Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

auf Denken und Sprechen an einer einzigen dieser fremden Sprachen zu üben,
statt dies Geschäft durch den Unterricht in zwei fremden Sprachen zu vollziehen,
weil er eben, indem er zwei andere Idiome mit seinem eigenen vergleicht, drei¬
mal so viel Arbeit leisten muß, als wenn er nur seine Muttersprache mit einer
fremden vergleicht. Die dreifache Arbeit aber wirkt auf den jungen Kopf, der
ja seiner eigenen Sprache noch nicht einmal Herr ist und überdies Mundartliches
daraus abzuwehren hat, so verwirrend, daß keine der drei Vergleichungen gründ¬
lich genug gemacht wird, um für die allgemeine logische und sprachliche Bildung
von rechtem Vortheil zu sein. Wer in diesen Dingen bewandert ist, wird ein-
gestehen, daß diejenigen Schüler, die in einer fremden Sprache gründlich
unterrichtet sind, in der Regel besser deutsch sprechen und schreiben, als die,
welche daneben noch eine andere oder zwei andere fremde Sprachen gelernt
haben, das bessere Schreiben so verstanden, daß es Klarheit, Richtigkeit und
Bündigkeit umfaßt; denn auf den sogenannten "blühenden Stil" ist kein Werth
zu legen.*)

Durch das bisher Gesagte glauben wir dargethan zu haben, daß der
Unterricht in einer einzigen fremden Sprache für die Gewinnung der allge¬
meinen, insbesondere der formalen geistigen Bildung, die der Staat für den Ein¬
jahrig-Freiwilligen-Dienst verlangt, von größerem Vortheil ist, als der Unterricht
in zwei fremden Sprachen, daß also der Staat besser thäte, seine Forderung
für den in Rede stehenden Zweck auf eine Sprache, sei dies nun Latein oder
Französisch oder Englisch, zu beschränken. Könnte er sich dazu entschließen und
steht das angefochtene Institut der zwei fremden Sprachen nicht etwa bomben-
fest, so würde der Staat mit der beantragten Vereinfachung der Nation den
Vortheil zuwenden, daß er eine solide, allgemeine geistige Bildung beförderte,
die auf die Dauer von Nutzen sein könnte, während jetzt die Vorbereitung in
den Privatanstalten, theilweise auch in den öffentlichen Schulen, eine überflüssige
Quälerei für die jungen Leute selbst und bei dem eilfertigen Einpauker einen
durchaus zweifelhaften Gewinn ergiebt. Es kommt daher auch nicht selten vor,
daß das, was an dem Gesetze constitutionsmäßig mangelhaft und unter Um¬
ständen schädlich ist, durch die Praxis im einzelnen Falle verbessert werden
Muß. Uns sind wenigstens mehrere Fälle bekannt, wo die zur Aufsicht und
Leitung der Freiwilligen-Prüfungen bestellten Schulräthe so einsichtsvoll waren,
von dem gebrechlichen Wissen der Examinanden in fremden Sprachen abzu¬
sehen, wenn sich dieselben im Deutschen tüchtig genug erwiesen, um ihnen das



Wo kann man diese Erfahrungen machen? Ans allen unseren höheren Schulen, auf
Gymnasien wie auf den Realschulen, wird die zweite fremde Sprache schon auf eiuer so
frühen Stufe hinzugenommen, daß von deutschem Stil da noch gar nicht die Rede sein
k D, Red. ann.
Grenzboten II. 1880. 33

auf Denken und Sprechen an einer einzigen dieser fremden Sprachen zu üben,
statt dies Geschäft durch den Unterricht in zwei fremden Sprachen zu vollziehen,
weil er eben, indem er zwei andere Idiome mit seinem eigenen vergleicht, drei¬
mal so viel Arbeit leisten muß, als wenn er nur seine Muttersprache mit einer
fremden vergleicht. Die dreifache Arbeit aber wirkt auf den jungen Kopf, der
ja seiner eigenen Sprache noch nicht einmal Herr ist und überdies Mundartliches
daraus abzuwehren hat, so verwirrend, daß keine der drei Vergleichungen gründ¬
lich genug gemacht wird, um für die allgemeine logische und sprachliche Bildung
von rechtem Vortheil zu sein. Wer in diesen Dingen bewandert ist, wird ein-
gestehen, daß diejenigen Schüler, die in einer fremden Sprache gründlich
unterrichtet sind, in der Regel besser deutsch sprechen und schreiben, als die,
welche daneben noch eine andere oder zwei andere fremde Sprachen gelernt
haben, das bessere Schreiben so verstanden, daß es Klarheit, Richtigkeit und
Bündigkeit umfaßt; denn auf den sogenannten „blühenden Stil" ist kein Werth
zu legen.*)

