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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Herr Laster trennt sich von seiner bisherigen Fraction, weil diese dem
Fürsten Bismarck nicht Opposition macht oder nicht genügend Opposition macht
auf einem Wege, den Herr Laster für verderblich hält. Dieser Weg führt nach
Herrn Laster dahin, die Steuerlast mehr als bisher auf die unteren Erwerbs¬
klassen zu legen, dagegen die höheren Besitz- und Erwerbsklassen verhältnißmäßig
zu entlasten. Dieses Ziel dürfe keinen Theil eines liberalen Programms bilden.
Herr Laster kommt auf dasselbe immer wieder zurück. Er fürchtet, daß die
Entlastungen, welche versprochen sind, sowie die beabsichtigten Mehrausgaben in
der Methode der vorjährigen Reichstagsbeschlüsse, also in der Methode einer
stärkeren Belastung der unteren Erwerbsklassen beschafft werden sollen. Dann
sagt er, die vorjährige Reform habe zu tief in die Ueberlastung der Mieren
Erwerbsklassen eingegriffen und zu fest nach dieser Richtung hin gebunden, um
das Verhältniß der Regierung zur liberalen Partei unberührt zu lassen. Dann
wiederum, die Vermehrung der Heeresausgaben sei dadurch um so empfindlicher,
daß das angenommene Steuersystem zwinge, den größeren Theil der neueni-
stehenden Last auf die schwächeren Schultern zu legen. Dies ist der Goldsand
aus Herrn Lasters Redestrom in ein Klümpchen verdichtet.

Ist dieses Gold auch echt? -- Herr Laster thut mit einer erstaunlichen
Gemüthsruhe, als wäre der Satz so klar wie das Sonnenlicht, daß die indirecten
Steuern allein oder überwiegend die unteren Erwerbsklassen belasten. Weiß
das Herr Laster nicht anders, oder paßt ihm diese Maske nur für den vor¬
liegenden Zweck? Weiß er wirklich nicht, daß der Satz, wen die indirecten
Steuer" am meisten treffen, in der Finanzwissenschaft mindestens streitig ist?
Kommt ihm niemals der Gedanke, daß doch auch etwas darauf ankommt, welcher
Art die indirecten Steuern sind, die man anwendet? Zucker, Petroleum, Kaffee,
Wein, Bier, Tabak -- ist es denn so sonnenklar, daß die stärksten Consumenten
dieser Artikel die ärmeren Klassen sind? Ist es auch uur klar, daß der Ge-
sammtverbrcmch dieser Klassen -- denn von dem Verbrauch der einzelnen Per¬
sonen in demselben wird es auch Herr Laster nicht behaupten - den Gesammt-
verbrauch der wohlhabenden Klassen übersteigt? Herr Laster wird nicht mit
der Antwort kommen, daß die Vertheuerung des Oeles für eine Petroleum-
lampe den Arbeiter stärker belaste, als den Reichen das theuere Oel für zwanzig
Lampen. Und wenn Herr Laster die Behauptung ausstellte, was würde er
daraus schließen? Daß man die Wohlhabenden allein besteuern soll? Doch
wohl nicht. Also, daß man die directen Steuern vorziehen soll. Aber das ist
es ja gerade, weshalb man die Reform unternimmt, weil kein Verständiger
mehr leugnen kann, daß die directen steilern den Armen wie den Reichen viel¬
mehr drücken, als die indirecten. Es sind sehr ernsthafte Finanzkundige, welche
die Ueberzeugung vertreten, daß bei der indirecten Besteuerung, wenn man die


Herr Laster trennt sich von seiner bisherigen Fraction, weil diese dem
Fürsten Bismarck nicht Opposition macht oder nicht genügend Opposition macht
auf einem Wege, den Herr Laster für verderblich hält. Dieser Weg führt nach
Herrn Laster dahin, die Steuerlast mehr als bisher auf die unteren Erwerbs¬
klassen zu legen, dagegen die höheren Besitz- und Erwerbsklassen verhältnißmäßig
zu entlasten. Dieses Ziel dürfe keinen Theil eines liberalen Programms bilden.
Herr Laster kommt auf dasselbe immer wieder zurück. Er fürchtet, daß die
Entlastungen, welche versprochen sind, sowie die beabsichtigten Mehrausgaben in
der Methode der vorjährigen Reichstagsbeschlüsse, also in der Methode einer
stärkeren Belastung der unteren Erwerbsklassen beschafft werden sollen. Dann
sagt er, die vorjährige Reform habe zu tief in die Ueberlastung der Mieren
Erwerbsklassen eingegriffen und zu fest nach dieser Richtung hin gebunden, um
das Verhältniß der Regierung zur liberalen Partei unberührt zu lassen. Dann
wiederum, die Vermehrung der Heeresausgaben sei dadurch um so empfindlicher,
daß das angenommene Steuersystem zwinge, den größeren Theil der neueni-
stehenden Last auf die schwächeren Schultern zu legen. Dies ist der Goldsand
aus Herrn Lasters Redestrom in ein Klümpchen verdichtet.

Ist dieses Gold auch echt? — Herr Laster thut mit einer erstaunlichen
Gemüthsruhe, als wäre der Satz so klar wie das Sonnenlicht, daß die indirecten
Steuern allein oder überwiegend die unteren Erwerbsklassen belasten. Weiß
das Herr Laster nicht anders, oder paßt ihm diese Maske nur für den vor¬
liegenden Zweck? Weiß er wirklich nicht, daß der Satz, wen die indirecten
Steuer» am meisten treffen, in der Finanzwissenschaft mindestens streitig ist?
Kommt ihm niemals der Gedanke, daß doch auch etwas darauf ankommt, welcher
Art die indirecten Steuern sind, die man anwendet? Zucker, Petroleum, Kaffee,
Wein, Bier, Tabak — ist es denn so sonnenklar, daß die stärksten Consumenten
dieser Artikel die ärmeren Klassen sind? Ist es auch uur klar, daß der Ge-
sammtverbrcmch dieser Klassen — denn von dem Verbrauch der einzelnen Per¬
sonen in demselben wird es auch Herr Laster nicht behaupten - den Gesammt-
verbrauch der wohlhabenden Klassen übersteigt? Herr Laster wird nicht mit
der Antwort kommen, daß die Vertheuerung des Oeles für eine Petroleum-
lampe den Arbeiter stärker belaste, als den Reichen das theuere Oel für zwanzig
Lampen. Und wenn Herr Laster die Behauptung ausstellte, was würde er
daraus schließen? Daß man die Wohlhabenden allein besteuern soll? Doch
wohl nicht. Also, daß man die directen Steuern vorziehen soll. Aber das ist
es ja gerade, weshalb man die Reform unternimmt, weil kein Verständiger
mehr leugnen kann, daß die directen steilern den Armen wie den Reichen viel¬
mehr drücken, als die indirecten. Es sind sehr ernsthafte Finanzkundige, welche
die Ueberzeugung vertreten, daß bei der indirecten Besteuerung, wenn man die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/50>, abgerufen am 03.07.2024.