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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Die Regierung und die Bischöfe in Italien.

In den Einzelstaaten, aus denen das Königreich Italien allmählich zusam¬
mengewachsen ist, waren kraft älterer Concordate und sonstiger Vereinbarungen
mit dem päpstlichen Stuhle die Rechte der Fürsten und ihrer Regierungen
gegenüber der Kirche sehr umfangreich gewesen. Nicht nur bedurften die meisten
Acte der kirchlichen Behörden zu ihrer Veröffentlichung und Ausführung des
staatlichen Planet, sondern der Krone stand auch das unbestrittene Recht zu, fast
alle Bischofsstühle zu besetzen.

Nun fand sich die italienische Regierung zwar veranlaßt, in den Artikeln
15 und 16 des sogenannten Garantie-Gesetzes vom l3. Mai 1871 auf ihr Recht
zur Ernennung der Bischöfe, sowie auf das königliche Exequatur und Planet
bedingungslos Verzicht zu leisten. Allein dieser Verzicht modificirte sich durch
verschiedene Vorbehalte, die man machte. Ausdrücklich gewahrt nämlich blieben
der Regierung ihr Verleihungsrecht in Betreff von Pfründen königlichen Patro¬
nates (Artikel 15, Alinea 4) sowie das königliche Exequatur und Planet für
solche Acte der kirchlichen Behörden, welche über Kirchengut verfügen oder die
Verleihung von Beneficien zum Gegenstände haben würden (Artikel 16, Alinea 2).
Da nun von den 240 Bischofsstühlen Italiens nicht weniger als 62 königlichen
Patronats sind, so behielt nach diesen Bestimmungen die Regierung des Landes
das unbeschränkte Ernennungsrecht für mehr als ein Drittel des gesammten
italienischen Episcopats, und da alle päpstlichen Ernennungsbullen zu ihrer
Giltigkeit des königlichen Exequatur bedurften, welches nach Belieben gewährt
oder versagt werden konnte, so war auch hinsichtlich aller übrigen Bischofsstellen
das staatliche Interesse hinreichend geschützt. In Bezug auf die Form, in welcher
das Exequatur nachzusuchen und zu ertheilen war, traf ein königliches Decret
vom 25. Juni 1871 die erforderlichen speciellen Anordnungen.

So lag vor etwa neun Jahren und so liegt noch heute in Italien die
Rechtsfrage.

Erheblich anders aber gestalteten sich die thatsächlichen Verhältnisse.


Grenzboten II. 1SS0. ö?
Die Regierung und die Bischöfe in Italien.

In den Einzelstaaten, aus denen das Königreich Italien allmählich zusam¬
mengewachsen ist, waren kraft älterer Concordate und sonstiger Vereinbarungen
mit dem päpstlichen Stuhle die Rechte der Fürsten und ihrer Regierungen
gegenüber der Kirche sehr umfangreich gewesen. Nicht nur bedurften die meisten
Acte der kirchlichen Behörden zu ihrer Veröffentlichung und Ausführung des
staatlichen Planet, sondern der Krone stand auch das unbestrittene Recht zu, fast
alle Bischofsstühle zu besetzen.

Nun fand sich die italienische Regierung zwar veranlaßt, in den Artikeln
15 und 16 des sogenannten Garantie-Gesetzes vom l3. Mai 1871 auf ihr Recht
zur Ernennung der Bischöfe, sowie auf das königliche Exequatur und Planet
bedingungslos Verzicht zu leisten. Allein dieser Verzicht modificirte sich durch
verschiedene Vorbehalte, die man machte. Ausdrücklich gewahrt nämlich blieben
der Regierung ihr Verleihungsrecht in Betreff von Pfründen königlichen Patro¬
nates (Artikel 15, Alinea 4) sowie das königliche Exequatur und Planet für
solche Acte der kirchlichen Behörden, welche über Kirchengut verfügen oder die
Verleihung von Beneficien zum Gegenstände haben würden (Artikel 16, Alinea 2).
Da nun von den 240 Bischofsstühlen Italiens nicht weniger als 62 königlichen
Patronats sind, so behielt nach diesen Bestimmungen die Regierung des Landes
das unbeschränkte Ernennungsrecht für mehr als ein Drittel des gesammten
italienischen Episcopats, und da alle päpstlichen Ernennungsbullen zu ihrer
Giltigkeit des königlichen Exequatur bedurften, welches nach Belieben gewährt
oder versagt werden konnte, so war auch hinsichtlich aller übrigen Bischofsstellen
das staatliche Interesse hinreichend geschützt. In Bezug auf die Form, in welcher
das Exequatur nachzusuchen und zu ertheilen war, traf ein königliches Decret
vom 25. Juni 1871 die erforderlichen speciellen Anordnungen.

So lag vor etwa neun Jahren und so liegt noch heute in Italien die
Rechtsfrage.

Erheblich anders aber gestalteten sich die thatsächlichen Verhältnisse.


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[0449] Die Regierung und die Bischöfe in Italien. In den Einzelstaaten, aus denen das Königreich Italien allmählich zusam¬ mengewachsen ist, waren kraft älterer Concordate und sonstiger Vereinbarungen mit dem päpstlichen Stuhle die Rechte der Fürsten und ihrer Regierungen gegenüber der Kirche sehr umfangreich gewesen. Nicht nur bedurften die meisten Acte der kirchlichen Behörden zu ihrer Veröffentlichung und Ausführung des staatlichen Planet, sondern der Krone stand auch das unbestrittene Recht zu, fast alle Bischofsstühle zu besetzen. Nun fand sich die italienische Regierung zwar veranlaßt, in den Artikeln 15 und 16 des sogenannten Garantie-Gesetzes vom l3. Mai 1871 auf ihr Recht zur Ernennung der Bischöfe, sowie auf das königliche Exequatur und Planet bedingungslos Verzicht zu leisten. Allein dieser Verzicht modificirte sich durch verschiedene Vorbehalte, die man machte. Ausdrücklich gewahrt nämlich blieben der Regierung ihr Verleihungsrecht in Betreff von Pfründen königlichen Patro¬ nates (Artikel 15, Alinea 4) sowie das königliche Exequatur und Planet für solche Acte der kirchlichen Behörden, welche über Kirchengut verfügen oder die Verleihung von Beneficien zum Gegenstände haben würden (Artikel 16, Alinea 2). Da nun von den 240 Bischofsstühlen Italiens nicht weniger als 62 königlichen Patronats sind, so behielt nach diesen Bestimmungen die Regierung des Landes das unbeschränkte Ernennungsrecht für mehr als ein Drittel des gesammten italienischen Episcopats, und da alle päpstlichen Ernennungsbullen zu ihrer Giltigkeit des königlichen Exequatur bedurften, welches nach Belieben gewährt oder versagt werden konnte, so war auch hinsichtlich aller übrigen Bischofsstellen das staatliche Interesse hinreichend geschützt. In Bezug auf die Form, in welcher das Exequatur nachzusuchen und zu ertheilen war, traf ein königliches Decret vom 25. Juni 1871 die erforderlichen speciellen Anordnungen. So lag vor etwa neun Jahren und so liegt noch heute in Italien die Rechtsfrage. Erheblich anders aber gestalteten sich die thatsächlichen Verhältnisse. Grenzboten II. 1SS0. ö?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/449>, abgerufen am 03.07.2024.