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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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dies Treiben immer aufs neue ans Licht gezogen und verdientermaßen charak-
terisirt wird. Wollte man freilich eine gründliche Analyse desselben liefern,
wollte man auch nur auf die bedeutendsten Artikel näher eingehen, man müßte
ein Buch darüber schreiben.*) Wir begnügen uns hier mit einem einzelnen
frappanten Beispiele, das für uns besonderes Interesse hat, da sich der betref¬
fende Aufsatz mit Elsaß-Lothringen und der Frage beschäftigt, welche Resultate
die neunjährige Zugehörigkeit zum deutschen Reiche und die Maßregeln der
deutschen Regierung in den Reichslanden erzielt haben. Der Artikel trägt die
Ueberschrift: "Elsaß-Lothringen und das deutsche Reich. 1. Das Scheitern der
Germanisationsbestrebungen." (15. April 1880, S. 721--757). Der anonyme
Verfasser desselben hatte bereits in der Rsvuo vom 15. März 1878 von seinem
Standpunkte aus die Folgen geschildert, welche das deutsche Regiment in ökono¬
mischer, socialer, administrativer und politischer Beziehung für das Reichsland
gehabt habe. Eine Kritik der Manteuffelschen Regierung wird einer neuen
Studie vorbehalten.

Die Versicherung des Verfassers, daß er ein unparteiischer Zuschauer sei
(S. 723), kann nur durch ihre naive Unverschämtheit ein gewisses Interesse
beanspruchen. Sein Standpunkt ist der der verbissensten Mitglieder der elsässi-
schen Protestpartei, seine Arbeit das Plaidoyer eines Advokaten, der zuweilen
mit Geschick, häufiger verblendet durch seinen leidenschaftlichen Haß gegen Deutsch¬
land und Deutschthum mit lächerlichem Ungeschick nachzuweisen bemüht ist, daß
und warum die "Germanisations-Bestrebungen" in Elsaß-Lothringen schmählich
Fiasco gemacht haben. Er hat sich die Mühe nicht verdrießen lassen, eingehende
Studien über seinen Gegenstand zu machen und gebietet über ein respectables
Arsenal von Angriffswaffen; aber er sieht nur, was er sehen will, und ver¬
schließt die Augen vor allen ihm unbequemen Dingen und Thatsachen, und
wenn er darüber stolpern sollte. Als Resultat ergiebt sich ihm: Alles, was
die deutsche Regierung gethan hat, um Elsaß-Lothringen zu gewinnen, hat nur
zur Folge gehabt, daß die Bewohner sich von Jahr zu Jahr deutlicher bewußt
werden, welch traurigen Tausch sie gemacht haben, indem sie an das der kaum
überwundenen mittelalterlichen Barbarei immer mehr wieder zustrebende Deutsch-



*) Um denjenigen, welche Lust haben sollten, sich mit diesem Gegenstände näher zu
beschäftigen, Gelegenheit dazu zu geben, bezeichnen wir eine Anzahl seit 1876 erschienener Artikel
und Stellen, die dazu besonders geeignet erscheinen: Valbsrt, I,e8 rsl^lions as 1^11sui>.Ane et
as Is, ?rg,nos (1. October 1375). -- Derselbe, Nemoirvs "In xrinve as HÄräenberj; (1. März
1877). -- LIa-hö as Lur^, Lor^is, (16 März 1867, S. 241 f.). -- S-und Rsnü l'-üllanäier,
I^e vonseiller as Is, reine Victor!" (1. November 1877, S. 206 f.). -- '1'neuriet, ?oetss
et dumoristes (1. September 1878, S. 229). -- ^U'reä I'ouUv", I^es soeiötvs Kums-mes or>
imiiukles (1. August 1879, S. 603 f.) -- Vistor vberlmlie-i, I,es ineonseinenves as U. vrowwvl
(16. Dezember 1879), ze. ?c.

dies Treiben immer aufs neue ans Licht gezogen und verdientermaßen charak-
terisirt wird. Wollte man freilich eine gründliche Analyse desselben liefern,
wollte man auch nur auf die bedeutendsten Artikel näher eingehen, man müßte
ein Buch darüber schreiben.*) Wir begnügen uns hier mit einem einzelnen
frappanten Beispiele, das für uns besonderes Interesse hat, da sich der betref¬
fende Aufsatz mit Elsaß-Lothringen und der Frage beschäftigt, welche Resultate
die neunjährige Zugehörigkeit zum deutschen Reiche und die Maßregeln der
deutschen Regierung in den Reichslanden erzielt haben. Der Artikel trägt die
Ueberschrift: „Elsaß-Lothringen und das deutsche Reich. 1. Das Scheitern der
Germanisationsbestrebungen." (15. April 1880, S. 721—757). Der anonyme
Verfasser desselben hatte bereits in der Rsvuo vom 15. März 1878 von seinem
Standpunkte aus die Folgen geschildert, welche das deutsche Regiment in ökono¬
mischer, socialer, administrativer und politischer Beziehung für das Reichsland
gehabt habe. Eine Kritik der Manteuffelschen Regierung wird einer neuen
Studie vorbehalten.

