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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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auf Studien nach der Natur, unter'denen Excursionen in die weitere Umgebung
Berlins, z. B. nach den Rüdersdorfer Kalkbergen, obenan standen. Ein Aus¬
flug nach Rügen hatte ihn in dem Gedanken, Landschaftsmaler zu werden, noch
bestärkt, und er begann nunmehr bei den Professoren Rösel und Dähling ein
systematisches Studium. Demselben fehlte allerdings noch die Sanction des
Vaters, der im Gegentheil darauf bestand, daß sich sein Sohn der ersten Prü¬
fung als Bauconductenr unterziehen mußte. Das Ergebniß derselben war völlig
niederschmetternd: Der junge Lessing fiel durch und that nnn dem Vater seinen
Entschluß kund. Obgleich dieser sich anfangs sehr despectirlich über die "Farben-
kleckser" aussprach, die er in Wartenbnrg nur in zwei sehr heruntergekommenen
Exemplaren kennen gelernt hatte, gab er nachträglich doch seine Einwilligung zu
dem Wechsel des Berufs. Lessing begann seine künstlerische Thätigkeit damit,
daß er Landschaften copirte, welche die Aufmerksamkeit Schadows auf ihn lenkten
und so seine Bekanntschaft mit diesem vermittelten. Im Jahre 1826 schickte
der Achtzehnjährige bereits ein selbständiges Bild, einen verfallenen Friedhof
mit einer Kirchenruine, auf die akademische Ausstellung, welches sich durch seiue
eigenartige Auffassung bemerkbar machte. "Unter den mancherley Landschaften,"
heißt es in dem Berichte des "Kunstblatts" über diese Ausstellung, "zeichnet sich
hier vor allen aus eine von C. F. Lessing erfunden, und ihr gebührt in dieser
Art, welche an Ruysdael erinnert, der Preis: ein Kirchhof mit einer alten
morschen Todtenkirche, verfallenden Mauern und Grabmälern unter hohen
Bäumen und unter einer alten Eiche ein neuer weißer Grabstein, welchen ein
gebrochener Sonnenblick durch das trübe Gewölk erhellet: ungesucht macht das
Ganze einen einfachen, wehmüthigen Ausdruck." So sprach sich schon in der
ersten Landschaft Lessings jene romantische Grundstimmung aus, die etwa ein
Jahrzehnt hindurch seine künstlerischen Schöpfungen beherrschen sollte. Nicht
erst in Düsseldorf schloß er sich der romantischen Richtung an, sondern er kam
schon als begeisterter Romantiker nach der Stadt am Rhein, die freilich diese
seine Neigung reicher und glücklicher ausbildete, als es in Berlin der Fall
gewesen wäre. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß neben dein Studium Ruysdaels,
welches der Berichterstatter des "Kunstblatts" sehr richtig herausgefühlt hat, das
Beispiel Schinkels von Einfluß auf Lessing gewesen ist. Die feine, subtile
Ausführung der Baulichkeiten, der Panoramenhafte Charakter des Ganzen, die
Absicht, von einem erhöhten Standpunkte eine möglichst große Fläche mit Bergen,
Hügeln, Thälern, Flüssen, Burgen, Dörfern, Saatfeldern und Landwegen zu
umfassen, endlich der Reiz der Lichteffecte, welche die Stimmung hineinbringen,
alle diese Elemente deuten mit Entschiedenheit ans Schinkel, dessen ideale,
meisterlich componirte und mit bewunderungswürdigen Fleiße ausgeführte Land¬
schaften gerade um die Zeit, als Lessing seine Studien begann, in Berlin Auf-


auf Studien nach der Natur, unter'denen Excursionen in die weitere Umgebung
Berlins, z. B. nach den Rüdersdorfer Kalkbergen, obenan standen. Ein Aus¬
flug nach Rügen hatte ihn in dem Gedanken, Landschaftsmaler zu werden, noch
bestärkt, und er begann nunmehr bei den Professoren Rösel und Dähling ein
systematisches Studium. Demselben fehlte allerdings noch die Sanction des
Vaters, der im Gegentheil darauf bestand, daß sich sein Sohn der ersten Prü¬
fung als Bauconductenr unterziehen mußte. Das Ergebniß derselben war völlig
niederschmetternd: Der junge Lessing fiel durch und that nnn dem Vater seinen
Entschluß kund. Obgleich dieser sich anfangs sehr despectirlich über die „Farben-
kleckser" aussprach, die er in Wartenbnrg nur in zwei sehr heruntergekommenen
Exemplaren kennen gelernt hatte, gab er nachträglich doch seine Einwilligung zu
dem Wechsel des Berufs. Lessing begann seine künstlerische Thätigkeit damit,
daß er Landschaften copirte, welche die Aufmerksamkeit Schadows auf ihn lenkten
und so seine Bekanntschaft mit diesem vermittelten. Im Jahre 1826 schickte
der Achtzehnjährige bereits ein selbständiges Bild, einen verfallenen Friedhof
mit einer Kirchenruine, auf die akademische Ausstellung, welches sich durch seiue
eigenartige Auffassung bemerkbar machte. „Unter den mancherley Landschaften,"
heißt es in dem Berichte des „Kunstblatts" über diese Ausstellung, „zeichnet sich
hier vor allen aus eine von C. F. Lessing erfunden, und ihr gebührt in dieser
Art, welche an Ruysdael erinnert, der Preis: ein Kirchhof mit einer alten
morschen Todtenkirche, verfallenden Mauern und Grabmälern unter hohen
Bäumen und unter einer alten Eiche ein neuer weißer Grabstein, welchen ein
gebrochener Sonnenblick durch das trübe Gewölk erhellet: ungesucht macht das
Ganze einen einfachen, wehmüthigen Ausdruck." So sprach sich schon in der
ersten Landschaft Lessings jene romantische Grundstimmung aus, die etwa ein
Jahrzehnt hindurch seine künstlerischen Schöpfungen beherrschen sollte. Nicht
erst in Düsseldorf schloß er sich der romantischen Richtung an, sondern er kam
schon als begeisterter Romantiker nach der Stadt am Rhein, die freilich diese
seine Neigung reicher und glücklicher ausbildete, als es in Berlin der Fall
gewesen wäre. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß neben dein Studium Ruysdaels,
welches der Berichterstatter des „Kunstblatts" sehr richtig herausgefühlt hat, das
Beispiel Schinkels von Einfluß auf Lessing gewesen ist. Die feine, subtile
Ausführung der Baulichkeiten, der Panoramenhafte Charakter des Ganzen, die
Absicht, von einem erhöhten Standpunkte eine möglichst große Fläche mit Bergen,
Hügeln, Thälern, Flüssen, Burgen, Dörfern, Saatfeldern und Landwegen zu
umfassen, endlich der Reiz der Lichteffecte, welche die Stimmung hineinbringen,
alle diese Elemente deuten mit Entschiedenheit ans Schinkel, dessen ideale,
meisterlich componirte und mit bewunderungswürdigen Fleiße ausgeführte Land¬
schaften gerade um die Zeit, als Lessing seine Studien begann, in Berlin Auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/514>, abgerufen am 22.07.2024.