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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Gewandung, die Haare und das Beiwerk. Für die Ornamentik der Gewand¬
säume hat Schayer stilvolle Muster entworfen, die mit größter Sauberkeit auf
den Marmor übertragen sind. Fesselt uns auf den ersten Blick der geniale
Wurf, die originelle Gestaltung des Ganzen, so begegnet das näher prüfende
Auge überall dem Walten eines eisernen Fleißes, der wohl erkannt hat, daß
die Harmonie des Ganzen nur durch die Vollkommenheit aller einzelnen Theile
zu erreichen sei.

Während das Goethedenkmal langsam seiner Vollendung entgegenreifte, ging
noch eine Reihe anderer Arbeiten, zum Theil von großer Bedeutung, aus dem
Atelier des rastlosen Künstlers hervor. Im Jahre 1876 betheiligte er sich an
der Conmrrenz um ein Lutherdenkmal für Eisleben, in welcher er seine beiden
Mitbewerber, Siemering und Keil, entschieden schlug. Wie aber im Jahre 1873
Siemering hinter ihn zurücktreten mußte, so wurde ihm dieser jetzt vorgezogen,
eine Art Revanche, die vom Standpunkte der Billigkeit durchaus gerechtfertigt
ist, die aber beweist, daß die Concurrenzen ein zweckloses Comödienspiel sind,
welches allmählich auch die tüchtigsten Kräfte aufreiben wird. Im Jahre darauf
errang Schayer den ersten Preis in der Conmrrenz um ein Denkmal des Fürsten
Bismarck für Köln, welches schon am 1. April 1879 enthüllt wurde. Wie der
Künstler den Reichskanzler hier dargestellt hat, wird er voraussichtlich für die
Plastik typisch werden: alles zerstreuende Beiwerk, Reliefs u. tgi., ist vermieden
worden. Nur die gewaltige Persönlichkeit sollte wirken, und das geschieht denn
auch voll und ganz. Unter den buschigen Brauen blickt das Auge in die Ferne,
als erwartete der Kanzler die Antwort eines Gegners, den er eben mit wuch¬
tigen Argumenten zu Boden geschmettert. Der rechte Fuß ist etwas vorgerückt,
die linke Hand umspannt den Griff des mächtigen Pallasch, der vor dein Fürsten
aufgerichtet steht, währeud sich Daumen und Zeigefinger der sonst zur Faust
geballten rechten Hand zwischen den zweiten und dritten Knopf des Jnterims-
rockes schieben. Diese Statue liefert den erfreulichen Beweis, daß Schayer
genug Kraft und Energie des Ausdrucks besitzt, um eine so herbe, fast schroffe
Männlichkeit wie die des Fürsten Bismarck charakteristisch zu gestalten. Die
Energie und Schneidigkeit des Bismarckschen Wesens erhält durch die Noblesse
der künstlerischen Auffassung, welche an die Meisterwerke Rietschels erinnert,
einen Zusatz von Milde, welcher dieser Mischung erst den rechten Klang ver¬
leiht. Man wird diesen Bismarck den besten monumentalen Porträtstatuen,
welche die deutsche Plastik hervorgebracht hat, Rauchs Blücher, Rietschels Lessing
und Luther, ebenbürtig an die Seite stelle:: müssen, und, soweit sich nach dem kürzlich
vollendeten Hilfsmodell urtheilen läßt, wird der Moltke für Köln, der dem
Künstler sofort nach dem glücklichen Gelingen seines Bismarckdenkmals auf¬
getragen wurde, der fünfte im Bunde sein.


Gewandung, die Haare und das Beiwerk. Für die Ornamentik der Gewand¬
säume hat Schayer stilvolle Muster entworfen, die mit größter Sauberkeit auf
den Marmor übertragen sind. Fesselt uns auf den ersten Blick der geniale
Wurf, die originelle Gestaltung des Ganzen, so begegnet das näher prüfende
Auge überall dem Walten eines eisernen Fleißes, der wohl erkannt hat, daß
die Harmonie des Ganzen nur durch die Vollkommenheit aller einzelnen Theile
zu erreichen sei.