Die Versicherung des Verfassers, daß er ein unparteiischer Zuschauer sei
(S. 723), kann nur durch ihre naive Unverschämtheit ein gewisses Interesse
beanspruchen. Sein Standpunkt ist der der verbissensten Mitglieder der elsässi-
schen Protestpartei, seine Arbeit das Plaidoyer eines Advokaten, der zuweilen
mit Geschick, häufiger verblendet durch seinen leidenschaftlichen Haß gegen Deutsch¬
land und Deutschthum mit lächerlichem Ungeschick nachzuweisen bemüht ist, daß
und warum die „Germanisations-Bestrebungen" in Elsaß-Lothringen schmählich
Fiasco gemacht haben. Er hat sich die Mühe nicht verdrießen lassen, eingehende
Studien über seinen Gegenstand zu machen und gebietet über ein respectables
Arsenal von Angriffswaffen; aber er sieht nur, was er sehen will, und ver¬
schließt die Augen vor allen ihm unbequemen Dingen und Thatsachen, und
wenn er darüber stolpern sollte. Als Resultat ergiebt sich ihm: Alles, was
die deutsche Regierung gethan hat, um Elsaß-Lothringen zu gewinnen, hat nur
zur Folge gehabt, daß die Bewohner sich von Jahr zu Jahr deutlicher bewußt
werden, welch traurigen Tausch sie gemacht haben, indem sie an das der kaum
überwundenen mittelalterlichen Barbarei immer mehr wieder zustrebende Deutsch-



*) Um denjenigen, welche Lust haben sollten, sich mit diesem Gegenstände näher zu
beschäftigen, Gelegenheit dazu zu geben, bezeichnen wir eine Anzahl seit 1876 erschienener Artikel
und Stellen, die dazu besonders geeignet erscheinen: Valbsrt, I,e8 rsl^lions as 1^11sui>.Ane et
as Is, ?rg,nos (1. October 1375). — Derselbe, Nemoirvs «In xrinve as HÄräenberj; (1. März
1877). — LIa-hö as Lur^, Lor^is, (16 März 1867, S. 241 f.). — S-und Rsnü l'-üllanäier,
I^e vonseiller as Is, reine Victor!» (1. November 1877, S. 206 f.). — '1'neuriet, ?oetss
et dumoristes (1. September 1878, S. 229). — ^U'reä I'ouUv«, I^es soeiötvs Kums-mes or>
imiiukles (1. August 1879, S. 603 f.) — Vistor vberlmlie-i, I,es ineonseinenves as U. vrowwvl
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[0366] dies Treiben immer aufs neue ans Licht gezogen und verdientermaßen charak- terisirt wird. Wollte man freilich eine gründliche Analyse desselben liefern, wollte man auch nur auf die bedeutendsten Artikel näher eingehen, man müßte ein Buch darüber schreiben.*) Wir begnügen uns hier mit einem einzelnen frappanten Beispiele, das für uns besonderes Interesse hat, da sich der betref¬ fende Aufsatz mit Elsaß-Lothringen und der Frage beschäftigt, welche Resultate die neunjährige Zugehörigkeit zum deutschen Reiche und die Maßregeln der deutschen Regierung in den Reichslanden erzielt haben. Der Artikel trägt die Ueberschrift: „Elsaß-Lothringen und das deutsche Reich. 1. Das Scheitern der Germanisationsbestrebungen." (15. April 1880, S. 721—757). Der anonyme Verfasser desselben hatte bereits in der Rsvuo vom 15. März 1878 von seinem Standpunkte aus die Folgen geschildert, welche das deutsche Regiment in ökono¬ mischer, socialer, administrativer und politischer Beziehung für das Reichsland gehabt habe. Eine Kritik der Manteuffelschen Regierung wird einer neuen Studie vorbehalten. Die Versicherung des Verfassers, daß er ein unparteiischer Zuschauer sei (S. 723), kann nur durch ihre naive Unverschämtheit ein gewisses Interesse beanspruchen. Sein Standpunkt ist der der verbissensten Mitglieder der elsässi- schen Protestpartei, seine Arbeit das Plaidoyer eines Advokaten, der zuweilen mit Geschick, häufiger verblendet durch seinen leidenschaftlichen Haß gegen Deutsch¬ land und Deutschthum mit lächerlichem Ungeschick nachzuweisen bemüht ist, daß und warum die „Germanisations-Bestrebungen" in Elsaß-Lothringen schmählich Fiasco gemacht haben. Er hat sich die Mühe nicht verdrießen lassen, eingehende Studien über seinen Gegenstand zu machen und gebietet über ein respectables Arsenal von Angriffswaffen; aber er sieht nur, was er sehen will, und ver¬ schließt die Augen vor allen ihm unbequemen Dingen und Thatsachen, und wenn er darüber stolpern sollte. Als Resultat ergiebt sich ihm: Alles, was die deutsche Regierung gethan hat, um Elsaß-Lothringen zu gewinnen, hat nur zur Folge gehabt, daß die Bewohner sich von Jahr zu Jahr deutlicher bewußt werden, welch traurigen Tausch sie gemacht haben, indem sie an das der kaum überwundenen mittelalterlichen Barbarei immer mehr wieder zustrebende Deutsch- *) Um denjenigen, welche Lust haben sollten, sich mit diesem Gegenstände näher zu beschäftigen, Gelegenheit dazu zu geben, bezeichnen wir eine Anzahl seit 1876 erschienener Artikel und Stellen, die dazu besonders geeignet erscheinen: Valbsrt, I,e8 rsl^lions as 1^11sui>.Ane et as Is, ?rg,nos (1. October 1375). — Derselbe, Nemoirvs «In xrinve as HÄräenberj; (1. März 1877). — LIa-hö as Lur^, Lor^is, (16 März 1867, S. 241 f.). — S-und Rsnü l'-üllanäier, I^e vonseiller as Is, reine Victor!» (1. November 1877, S. 206 f.). — '1'neuriet, ?oetss et dumoristes (1. September 1878, S. 229). — ^U'reä I'ouUv«, I^es soeiötvs Kums-mes or> imiiukles (1. August 1879, S. 603 f.) — Vistor vberlmlie-i, I,es ineonseinenves as U. vrowwvl (16. Dezember 1879), ze. ?c.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/366>, abgerufen am 22.07.2024.