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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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ohne Zweifel eine imposante Schöpfung voll Ernst und Charakter und voll
wahrhaft monumentaler Würde. Da man einen Platz am Saume des Thier¬
gartens für das Denkmal bestimmt hatte, konnte man sich kein passenderes Arran¬
gement denken. Schayer selbst hat sich der mächtigen Einwirkung dieses genialen
Wurfes, der schon in der ersten Concurrenz ziemlich feststand, nicht entziehen
können , indem er bei der zweiten Concurrenz außer der stehenden Figur auch
einen sitzenden Goethe einschickte. Wir werden sehen, wie er diesen von der
herkömmlichen Tradition abweichenden Gedanken später noch zweimal fruchtbar
ausführte. In der Goetheconcurrenz fand dieser Gedanke jedoch noch keinen
Anklag. Wiewohl der Schayer'sche Goethe sich nicht durch besondere Schönheit
empfahl - der Künstler hatte den durch die Rauch'sche Büste festgestellten
älteren Typus adoptirt, damit aber nicht den Geschmack des Publikums ge¬
troffen, das sich seinen Goethe lieber als jugeudschönen Apollo denn als gries¬
grämiger Zeus denkt --, so ging er doch aus der zweiten Concurrenz als
Sieger hervor. Die Jury ließ sich offenbar durch die ungewöhnliche Schönheit
der drei den cylindrischen Sockel umgebenden Gruppen -- Lyrische Poesie, Drama
und Wissenschaft -- in ihrem Urtheile bestimmen. Man sagte damals auch,
daß der Kaiser ein besonderes Wohlgefallen an dem Schayer'schen Entwurf
empfunden habe, und das konnte man nicht gut ignoriren, da der hohe Herr,
der den Altmeister noch persönlich kennen und schätzen gelernt hatte, in gro߬
müthiger Freigebigkeit dreißigtausend Mark zur Ausführung des Werkes ge¬
spendet hat. Ebensoviel hat - um die Geldfrage sogleich hier zu erledigen --
die Stadt Berlin beigesteuert, und zwanzigtausend Mark sind durch die Samm¬
lungen des Comites zusammengekommen. Heute fehlen noch dreißigtausend
Mark, um die Kosten zu decken. Man sieht, daß Berlin keinen sonderlichen
Enthusiasmus bewiesen hat, um dem großen Dichter die ohnehin schon stark
verspätete Ehre des Denkmals angedeihen zu lassen. Vielleicht wird aber das
Werk nach dieser Enthüllung in seiner sieghaften Schönheit so überzeugend zu
den Berlinern reden, daß die fehlende Summe schnell aufgebracht wird, und
das ist um so mehr zu wünschen, als der Künstler selbst, abgesehen von dein
für den Sieger in der Concurrenz allsgesetzten Geldpreise, für seine fast neun¬
jährige, mühevolle Arbeit nicht die geringste Entschädigung, sondern nur seine
Allslagen berechnet hat. Er hat nur für seinen Ruhm gearbeitet und alle
Kräfte daran gesetzt, um ein der deutschen Reichshauptstadt würdiges Denkmal
zu schaffen. Es gab manche Scharten auszuwetzen, seit zehn Jahren hatte sich
die Berliner Plastik keine Lorbeeren mehr geholt. Das große Siegesdenkmal
auf dem Königsplatz hatte sie vor Freund und Feind so arg compromittirt, daß
nur eine Reihe großer Thaten sie wieder rehabilitiren kann. Das Jahr 1880


Grenzboten II. 1880. 43

ohne Zweifel eine imposante Schöpfung voll Ernst und Charakter und voll
wahrhaft monumentaler Würde. Da man einen Platz am Saume des Thier¬
gartens für das Denkmal bestimmt hatte, konnte man sich kein passenderes Arran¬
gement denken. Schayer selbst hat sich der mächtigen Einwirkung dieses genialen
Wurfes, der schon in der ersten Concurrenz ziemlich feststand, nicht entziehen
können , indem er bei der zweiten Concurrenz außer der stehenden Figur auch
einen sitzenden Goethe einschickte. Wir werden sehen, wie er diesen von der
herkömmlichen Tradition abweichenden Gedanken später noch zweimal fruchtbar
ausführte. In der Goetheconcurrenz fand dieser Gedanke jedoch noch keinen
Anklag. Wiewohl der Schayer'sche Goethe sich nicht durch besondere Schönheit
empfahl - der Künstler hatte den durch die Rauch'sche Büste festgestellten
älteren Typus adoptirt, damit aber nicht den Geschmack des Publikums ge¬
troffen, das sich seinen Goethe lieber als jugeudschönen Apollo denn als gries¬
grämiger Zeus denkt —, so ging er doch aus der zweiten Concurrenz als
Sieger hervor. Die Jury ließ sich offenbar durch die ungewöhnliche Schönheit
der drei den cylindrischen Sockel umgebenden Gruppen — Lyrische Poesie, Drama
und Wissenschaft — in ihrem Urtheile bestimmen. Man sagte damals auch,
daß der Kaiser ein besonderes Wohlgefallen an dem Schayer'schen Entwurf
empfunden habe, und das konnte man nicht gut ignoriren, da der hohe Herr,
der den Altmeister noch persönlich kennen und schätzen gelernt hatte, in gro߬
müthiger Freigebigkeit dreißigtausend Mark zur Ausführung des Werkes ge¬
spendet hat. Ebensoviel hat - um die Geldfrage sogleich hier zu erledigen —
die Stadt Berlin beigesteuert, und zwanzigtausend Mark sind durch die Samm¬
lungen des Comites zusammengekommen. Heute fehlen noch dreißigtausend
Mark, um die Kosten zu decken. Man sieht, daß Berlin keinen sonderlichen
Enthusiasmus bewiesen hat, um dem großen Dichter die ohnehin schon stark
verspätete Ehre des Denkmals angedeihen zu lassen. Vielleicht wird aber das
Werk nach dieser Enthüllung in seiner sieghaften Schönheit so überzeugend zu
den Berlinern reden, daß die fehlende Summe schnell aufgebracht wird, und
das ist um so mehr zu wünschen, als der Künstler selbst, abgesehen von dein
für den Sieger in der Concurrenz allsgesetzten Geldpreise, für seine fast neun¬
jährige, mühevolle Arbeit nicht die geringste Entschädigung, sondern nur seine
Allslagen berechnet hat. Er hat nur für seinen Ruhm gearbeitet und alle
Kräfte daran gesetzt, um ein der deutschen Reichshauptstadt würdiges Denkmal
zu schaffen. Es gab manche Scharten auszuwetzen, seit zehn Jahren hatte sich
die Berliner Plastik keine Lorbeeren mehr geholt. Das große Siegesdenkmal
auf dem Königsplatz hatte sie vor Freund und Feind so arg compromittirt, daß
nur eine Reihe großer Thaten sie wieder rehabilitiren kann. Das Jahr 1880


Grenzboten II. 1880. 43
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/381>, abgerufen am 22.07.2024.