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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Schrift, welcher wir im Vorhergehenden meist gefolgt sind, überein. Weiterhin
fehlt uns die Phantasie der Verfassers, um ihn liegleiten zu können, wenn er
fortfährt: "Und warum sollte nicht einmal eine Republik Irland unter die
Vereinigten Staaten aufgenommen werden? Der größte Zweifel über die Mög¬
lichkeit einer solchen überseeischen Verbindung bestünde jedenfalls darin, ob die
Amerikaner den Stern Irlands in ihr Banner aufzunehmen geneigt sein
würden."

Hier nimmt unsere Schrift doch wohl einen zu hohen und zu weiten Flug
ins Graue hinein. Denkbar ist ja so ziemlich alles, was der Logik und Mathe¬
matik nicht wiederspricht, und die Möglichkeit hat keinen Horizont. Aber zu
den Wahrscheinlichkeiten wird ein Stern im Wappen der Amerikanischen Union,
der Irland bedeutet, vor Ablauf unseres Jahrtausends gewiß nicht gehören.
Wahrscheinlicher kommt es uns vor, daß es noch vor dem Jahre 2000 eine
solche Union gar nicht mehr geben wird.




Aus den ersten Regierungsjahren
Friedrich Wilhelms II.

Die Geschichte des preußischen Staatswesens vom Tode Friedrichs des Großen
bis zu den Stein-Hnrdenbergischen Reformen hat bisher bei den Historikern nicht
die gebührende Beachtung gefunden. Der Grund für diese Erscheinung ist nicht
schwer zu finden. Die Zeit Friedrichs des Großen wie die Geschichte von Preußens
Wiedergeburt boten einen erfreulicheren Stoff zur Darstellung. An den zwischen
jenen Zeiten liegenden Jahren ging man gern vorüber, da sie in der auswärtigen
Politik Preußens nur Schwäche, im Innern Verfall zeigten. Mit Recht weist aber
M. Philippson, der Verfasser eines vor kurzen erschienenen Werkes über diese
Periode*), darauf hiu, daß gerade diese Zeit von hoher Wichtigkeit ist, weil sie bei
der Schwäche des Monarchen, der Ministerwillkür und dem Günstlingsdcsvotismns
die ersten Bestrebungen zur Beschränkung des absoluten Königthums, wie es sich
nach Vernichtung der ständischen Mitwirkung seit dem Ende des 17. Jahrhunderts
herausgebildet hatte, hervorrief, Bestrebungen, die, von den Kreisen der höheren
Beamten ausgehend, allmählich weiter drangen und endlich zur Forderung einer



Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrichs des Großen
bis zu den Freiheitskriegen. Von Martin Philippson. Erster B-ab. Leipzig, Veit K Co-,
MLV. VI ii. 469 S.

Schrift, welcher wir im Vorhergehenden meist gefolgt sind, überein. Weiterhin
fehlt uns die Phantasie der Verfassers, um ihn liegleiten zu können, wenn er
fortfährt: „Und warum sollte nicht einmal eine Republik Irland unter die
Vereinigten Staaten aufgenommen werden? Der größte Zweifel über die Mög¬
lichkeit einer solchen überseeischen Verbindung bestünde jedenfalls darin, ob die
Amerikaner den Stern Irlands in ihr Banner aufzunehmen geneigt sein
würden."

Hier nimmt unsere Schrift doch wohl einen zu hohen und zu weiten Flug
ins Graue hinein. Denkbar ist ja so ziemlich alles, was der Logik und Mathe¬
matik nicht wiederspricht, und die Möglichkeit hat keinen Horizont. Aber zu
den Wahrscheinlichkeiten wird ein Stern im Wappen der Amerikanischen Union,
der Irland bedeutet, vor Ablauf unseres Jahrtausends gewiß nicht gehören.
Wahrscheinlicher kommt es uns vor, daß es noch vor dem Jahre 2000 eine
solche Union gar nicht mehr geben wird.




Aus den ersten Regierungsjahren
Friedrich Wilhelms II.

Die Geschichte des preußischen Staatswesens vom Tode Friedrichs des Großen
bis zu den Stein-Hnrdenbergischen Reformen hat bisher bei den Historikern nicht
die gebührende Beachtung gefunden. Der Grund für diese Erscheinung ist nicht
schwer zu finden. Die Zeit Friedrichs des Großen wie die Geschichte von Preußens
Wiedergeburt boten einen erfreulicheren Stoff zur Darstellung. An den zwischen
jenen Zeiten liegenden Jahren ging man gern vorüber, da sie in der auswärtigen
Politik Preußens nur Schwäche, im Innern Verfall zeigten. Mit Recht weist aber
M. Philippson, der Verfasser eines vor kurzen erschienenen Werkes über diese
Periode*), darauf hiu, daß gerade diese Zeit von hoher Wichtigkeit ist, weil sie bei
der Schwäche des Monarchen, der Ministerwillkür und dem Günstlingsdcsvotismns
die ersten Bestrebungen zur Beschränkung des absoluten Königthums, wie es sich
nach Vernichtung der ständischen Mitwirkung seit dem Ende des 17. Jahrhunderts
herausgebildet hatte, hervorrief, Bestrebungen, die, von den Kreisen der höheren
Beamten ausgehend, allmählich weiter drangen und endlich zur Forderung einer



Geschichte des Preußischen Staatswesens vom Tode Friedrichs des Großen
bis zu den Freiheitskriegen. Von Martin Philippson. Erster B-ab. Leipzig, Veit K Co-,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/414>, abgerufen am 22.07.2024.