Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

heit ihre Beschlüsse fassen. Die Pforte und Griechenland sind vertreten, haben
aber kein Votum, sondern nehmen an den Verhandlungen nur mit berathender
Stimme theil. Der Gang wird der sein, daß man sich zunächst principiell ver¬
ständigt, dann zur Feststellung der geeignetsten Grenze eine Untersuchungscom¬
mission, gebildet aus Technikern, nach denjenigen Strichen Südalbaniens und
Thessaliens absendet, um welche sichs handelt, und schließlich nach deren Bericht
die Entscheidung trifft. Zweck der ganzen Procedur ist, den 24. Artikel des
Berliner Vertrags, dessen Verwirklichung bisher von der Türkei vereitelt worden
ist, der Ausführung zu nähern. Eine weitere Aufgabe hat die Conferenz nicht.
Sollte es der einen oder der anderen Macht wünschenswert!) erscheinen, auf
gleichem Wege eine andere derjenigen Bestimmungen des Berliner Congresses,
die noch der Ausführung ermangeln, zur Besprechung und schließlichen Erledi¬
gung zu bringen, so würde es dazu einer neuen vorherigen Verständigung der
Mächte über die Opportnnitätsfrage und der Einladung zu einer neuen Con¬
ferenz oder zur Fortsetzung der jetzt lagerten bedürfen, und diese Verständigung
würde nicht so leicht sein, wie die, welche die jetzige Conferenz ermöglichte.
Wenigstens würde die Anregung von Fragen, die sich auf die Balkanländer be¬
ziehen, vermuthlich auf den Widerspruch Oesterreich-Ungarns stoßen, dem sich
Deutschland anschließen würde. Dagegen wird eine Uebereinstimmung der
stimmberechtigten Mächte in der jetzt auf die Tagesordnung gebrachten Ange¬
legenheit keinen wesentlichen Schwierigkeiten begegnen, ja wir dürfen sie bereits
als gesichert betrachten.

Schon das vorige englische Cabinet machte den Vorschlag zur Erledigung
der Sache. In einer Depesche des Ministers Salisburh an den früheren briti¬
schen Botschafter in Konstantinopel heißt es: "Da es den Regierungen der
Türkei und Griechenlands augenscheinlich nicht gelungen ist, die durch den 24.
Artikel des Berliner Vertrags vorgesehene Grenzberichtignng durch directe Ver¬
ständigung herbeizuführen, so ist Ihrer Majestät Regierung bereit, sich den an¬
deren in jenem Artikel erwähnten Mächten anzuschließen, um ihre Vermittlung
zum Behuf der Erleichterung der Unterhandlungen anzubieten- Um die genaue
von den Mächten zu empfehlende Grenze zu bestimmen, schlägt Ihrer Majestät
Regierung vor, eine Abgrenzungs - Commission zu ernennen, welche, von den
Signatar-Mächten niedergesetzt, an Ort und Stelle die Linie studire und fest¬
stelle, welche am geeignetsten wäre, die neue Grenze zwischen der Türkei und
Griechenland zu bilden. Die Commissäre würden als Grundlage ihrer Be¬
rathungen das 13. Protocoll des Berliner Congresses annehmen und, ohne an
die in dem Protocoll gegebenen allgemeinen geographischen Andeutungen gebun¬
den zu sein, den Auftrag erhalten, getreulich im Sinne der Politik zu handeln,
welche durch die Bevollmächtigte:? in jener Congreß-Sitzung zum Ausdruck ge-


heit ihre Beschlüsse fassen. Die Pforte und Griechenland sind vertreten, haben
aber kein Votum, sondern nehmen an den Verhandlungen nur mit berathender
Stimme theil. Der Gang wird der sein, daß man sich zunächst principiell ver¬
ständigt, dann zur Feststellung der geeignetsten Grenze eine Untersuchungscom¬
mission, gebildet aus Technikern, nach denjenigen Strichen Südalbaniens und
Thessaliens absendet, um welche sichs handelt, und schließlich nach deren Bericht
die Entscheidung trifft. Zweck der ganzen Procedur ist, den 24. Artikel des
Berliner Vertrags, dessen Verwirklichung bisher von der Türkei vereitelt worden
ist, der Ausführung zu nähern. Eine weitere Aufgabe hat die Conferenz nicht.
Sollte es der einen oder der anderen Macht wünschenswert!) erscheinen, auf
gleichem Wege eine andere derjenigen Bestimmungen des Berliner Congresses,
die noch der Ausführung ermangeln, zur Besprechung und schließlichen Erledi¬
gung zu bringen, so würde es dazu einer neuen vorherigen Verständigung der
Mächte über die Opportnnitätsfrage und der Einladung zu einer neuen Con¬
ferenz oder zur Fortsetzung der jetzt lagerten bedürfen, und diese Verständigung
würde nicht so leicht sein, wie die, welche die jetzige Conferenz ermöglichte.