Während das Goethedenkmal langsam seiner Vollendung entgegenreifte, ging
noch eine Reihe anderer Arbeiten, zum Theil von großer Bedeutung, aus dem
Atelier des rastlosen Künstlers hervor. Im Jahre 1876 betheiligte er sich an
der Conmrrenz um ein Lutherdenkmal für Eisleben, in welcher er seine beiden
Mitbewerber, Siemering und Keil, entschieden schlug. Wie aber im Jahre 1873
Siemering hinter ihn zurücktreten mußte, so wurde ihm dieser jetzt vorgezogen,
eine Art Revanche, die vom Standpunkte der Billigkeit durchaus gerechtfertigt
ist, die aber beweist, daß die Concurrenzen ein zweckloses Comödienspiel sind,
welches allmählich auch die tüchtigsten Kräfte aufreiben wird. Im Jahre darauf
errang Schayer den ersten Preis in der Conmrrenz um ein Denkmal des Fürsten
Bismarck für Köln, welches schon am 1. April 1879 enthüllt wurde. Wie der
Künstler den Reichskanzler hier dargestellt hat, wird er voraussichtlich für die
Plastik typisch werden: alles zerstreuende Beiwerk, Reliefs u. tgi., ist vermieden
worden. Nur die gewaltige Persönlichkeit sollte wirken, und das geschieht denn
auch voll und ganz. Unter den buschigen Brauen blickt das Auge in die Ferne,
als erwartete der Kanzler die Antwort eines Gegners, den er eben mit wuch¬
tigen Argumenten zu Boden geschmettert. Der rechte Fuß ist etwas vorgerückt,
die linke Hand umspannt den Griff des mächtigen Pallasch, der vor dein Fürsten
aufgerichtet steht, währeud sich Daumen und Zeigefinger der sonst zur Faust
geballten rechten Hand zwischen den zweiten und dritten Knopf des Jnterims-
rockes schieben. Diese Statue liefert den erfreulichen Beweis, daß Schayer
genug Kraft und Energie des Ausdrucks besitzt, um eine so herbe, fast schroffe
Männlichkeit wie die des Fürsten Bismarck charakteristisch zu gestalten. Die
Energie und Schneidigkeit des Bismarckschen Wesens erhält durch die Noblesse
der künstlerischen Auffassung, welche an die Meisterwerke Rietschels erinnert,
einen Zusatz von Milde, welcher dieser Mischung erst den rechten Klang ver¬
leiht. Man wird diesen Bismarck den besten monumentalen Porträtstatuen,
welche die deutsche Plastik hervorgebracht hat, Rauchs Blücher, Rietschels Lessing
und Luther, ebenbürtig an die Seite stelle:: müssen, und, soweit sich nach dem kürzlich
vollendeten Hilfsmodell urtheilen läßt, wird der Moltke für Köln, der dem
Künstler sofort nach dem glücklichen Gelingen seines Bismarckdenkmals auf¬
getragen wurde, der fünfte im Bunde sein.


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[0385] Gewandung, die Haare und das Beiwerk. Für die Ornamentik der Gewand¬ säume hat Schayer stilvolle Muster entworfen, die mit größter Sauberkeit auf den Marmor übertragen sind. Fesselt uns auf den ersten Blick der geniale Wurf, die originelle Gestaltung des Ganzen, so begegnet das näher prüfende Auge überall dem Walten eines eisernen Fleißes, der wohl erkannt hat, daß die Harmonie des Ganzen nur durch die Vollkommenheit aller einzelnen Theile zu erreichen sei. Während das Goethedenkmal langsam seiner Vollendung entgegenreifte, ging noch eine Reihe anderer Arbeiten, zum Theil von großer Bedeutung, aus dem Atelier des rastlosen Künstlers hervor. Im Jahre 1876 betheiligte er sich an der Conmrrenz um ein Lutherdenkmal für Eisleben, in welcher er seine beiden Mitbewerber, Siemering und Keil, entschieden schlug. Wie aber im Jahre 1873 Siemering hinter ihn zurücktreten mußte, so wurde ihm dieser jetzt vorgezogen, eine Art Revanche, die vom Standpunkte der Billigkeit durchaus gerechtfertigt ist, die aber beweist, daß die Concurrenzen ein zweckloses Comödienspiel sind, welches allmählich auch die tüchtigsten Kräfte aufreiben wird. Im Jahre darauf errang Schayer den ersten Preis in der Conmrrenz um ein Denkmal des Fürsten Bismarck für Köln, welches schon am 1. April 1879 enthüllt wurde. Wie der Künstler den Reichskanzler hier dargestellt hat, wird er voraussichtlich für die Plastik typisch werden: alles zerstreuende Beiwerk, Reliefs u. tgi., ist vermieden worden. Nur die gewaltige Persönlichkeit sollte wirken, und das geschieht denn auch voll und ganz. Unter den buschigen Brauen blickt das Auge in die Ferne, als erwartete der Kanzler die Antwort eines Gegners, den er eben mit wuch¬ tigen Argumenten zu Boden geschmettert. Der rechte Fuß ist etwas vorgerückt, die linke Hand umspannt den Griff des mächtigen Pallasch, der vor dein Fürsten aufgerichtet steht, währeud sich Daumen und Zeigefinger der sonst zur Faust geballten rechten Hand zwischen den zweiten und dritten Knopf des Jnterims- rockes schieben. Diese Statue liefert den erfreulichen Beweis, daß Schayer genug Kraft und Energie des Ausdrucks besitzt, um eine so herbe, fast schroffe Männlichkeit wie die des Fürsten Bismarck charakteristisch zu gestalten. Die Energie und Schneidigkeit des Bismarckschen Wesens erhält durch die Noblesse der künstlerischen Auffassung, welche an die Meisterwerke Rietschels erinnert, einen Zusatz von Milde, welcher dieser Mischung erst den rechten Klang ver¬ leiht. Man wird diesen Bismarck den besten monumentalen Porträtstatuen, welche die deutsche Plastik hervorgebracht hat, Rauchs Blücher, Rietschels Lessing und Luther, ebenbürtig an die Seite stelle:: müssen, und, soweit sich nach dem kürzlich vollendeten Hilfsmodell urtheilen läßt, wird der Moltke für Köln, der dem Künstler sofort nach dem glücklichen Gelingen seines Bismarckdenkmals auf¬ getragen wurde, der fünfte im Bunde sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/385>, abgerufen am 25.08.2024.