgebiet umgeben ist. Dort, am Ende des Luro-Thals, biegt die Linie östlich ab, schneidet bei Kalarytes das obere Arla- Thal und setzt über den Pindus in schnurgerader Richtung gegen Trikala. Von hier folgt sie vier bis fünf Meilen dem Laufe des Salambria, geht dann in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/574>, abgerufen am 22.07.2024.