Wenigstens würde die Anregung von Fragen, die sich auf die Balkanländer be¬
ziehen, vermuthlich auf den Widerspruch Oesterreich-Ungarns stoßen, dem sich
Deutschland anschließen würde. Dagegen wird eine Uebereinstimmung der
stimmberechtigten Mächte in der jetzt auf die Tagesordnung gebrachten Ange¬
legenheit keinen wesentlichen Schwierigkeiten begegnen, ja wir dürfen sie bereits
als gesichert betrachten.

Schon das vorige englische Cabinet machte den Vorschlag zur Erledigung
der Sache. In einer Depesche des Ministers Salisburh an den früheren briti¬
schen Botschafter in Konstantinopel heißt es: „Da es den Regierungen der
Türkei und Griechenlands augenscheinlich nicht gelungen ist, die durch den 24.
Artikel des Berliner Vertrags vorgesehene Grenzberichtignng durch directe Ver¬
ständigung herbeizuführen, so ist Ihrer Majestät Regierung bereit, sich den an¬
deren in jenem Artikel erwähnten Mächten anzuschließen, um ihre Vermittlung
zum Behuf der Erleichterung der Unterhandlungen anzubieten- Um die genaue
von den Mächten zu empfehlende Grenze zu bestimmen, schlägt Ihrer Majestät
Regierung vor, eine Abgrenzungs - Commission zu ernennen, welche, von den
Signatar-Mächten niedergesetzt, an Ort und Stelle die Linie studire und fest¬
stelle, welche am geeignetsten wäre, die neue Grenze zwischen der Türkei und
Griechenland zu bilden. Die Commissäre würden als Grundlage ihrer Be¬
rathungen das 13. Protocoll des Berliner Congresses annehmen und, ohne an
die in dem Protocoll gegebenen allgemeinen geographischen Andeutungen gebun¬
den zu sein, den Auftrag erhalten, getreulich im Sinne der Politik zu handeln,
welche durch die Bevollmächtigte:? in jener Congreß-Sitzung zum Ausdruck ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0568" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147073"/>
          <p xml:id="ID_1631" prev="#ID_1630"> heit ihre Beschlüsse fassen. Die Pforte und Griechenland sind vertreten, haben<lb/>
aber kein Votum, sondern nehmen an den Verhandlungen nur mit berathender<lb/>
Stimme theil. Der Gang wird der sein, daß man sich zunächst principiell ver¬<lb/>
ständigt, dann zur Feststellung der geeignetsten Grenze eine Untersuchungscom¬<lb/>
mission, gebildet aus Technikern, nach denjenigen Strichen Südalbaniens und<lb/>
Thessaliens absendet, um welche sichs handelt, und schließlich nach deren Bericht<lb/>
die Entscheidung trifft. Zweck der ganzen Procedur ist, den 24. Artikel des<lb/>
Berliner Vertrags, dessen Verwirklichung bisher von der Türkei vereitelt worden<lb/>
ist, der Ausführung zu nähern. Eine weitere Aufgabe hat die Conferenz nicht.<lb/>
Sollte es der einen oder der anderen Macht wünschenswert!) erscheinen, auf<lb/>
gleichem Wege eine andere derjenigen Bestimmungen des Berliner Congresses,<lb/>
die noch der Ausführung ermangeln, zur Besprechung und schließlichen Erledi¬<lb/>
gung zu bringen, so würde es dazu einer neuen vorherigen Verständigung der<lb/>
Mächte über die Opportnnitätsfrage und der Einladung zu einer neuen Con¬<lb/>
ferenz oder zur Fortsetzung der jetzt lagerten bedürfen, und diese Verständigung<lb/>
würde nicht so leicht sein, wie die, welche die jetzige Conferenz ermöglichte.<lb/>
Wenigstens würde die Anregung von Fragen, die sich auf die Balkanländer be¬<lb/>
ziehen, vermuthlich auf den Widerspruch Oesterreich-Ungarns stoßen, dem sich<lb/>
Deutschland anschließen würde. Dagegen wird eine Uebereinstimmung der<lb/>
stimmberechtigten Mächte in der jetzt auf die Tagesordnung gebrachten Ange¬<lb/>
legenheit keinen wesentlichen Schwierigkeiten begegnen, ja wir dürfen sie bereits<lb/>
als gesichert betrachten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1632" next="#ID_1633"> Schon das vorige englische Cabinet machte den Vorschlag zur Erledigung<lb/>
der Sache. In einer Depesche des Ministers Salisburh an den früheren briti¬<lb/>
schen Botschafter in Konstantinopel heißt es: &#x201E;Da es den Regierungen der<lb/>
Türkei und Griechenlands augenscheinlich nicht gelungen ist, die durch den 24.<lb/>
Artikel des Berliner Vertrags vorgesehene Grenzberichtignng durch directe Ver¬<lb/>
