Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.Sieger gegen Deutschland, und es ist am gerathensten, dem Centrum die Füh¬ Das Papstthum befindet sich in einer gefährlichen Krisis, welche der ein¬ So viel liegt an der Entscheidung des Abgeordnetenhauses. Möge die Sieger gegen Deutschland, und es ist am gerathensten, dem Centrum die Füh¬ Das Papstthum befindet sich in einer gefährlichen Krisis, welche der ein¬ So viel liegt an der Entscheidung des Abgeordnetenhauses. Möge die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146856"/> <p xml:id="ID_1027" prev="#ID_1026"> Sieger gegen Deutschland, und es ist am gerathensten, dem Centrum die Füh¬<lb/> rung des deutschen Reiches anzuvertrauen. Unumwunden hat dies Fürst Bis-<lb/> marck am 8. Mai erklärt, und das Verständniß dieser Worte sollte uns nicht<lb/> fehlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1028"> Das Papstthum befindet sich in einer gefährlichen Krisis, welche der ein¬<lb/> sichtige Inhaber des päpstlichen Stuhles vielleicht besser als alle seine Berather<lb/> ermißt. In Frankreich entbrennt ein Culturkampf, der extreme Maßregeln der<lb/> Staatsgewalt im Gefolge haben kann. In Italien bemüht sich der regierende,<lb/> aber in sich selbst gespaltene Radicalismus, ein Mittel der Einigung zu finden.<lb/> Leicht kann dieses Mittel die Aufhebung des Garantiegesetzes sein. Kurz, die<lb/> Anerkennung nicht mehr bloß der weltlichen, sondern der geistlichen Souveräne-<lb/> tät des Papstthums schwebt in Gefahr. Die mächtige Welle der Opposition<lb/> gegen das Papstthum wird unwiderstehlich sein, wenn der deutsche Staatsmann<lb/> die Führung übernimmt. Andererseits kann nur Fürst Bismarck den sich vor¬<lb/> bereitenden Sturm gegen das Papstthum entwaffnen. Der Fürst thut niemals<lb/> einen großen Schritt ohne moralische Rechtfertigung und augenblicklich dringenden<lb/> Anlaß zugleich. Er bietet dem Papstthum die Zurückziehung der Maigesetze an,<lb/> d. h. der für Rom drückendsten Theile derselben, welche so lange gelten soll,<lb/> als Rom einen erträglichen raocws vivonäi beobachtet. Zum Frieden auf dieser<lb/> Basis bedarf es einer Vollmacht für die Executivgewalt zur Suspension und<lb/> Wiedervollstreckung der Maigesetze nach freiem Ermessen. Wenn nun das Abge¬<lb/> ordnetenhaus formalistisch denkt, wenn es Aufhebung und Wiedervollstreckung<lb/> der Gesetze nur als Gesetzesact zulassen will, dann zerstört es die Frucht des<lb/> Culturkampfes. Der Papst wird Sieger sein, wenn die Maigesetze nur wieder<lb/> in Kraft treten können mittels des Wirbelspiels unberechenbarer Majoritäten,<lb/> wenn sie abhängig sind von fortschrittlich clericalen Intriguen, hochconservativen<lb/> Launen und nationalliberalen Unschlüssigkeiten. Der Papst bleibt aber auch<lb/> dann beinahe Sieger, er erhält sich wenigstens das treue Heer der deutschen<lb/> Katholiken, wenn der Reichskanzler nicht in den Stand gesetzt wird, diesen<lb/> Katholiken zu zeigen, daß die Curie den annehmbarsten Frieden haben kann,<lb/> den der Staat überhaupt zu gewähren im Stande ist, daß sie aber diesen Frieden<lb/> verschmäht, weil ihr nur die Unterwerfung Deutschlands genügt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1029"> So viel liegt an der Entscheidung des Abgeordnetenhauses. Möge die<lb/> nationalliberale Partei, von welcher die Entscheidung am meisten abhängt, sich<lb/> fragen, ob der Formalismus das Zeichen ist, unter dem eine Partei siegen kann,<lb/> deren Zweck die Erhaltung und sichere Kraftentfaltung des Reiches sein soll.</p><lb/> <note type="byline"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
Sieger gegen Deutschland, und es ist am gerathensten, dem Centrum die Füh¬
rung des deutschen Reiches anzuvertrauen. Unumwunden hat dies Fürst Bis-
marck am 8. Mai erklärt, und das Verständniß dieser Worte sollte uns nicht
fehlen.
Das Papstthum befindet sich in einer gefährlichen Krisis, welche der ein¬
sichtige Inhaber des päpstlichen Stuhles vielleicht besser als alle seine Berather
ermißt. In Frankreich entbrennt ein Culturkampf, der extreme Maßregeln der
Staatsgewalt im Gefolge haben kann. In Italien bemüht sich der regierende,
aber in sich selbst gespaltene Radicalismus, ein Mittel der Einigung zu finden.
Leicht kann dieses Mittel die Aufhebung des Garantiegesetzes sein. Kurz, die
Anerkennung nicht mehr bloß der weltlichen, sondern der geistlichen Souveräne-
tät des Papstthums schwebt in Gefahr. Die mächtige Welle der Opposition
gegen das Papstthum wird unwiderstehlich sein, wenn der deutsche Staatsmann
die Führung übernimmt. Andererseits kann nur Fürst Bismarck den sich vor¬
bereitenden Sturm gegen das Papstthum entwaffnen. Der Fürst thut niemals
einen großen Schritt ohne moralische Rechtfertigung und augenblicklich dringenden
Anlaß zugleich. Er bietet dem Papstthum die Zurückziehung der Maigesetze an,
d. h. der für Rom drückendsten Theile derselben, welche so lange gelten soll,
als Rom einen erträglichen raocws vivonäi beobachtet. Zum Frieden auf dieser
Basis bedarf es einer Vollmacht für die Executivgewalt zur Suspension und
Wiedervollstreckung der Maigesetze nach freiem Ermessen. Wenn nun das Abge¬
ordnetenhaus formalistisch denkt, wenn es Aufhebung und Wiedervollstreckung
der Gesetze nur als Gesetzesact zulassen will, dann zerstört es die Frucht des
Culturkampfes. Der Papst wird Sieger sein, wenn die Maigesetze nur wieder
in Kraft treten können mittels des Wirbelspiels unberechenbarer Majoritäten,
wenn sie abhängig sind von fortschrittlich clericalen Intriguen, hochconservativen
Launen und nationalliberalen Unschlüssigkeiten. Der Papst bleibt aber auch
dann beinahe Sieger, er erhält sich wenigstens das treue Heer der deutschen
Katholiken, wenn der Reichskanzler nicht in den Stand gesetzt wird, diesen
Katholiken zu zeigen, daß die Curie den annehmbarsten Frieden haben kann,
den der Staat überhaupt zu gewähren im Stande ist, daß sie aber diesen Frieden
verschmäht, weil ihr nur die Unterwerfung Deutschlands genügt.
So viel liegt an der Entscheidung des Abgeordnetenhauses. Möge die
nationalliberale Partei, von welcher die Entscheidung am meisten abhängt, sich
fragen, ob der Formalismus das Zeichen ist, unter dem eine Partei siegen kann,
deren Zweck die Erhaltung und sichere Kraftentfaltung des Reiches sein soll.
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