Durch das bisher Gesagte glauben wir dargethan zu haben, daß der
Unterricht in einer einzigen fremden Sprache für die Gewinnung der allge¬
meinen, insbesondere der formalen geistigen Bildung, die der Staat für den Ein¬
jahrig-Freiwilligen-Dienst verlangt, von größerem Vortheil ist, als der Unterricht
in zwei fremden Sprachen, daß also der Staat besser thäte, seine Forderung
für den in Rede stehenden Zweck auf eine Sprache, sei dies nun Latein oder
Französisch oder Englisch, zu beschränken. Könnte er sich dazu entschließen und
steht das angefochtene Institut der zwei fremden Sprachen nicht etwa bomben-
fest, so würde der Staat mit der beantragten Vereinfachung der Nation den
Vortheil zuwenden, daß er eine solide, allgemeine geistige Bildung beförderte,
die auf die Dauer von Nutzen sein könnte, während jetzt die Vorbereitung in
den Privatanstalten, theilweise auch in den öffentlichen Schulen, eine überflüssige
Quälerei für die jungen Leute selbst und bei dem eilfertigen Einpauker einen
durchaus zweifelhaften Gewinn ergiebt. Es kommt daher auch nicht selten vor,
daß das, was an dem Gesetze constitutionsmäßig mangelhaft und unter Um¬
ständen schädlich ist, durch die Praxis im einzelnen Falle verbessert werden
Muß. Uns sind wenigstens mehrere Fälle bekannt, wo die zur Aufsicht und
Leitung der Freiwilligen-Prüfungen bestellten Schulräthe so einsichtsvoll waren,
von dem gebrechlichen Wissen der Examinanden in fremden Sprachen abzu¬
sehen, wenn sich dieselben im Deutschen tüchtig genug erwiesen, um ihnen das