ständigung herbeizuführen, so ist Ihrer Majestät Regierung bereit, sich den an¬<lb/>
deren in jenem Artikel erwähnten Mächten anzuschließen, um ihre Vermittlung<lb/>
zum Behuf der Erleichterung der Unterhandlungen anzubieten- Um die genaue<lb/>
von den Mächten zu empfehlende Grenze zu bestimmen, schlägt Ihrer Majestät<lb/>
Regierung vor, eine Abgrenzungs - Commission zu ernennen, welche, von den<lb/>
Signatar-Mächten niedergesetzt, an Ort und Stelle die Linie studire und fest¬<lb/>
stelle, welche am geeignetsten wäre, die neue Grenze zwischen der Türkei und<lb/>
Griechenland zu bilden. Die Commissäre würden als Grundlage ihrer Be¬<lb/>
rathungen das 13. Protocoll des Berliner Congresses annehmen und, ohne an<lb/>
die in dem Protocoll gegebenen allgemeinen geographischen Andeutungen gebun¬<lb/>
den zu sein, den Auftrag erhalten, getreulich im Sinne der Politik zu handeln,<lb/>
welche durch die Bevollmächtigte:? in jener Congreß-Sitzung zum Ausdruck ge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0568] heit ihre Beschlüsse fassen. Die Pforte und Griechenland sind vertreten, haben aber kein Votum, sondern nehmen an den Verhandlungen nur mit berathender Stimme theil. Der Gang wird der sein, daß man sich zunächst principiell ver¬ ständigt, dann zur Feststellung der geeignetsten Grenze eine Untersuchungscom¬ mission, gebildet aus Technikern, nach denjenigen Strichen Südalbaniens und Thessaliens absendet, um welche sichs handelt, und schließlich nach deren Bericht die Entscheidung trifft. Zweck der ganzen Procedur ist, den 24. Artikel des Berliner Vertrags, dessen Verwirklichung bisher von der Türkei vereitelt worden ist, der Ausführung zu nähern. Eine weitere Aufgabe hat die Conferenz nicht. Sollte es der einen oder der anderen Macht wünschenswert!) erscheinen, auf gleichem Wege eine andere derjenigen Bestimmungen des Berliner Congresses, die noch der Ausführung ermangeln, zur Besprechung und schließlichen Erledi¬ gung zu bringen, so würde es dazu einer neuen vorherigen Verständigung der Mächte über die Opportnnitätsfrage und der Einladung zu einer neuen Con¬ ferenz oder zur Fortsetzung der jetzt lagerten bedürfen, und diese Verständigung würde nicht so leicht sein, wie die, welche die jetzige Conferenz ermöglichte. Wenigstens würde die Anregung von Fragen, die sich auf die Balkanländer be¬ ziehen, vermuthlich auf den Widerspruch Oesterreich-Ungarns stoßen, dem sich Deutschland anschließen würde. Dagegen wird eine Uebereinstimmung der stimmberechtigten Mächte in der jetzt auf die Tagesordnung gebrachten Ange¬ legenheit keinen wesentlichen Schwierigkeiten begegnen, ja wir dürfen sie bereits als gesichert betrachten. Schon das vorige englische Cabinet machte den Vorschlag zur Erledigung der Sache. In einer Depesche des Ministers Salisburh an den früheren briti¬ schen Botschafter in Konstantinopel heißt es: „Da es den Regierungen der Türkei und Griechenlands augenscheinlich nicht gelungen ist, die durch den 24. Artikel des Berliner Vertrags vorgesehene Grenzberichtignng durch directe Ver¬ ständigung herbeizuführen, so ist Ihrer Majestät Regierung bereit, sich den an¬ deren in jenem Artikel erwähnten Mächten anzuschließen, um ihre Vermittlung zum Behuf der Erleichterung der Unterhandlungen anzubieten- Um die genaue von den Mächten zu empfehlende Grenze zu bestimmen, schlägt Ihrer Majestät Regierung vor, eine Abgrenzungs - Commission zu ernennen, welche, von den Signatar-Mächten niedergesetzt, an Ort und Stelle die Linie studire und fest¬ stelle, welche am geeignetsten wäre, die neue Grenze zwischen der Türkei und Griechenland zu bilden. Die Commissäre würden als Grundlage ihrer Be¬ rathungen das 13. Protocoll des Berliner Congresses annehmen und, ohne an die in dem Protocoll gegebenen allgemeinen geographischen Andeutungen gebun¬ den zu sein, den Auftrag erhalten, getreulich im Sinne der Politik zu handeln, welche durch die Bevollmächtigte:? in jener Congreß-Sitzung zum Ausdruck ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/568
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/568>, abgerufen am 22.07.2024.