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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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ist ein Beweis für die ausgezeichnete Führung durch Capitän Palander. Nach
fünftägiger Fahrt gelangte man zur Nordspitze der westlichen Taimyrhalbinsel,
die sich als eine -- Insel herausstellte. Hier wurde in dem uach den zahlreich
vorkommenden Minim benannten "Aktinia"-Hafen eine viertägige Rast gemacht,
und am 18. die Fahrt nach dem Ziele der allgemeinen Sehnsucht, der Nordspitze
Asiens, fortgesetzt. Der Nebel hatte während der ganzen Fahrt eher zu- als
abgenommen, und schon befürchtete Nordenskjöld, das nördlichste Kap der alten
Welt mochte so mit Eis umgeben sein, daß es nicht möglich sein würde ans ihr
zu landen, als plötzlich die Luft sich etwas aufhellte und eine Landspitze im
Nordosten durchschimmerte. Als man sich dem Eingange einer kleinen Bucht
näherte, zertheilte sich der Nebel ganz, und von der hellsten Sonne beschienen,
lag die ganz eisfreie Landzunge, dahinter aber ein hohes, zum Theil schneebe¬
decktes Gebirge vor den Blicken der Reisenden. Ein Gefühl freudigen Stolzes
durfte sich ihrer bemächtigen angesichts des Bodens, den vor ihnen zur See noch
niemand, zu Laude nur einer, nämlich Tscheljuskin im Jahre 1742, gesehen hatte.
Schnell stieß ein Boot vom Schiffe ab, um die Männer der Wissenschaft dem
heißersehnten Ziele zuzuführen, und bald entwickelte sich ans dein jungfräulichen
Terrain eine lebhafte Thätigkeit ; hier arbeitete einer mit Quecksilberhorizvnt und
Sextanten, um die geographische Lage genau zu bestimmen, dort hatte ein
anderer sein Jnklinatorium aufgestellt zur Bestimmung der magnetischen Ver¬
hältnisse; hier brach einer mit Meißel und Hammer Stücke aus dem Gestein,
dort sah man einen anderen alles sammeln, was sich an phanerogamen Pflanzen
vorfand, andere einen fliehenden Bären, der anch hier die Landenden zuerst
begrüßt hatte, verfolgen und nach sonstigen lebendigen Wesen spähen. Kap
Tscheljuskin besteht aus zwei Vorsprüngen, die durch eine flache Bucht von ein¬
ander getrennt find; nach den schwedischen Messungen liegt die westliche Land¬
spitze auf 77° 36' 37" n. Br. und 103° 25' 39" söll. L. (Greenwich), der östliche
Vorsprung dagegen auf 77° 41' Br. und 104" 1' Länge. Diese Bestimmung rückt
den nördlichsten Punkt der alten Welt etwas nach Norden und Westen von
seiner ehemaligen Lage ab.

Aber nicht lange durfte man säumen, denn noch waren von diesem eigent¬
lichen Nord- zum Ostkap 85 geographische Grade zurückzulegen, und für diese
immerhin bedeutende Entfernung bedürfte es einer mit Vorsicht gepaarten Eile.
Daher wurden schon am 20. August die Anker gelichtet und nordnordöstlicher
Curs unter beständiger Nähe des Treibeises genommen. Aber bereits am dritten
Tage erwies sich die weitere Verfolgung dieser Richtung wegen der Eisverhält¬
nisse als unmöglich, und das Schiff wandte sich in südlicher Richtung der Küste
der östlichen Taimyrhalbinsel zu. Auch betreffs ihrer Lage, die von den bis¬
herigen Karten etwas zu weit nach Osten ausgedehnt wurde, hat die Küsten-


ist ein Beweis für die ausgezeichnete Führung durch Capitän Palander. Nach
fünftägiger Fahrt gelangte man zur Nordspitze der westlichen Taimyrhalbinsel,
die sich als eine — Insel herausstellte. Hier wurde in dem uach den zahlreich
vorkommenden Minim benannten „Aktinia"-Hafen eine viertägige Rast gemacht,
und am 18. die Fahrt nach dem Ziele der allgemeinen Sehnsucht, der Nordspitze
Asiens, fortgesetzt. Der Nebel hatte während der ganzen Fahrt eher zu- als
abgenommen, und schon befürchtete Nordenskjöld, das nördlichste Kap der alten
Welt mochte so mit Eis umgeben sein, daß es nicht möglich sein würde ans ihr
zu landen, als plötzlich die Luft sich etwas aufhellte und eine Landspitze im
Nordosten durchschimmerte. Als man sich dem Eingange einer kleinen Bucht
näherte, zertheilte sich der Nebel ganz, und von der hellsten Sonne beschienen,
lag die ganz eisfreie Landzunge, dahinter aber ein hohes, zum Theil schneebe¬
decktes Gebirge vor den Blicken der Reisenden. Ein Gefühl freudigen Stolzes
durfte sich ihrer bemächtigen angesichts des Bodens, den vor ihnen zur See noch
niemand, zu Laude nur einer, nämlich Tscheljuskin im Jahre 1742, gesehen hatte.
Schnell stieß ein Boot vom Schiffe ab, um die Männer der Wissenschaft dem
heißersehnten Ziele zuzuführen, und bald entwickelte sich ans dein jungfräulichen
Terrain eine lebhafte Thätigkeit ; hier arbeitete einer mit Quecksilberhorizvnt und
Sextanten, um die geographische Lage genau zu bestimmen, dort hatte ein
anderer sein Jnklinatorium aufgestellt zur Bestimmung der magnetischen Ver¬
hältnisse; hier brach einer mit Meißel und Hammer Stücke aus dem Gestein,
dort sah man einen anderen alles sammeln, was sich an phanerogamen Pflanzen
vorfand, andere einen fliehenden Bären, der anch hier die Landenden zuerst
begrüßt hatte, verfolgen und nach sonstigen lebendigen Wesen spähen. Kap
Tscheljuskin besteht aus zwei Vorsprüngen, die durch eine flache Bucht von ein¬
ander getrennt find; nach den schwedischen Messungen liegt die westliche Land¬
spitze auf 77° 36' 37" n. Br. und 103° 25' 39" söll. L. (Greenwich), der östliche
Vorsprung dagegen auf 77° 41' Br. und 104« 1' Länge. Diese Bestimmung rückt
den nördlichsten Punkt der alten Welt etwas nach Norden und Westen von
seiner ehemaligen Lage ab.

Aber nicht lange durfte man säumen, denn noch waren von diesem eigent¬
lichen Nord- zum Ostkap 85 geographische Grade zurückzulegen, und für diese
immerhin bedeutende Entfernung bedürfte es einer mit Vorsicht gepaarten Eile.
Daher wurden schon am 20. August die Anker gelichtet und nordnordöstlicher
Curs unter beständiger Nähe des Treibeises genommen. Aber bereits am dritten
Tage erwies sich die weitere Verfolgung dieser Richtung wegen der Eisverhält¬
nisse als unmöglich, und das Schiff wandte sich in südlicher Richtung der Küste
der östlichen Taimyrhalbinsel zu. Auch betreffs ihrer Lage, die von den bis¬
herigen Karten etwas zu weit nach Osten ausgedehnt wurde, hat die Küsten-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/502>, abgerufen am 22.07.2024.