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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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einer maßvoll liberalen Partei in der Gegenwart zu beschädigen und für die
Zukunft zu gefährden. Herrn Lasters Freunde werden mit mindestens ebenso
gutem, wahrscheinlich aber mit viel besserem Rechte der Ansicht sein, daß unter
der Führung des Kanzlers kein falsches Ziel der konservativen Partei den
Liberalen aufgedrungen werden wird.

Am sonderbarsten aber erscheint Herr Laster, wenn er seine eigenen Gründe
entwickelt, weshalb er aus der Fraction getreten und dabei im Reichstage ge¬
blieben sei. So viel ist klar: die Mehrheit des Reichstages gegen den Kanzler
zu führen, ist entweder schädlich oder nützlich. Wenn es nützlich ist, so war
der beste Platz für solche Versuche Herrn Lasters in der Fraction. Allein
Herr Laster wünscht um keinen Preis die Haltung der Fraction zu einer
schwankenden zu machen. Nun giebt es aber bekanntlich keinen Uebergang zu
einem andern System ohne Schwanken. Wenn aber das Schwanken jetzt so
schädlich ist, nicht bloß für die Fraction, sondern, wie Herr Laster ausdrücklich
sagt, auch für den Reichstag, so ist wohl das Hinüberführe" der Mehrheit in
die Opposition jetzt unthunlich. Wenn dies der Fall, so ist es doch sehr eigen¬
thümlich, daß Herr Laster, um Opposition zu machen, im Reichstage geblieben
ist. Denkt er wirklich so bescheiden über sich, daß er nicht fürchtet, er könne
auch isolirt stehend die Mehrheit durch seine Opposition ins Schwanken bringen?

Uns scheint, Herr Laster ist in diesem Schreiben weder Fisch noch Fleisch.
Das hat man radikalerseits schon längst gefunden. Auf der staatserhaltenden
Seite glaubte man, der Eifer des Lernens und das Streben nach sachlicher
Denkungsart würden Herrn Laster zum consequent besonnenen und concreten
Politiker machen. Aber wenn er es ehedem bei den Fischen im Sumpf des
Radikalismus nicht ausgehalten, fo ist feine Vernunft doch zu abstract geblieben,
um das Fleisch einer lebendigen Anschauung zu dulden, geschweige denn anzu¬
nehmen. Er wendet seinen Freunden den Rücken -- sie werden ihn ohne Be¬
d M-' auern scheiden sehen.






Für die Rodaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L, Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.

einer maßvoll liberalen Partei in der Gegenwart zu beschädigen und für die
Zukunft zu gefährden. Herrn Lasters Freunde werden mit mindestens ebenso
gutem, wahrscheinlich aber mit viel besserem Rechte der Ansicht sein, daß unter
der Führung des Kanzlers kein falsches Ziel der konservativen Partei den
Liberalen aufgedrungen werden wird.

Am sonderbarsten aber erscheint Herr Laster, wenn er seine eigenen Gründe
entwickelt, weshalb er aus der Fraction getreten und dabei im Reichstage ge¬
blieben sei. So viel ist klar: die Mehrheit des Reichstages gegen den Kanzler
zu führen, ist entweder schädlich oder nützlich. Wenn es nützlich ist, so war
der beste Platz für solche Versuche Herrn Lasters in der Fraction. Allein
Herr Laster wünscht um keinen Preis die Haltung der Fraction zu einer
schwankenden zu machen. Nun giebt es aber bekanntlich keinen Uebergang zu
einem andern System ohne Schwanken. Wenn aber das Schwanken jetzt so
schädlich ist, nicht bloß für die Fraction, sondern, wie Herr Laster ausdrücklich
sagt, auch für den Reichstag, so ist wohl das Hinüberführe» der Mehrheit in
die Opposition jetzt unthunlich. Wenn dies der Fall, so ist es doch sehr eigen¬
thümlich, daß Herr Laster, um Opposition zu machen, im Reichstage geblieben
ist. Denkt er wirklich so bescheiden über sich, daß er nicht fürchtet, er könne
auch isolirt stehend die Mehrheit durch seine Opposition ins Schwanken bringen?

Uns scheint, Herr Laster ist in diesem Schreiben weder Fisch noch Fleisch.
Das hat man radikalerseits schon längst gefunden. Auf der staatserhaltenden
Seite glaubte man, der Eifer des Lernens und das Streben nach sachlicher
Denkungsart würden Herrn Laster zum consequent besonnenen und concreten
Politiker machen. Aber wenn er es ehedem bei den Fischen im Sumpf des
Radikalismus nicht ausgehalten, fo ist feine Vernunft doch zu abstract geblieben,
um das Fleisch einer lebendigen Anschauung zu dulden, geschweige denn anzu¬
nehmen. Er wendet seinen Freunden den Rücken — sie werden ihn ohne Be¬
d M-' auern scheiden sehen.






Für die Rodaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L, Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.
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[0052] einer maßvoll liberalen Partei in der Gegenwart zu beschädigen und für die Zukunft zu gefährden. Herrn Lasters Freunde werden mit mindestens ebenso gutem, wahrscheinlich aber mit viel besserem Rechte der Ansicht sein, daß unter der Führung des Kanzlers kein falsches Ziel der konservativen Partei den Liberalen aufgedrungen werden wird. Am sonderbarsten aber erscheint Herr Laster, wenn er seine eigenen Gründe entwickelt, weshalb er aus der Fraction getreten und dabei im Reichstage ge¬ blieben sei. So viel ist klar: die Mehrheit des Reichstages gegen den Kanzler zu führen, ist entweder schädlich oder nützlich. Wenn es nützlich ist, so war der beste Platz für solche Versuche Herrn Lasters in der Fraction. Allein Herr Laster wünscht um keinen Preis die Haltung der Fraction zu einer schwankenden zu machen. Nun giebt es aber bekanntlich keinen Uebergang zu einem andern System ohne Schwanken. Wenn aber das Schwanken jetzt so schädlich ist, nicht bloß für die Fraction, sondern, wie Herr Laster ausdrücklich sagt, auch für den Reichstag, so ist wohl das Hinüberführe» der Mehrheit in die Opposition jetzt unthunlich. Wenn dies der Fall, so ist es doch sehr eigen¬ thümlich, daß Herr Laster, um Opposition zu machen, im Reichstage geblieben ist. Denkt er wirklich so bescheiden über sich, daß er nicht fürchtet, er könne auch isolirt stehend die Mehrheit durch seine Opposition ins Schwanken bringen? Uns scheint, Herr Laster ist in diesem Schreiben weder Fisch noch Fleisch. Das hat man radikalerseits schon längst gefunden. Auf der staatserhaltenden Seite glaubte man, der Eifer des Lernens und das Streben nach sachlicher Denkungsart würden Herrn Laster zum consequent besonnenen und concreten Politiker machen. Aber wenn er es ehedem bei den Fischen im Sumpf des Radikalismus nicht ausgehalten, fo ist feine Vernunft doch zu abstract geblieben, um das Fleisch einer lebendigen Anschauung zu dulden, geschweige denn anzu¬ nehmen. Er wendet seinen Freunden den Rücken — sie werden ihn ohne Be¬ d M-' auern scheiden sehen. Für die Rodaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L, Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/52>, abgerufen am 22.07.2024.