Wo kann man diese Erfahrungen machen? Ans allen unseren höheren Schulen, auf
Gymnasien wie auf den Realschulen, wird die zweite fremde Sprache schon auf eiuer so
frühen Stufe hinzugenommen, daß von deutschem Stil da noch gar nicht die Rede sein
k D, Red. ann.
Grenzboten II. 1880. 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0301" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146806"/>
          <p xml:id="ID_888" prev="#ID_887"> auf Denken und Sprechen an einer einzigen dieser fremden Sprachen zu üben,<lb/>
statt dies Geschäft durch den Unterricht in zwei fremden Sprachen zu vollziehen,<lb/>
weil er eben, indem er zwei andere Idiome mit seinem eigenen vergleicht, drei¬<lb/>
mal so viel Arbeit leisten muß, als wenn er nur seine Muttersprache mit einer<lb/>
fremden vergleicht. Die dreifache Arbeit aber wirkt auf den jungen Kopf, der<lb/>
ja seiner eigenen Sprache noch nicht einmal Herr ist und überdies Mundartliches<lb/>
daraus abzuwehren hat, so verwirrend, daß keine der drei Vergleichungen gründ¬<lb/>
lich genug gemacht wird, um für die allgemeine logische und sprachliche Bildung<lb/>
von rechtem Vortheil zu sein. Wer in diesen Dingen bewandert ist, wird ein-<lb/>
gestehen, daß diejenigen Schüler, die in einer fremden Sprache gründlich<lb/>
unterrichtet sind, in der Regel besser deutsch sprechen und schreiben, als die,<lb/>
welche daneben noch eine andere oder zwei andere fremde Sprachen gelernt<lb/>
haben, das bessere Schreiben so verstanden, daß es Klarheit, Richtigkeit und<lb/>
Bündigkeit umfaßt; denn auf den sogenannten &#x201E;blühenden Stil" ist kein Werth<lb/>
zu legen.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_889" next="#ID_890"> Durch das bisher Gesagte glauben wir dargethan zu haben, daß der<lb/>
Unterricht in einer einzigen fremden Sprache für die Gewinnung der allge¬<lb/>
meinen, insbesondere der formalen geistigen Bildung, die der Staat für den Ein¬<lb/>
jahrig-Freiwilligen-Dienst verlangt, von größerem Vortheil ist, als der Unterricht<lb/>
in zwei fremden Sprachen, daß also der Staat besser thäte, seine Forderung<lb/>
für den in Rede stehenden Zweck auf eine Sprache, sei dies nun Latein oder<lb/>
Französisch oder Englisch, zu beschränken. Könnte er sich dazu entschließen und<lb/>
steht das angefochtene Institut der zwei fremden Sprachen nicht etwa bomben-<lb/>
fest, so würde der Staat mit der beantragten Vereinfachung der Nation den<lb/>
Vortheil zuwenden, daß er eine solide, allgemeine geistige Bildung beförderte,<lb/>
die auf die Dauer von Nutzen sein könnte, während jetzt die Vorbereitung in<lb/>
den Privatanstalten, theilweise auch in den öffentlichen Schulen, eine überflüssige<lb/>
Quälerei für die jungen Leute selbst und bei dem eilfertigen Einpauker einen<lb/>
durchaus zweifelhaften Gewinn ergiebt. Es kommt daher auch nicht selten vor,<lb/>
daß das, was an dem Gesetze constitutionsmäßig mangelhaft und unter Um¬<lb/>
ständen schädlich ist, durch die Praxis im einzelnen Falle verbessert werden<lb/>
Muß. Uns sind wenigstens mehrere Fälle bekannt, wo die zur Aufsicht und<lb/>
Leitung der Freiwilligen-Prüfungen bestellten Schulräthe so einsichtsvoll waren,<lb/>
von dem gebrechlichen Wissen der Examinanden in fremden Sprachen abzu¬<lb/>
sehen, wenn sich dieselben im Deutschen tüchtig genug erwiesen, um ihnen das</p><lb/>
          <note xml:id="FID_51" place="foot"> Wo kann man diese Erfahrungen machen? Ans allen unseren höheren Schulen, auf<lb/>
Gymnasien wie auf den Realschulen, wird die zweite fremde Sprache schon auf eiuer so<lb/>
frühen Stufe hinzugenommen, daß von deutschem Stil da noch gar nicht die Rede sein<lb/>
k<note type="byline"> D, Red.</note> ann. </note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1880. 33</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0301] auf Denken und Sprechen an einer einzigen dieser fremden Sprachen zu üben, statt dies Geschäft durch den Unterricht in zwei fremden Sprachen zu vollziehen, weil er eben, indem er zwei andere Idiome mit seinem eigenen vergleicht, drei¬ mal so viel Arbeit leisten muß, als wenn er nur seine Muttersprache mit einer fremden vergleicht. Die dreifache Arbeit aber wirkt auf den jungen Kopf, der ja seiner eigenen Sprache noch nicht einmal Herr ist und überdies Mundartliches daraus abzuwehren hat, so verwirrend, daß keine der drei Vergleichungen gründ¬ lich genug gemacht wird, um für die allgemeine logische und sprachliche Bildung von rechtem Vortheil zu sein. Wer in diesen Dingen bewandert ist, wird ein- gestehen, daß diejenigen Schüler, die in einer fremden Sprache gründlich unterrichtet sind, in der Regel besser deutsch sprechen und schreiben, als die, welche daneben noch eine andere oder zwei andere fremde Sprachen gelernt haben, das bessere Schreiben so verstanden, daß es Klarheit, Richtigkeit und Bündigkeit umfaßt; denn auf den sogenannten „blühenden Stil" ist kein Werth zu legen.*) Durch das bisher Gesagte glauben wir dargethan zu haben, daß der Unterricht in einer einzigen fremden Sprache für die Gewinnung der allge¬ meinen, insbesondere der formalen geistigen Bildung, die der Staat für den Ein¬ jahrig-Freiwilligen-Dienst verlangt, von größerem Vortheil ist, als der Unterricht in zwei fremden Sprachen, daß also der Staat besser thäte, seine Forderung für den in Rede stehenden Zweck auf eine Sprache, sei dies nun Latein oder Französisch oder Englisch, zu beschränken. Könnte er sich dazu entschließen und steht das angefochtene Institut der zwei fremden Sprachen nicht etwa bomben- fest, so würde der Staat mit der beantragten Vereinfachung der Nation den Vortheil zuwenden, daß er eine solide, allgemeine geistige Bildung beförderte, die auf die Dauer von Nutzen sein könnte, während jetzt die Vorbereitung in den Privatanstalten, theilweise auch in den öffentlichen Schulen, eine überflüssige Quälerei für die jungen Leute selbst und bei dem eilfertigen Einpauker einen durchaus zweifelhaften Gewinn ergiebt. Es kommt daher auch nicht selten vor, daß das, was an dem Gesetze constitutionsmäßig mangelhaft und unter Um¬ ständen schädlich ist, durch die Praxis im einzelnen Falle verbessert werden Muß. Uns sind wenigstens mehrere Fälle bekannt, wo die zur Aufsicht und Leitung der Freiwilligen-Prüfungen bestellten Schulräthe so einsichtsvoll waren, von dem gebrechlichen Wissen der Examinanden in fremden Sprachen abzu¬ sehen, wenn sich dieselben im Deutschen tüchtig genug erwiesen, um ihnen das Wo kann man diese Erfahrungen machen? Ans allen unseren höheren Schulen, auf Gymnasien wie auf den Realschulen, wird die zweite fremde Sprache schon auf eiuer so frühen Stufe hinzugenommen, daß von deutschem Stil da noch gar nicht die Rede sein k D, Red. ann. Grenzboten II. 1880. 33

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/301
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/301>, abgerufen am 22.07.2024.