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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Quader, Sueven und Vmtdalen abzuwehren; noch ist ein Denkmal vorhanden,
welches der Deenrio T. Flavius Probus wahrscheinlich ans Anlaß dieses Er¬
eignisses setzte (die sogen, "r-i, Ilaimdm'FöQÄs). In diesem Standlager schrieb
der Kaiser das zweite Buch seiner philosophischen Betrachtungen, die eines der
edelsten Denkmäler spätrömischer Philosophie bilden; im nahen Vindobona ist
er l 80 gestorben. Dreizehn Jahre später riefen die Legionen beider Standlager
ihren Legaten, den düstren Afrikaner Septimius Severus, in Carnuntum zum
Kaiser aus und eröffneten damit jene Periode der illyrischen Militärmonarchie
die in den Donauländer ihren Ausgang nahm und in ihren tapferen, streit¬
gewohnten Legionen ihre beste Stütze fand. In Vindobona stand von 270
bis 275 der spätere Kaiser Probus als Kriegstribun, wie vorher bereits Aure-
lianus. In Carnuntum wieder fand die schon erwähnte Zusammenkunft der
Kaiser und Mitregenten vom 11. November 307 statt, und hier ließ sich vier
Jahre darauf Licinius zum Augustus proclamiren. Aber das Vorspiel der
Völkerwanderung brachte auch dieser stolzen Festung schwere Gefahr und endlich
das Verderben. Schon um die Mitte des 4. Jahrhunderts wurden die Zu¬
stände mehr und mehr unsicher; ein vergrabener Schatz von etwa 5000 Stück
Münzen aller Sorten, meist aus der Zeit Constantins des Großen, der im
Oetober 1879 bei Schwechat zu Tage kam, giebt davon beredtes Zeugniß. Im
Jahre 374 brachen dann die Quader, gereizt durch römische Festungsanlagen
aus ihrem Gebiete, über den Strom und zerstörten Carnuntum mit Feuer und
Schwert. Kaiser Valentinianus fand es noch im Frühjahr 375 verödet in rauch¬
geschwärzten Trümmern, doch stellte er es wieder her, verweilte drei Mouate
hier und erließ auch von hier ans ein Gesetz. Noch einmal sührt dann das
Staatshandbuch vom Jahre 400 beide Festungen wie die der ganzen Donau-
grenze mit allen ihren Garnisonen vor Augen, aber bereits begann ihre Ver¬
bindung mit den Centren des Reiches sich zu lockern: in Wien hören die
Münzfunde mit der Zeit Constantins II. (337-340) auf, in Carnuntum mit
dem Usurpator Maximus (383--388), in Brück mit Graticmus (375--383).
Wenige Jahrzehnte weiter hin, und die ganze Militärgrenze an der Donau
brach zusammen, ihre Garnisonen fielen unter dein Schwerte der Deutschen
oder wichen ins Innere zurück, ihre Festungen sanken in Trümmer, die Pro¬
vinzen, welche sie hatten schützen sollen, wurden voll den germanischen Eroberern
überfluthet. Unter ihrem Tritt und noch mehr nnter dem Einbrüche der Slaven
und Avaren ging auch die romanisch-keltische Bevölkerung dieser Lande bis auf
schwache Reste zu Grunde.




Grmzbote" II. 1380.4

Quader, Sueven und Vmtdalen abzuwehren; noch ist ein Denkmal vorhanden,
welches der Deenrio T. Flavius Probus wahrscheinlich ans Anlaß dieses Er¬
eignisses setzte (die sogen, »r-i, Ilaimdm'FöQÄs). In diesem Standlager schrieb
der Kaiser das zweite Buch seiner philosophischen Betrachtungen, die eines der
edelsten Denkmäler spätrömischer Philosophie bilden; im nahen Vindobona ist
er l 80 gestorben. Dreizehn Jahre später riefen die Legionen beider Standlager
ihren Legaten, den düstren Afrikaner Septimius Severus, in Carnuntum zum
Kaiser aus und eröffneten damit jene Periode der illyrischen Militärmonarchie
die in den Donauländer ihren Ausgang nahm und in ihren tapferen, streit¬
gewohnten Legionen ihre beste Stütze fand. In Vindobona stand von 270
bis 275 der spätere Kaiser Probus als Kriegstribun, wie vorher bereits Aure-
lianus. In Carnuntum wieder fand die schon erwähnte Zusammenkunft der
Kaiser und Mitregenten vom 11. November 307 statt, und hier ließ sich vier
Jahre darauf Licinius zum Augustus proclamiren. Aber das Vorspiel der
Völkerwanderung brachte auch dieser stolzen Festung schwere Gefahr und endlich
das Verderben. Schon um die Mitte des 4. Jahrhunderts wurden die Zu¬
stände mehr und mehr unsicher; ein vergrabener Schatz von etwa 5000 Stück
Münzen aller Sorten, meist aus der Zeit Constantins des Großen, der im
Oetober 1879 bei Schwechat zu Tage kam, giebt davon beredtes Zeugniß. Im
Jahre 374 brachen dann die Quader, gereizt durch römische Festungsanlagen
aus ihrem Gebiete, über den Strom und zerstörten Carnuntum mit Feuer und
Schwert. Kaiser Valentinianus fand es noch im Frühjahr 375 verödet in rauch¬
geschwärzten Trümmern, doch stellte er es wieder her, verweilte drei Mouate
hier und erließ auch von hier ans ein Gesetz. Noch einmal sührt dann das
Staatshandbuch vom Jahre 400 beide Festungen wie die der ganzen Donau-
grenze mit allen ihren Garnisonen vor Augen, aber bereits begann ihre Ver¬
bindung mit den Centren des Reiches sich zu lockern: in Wien hören die
Münzfunde mit der Zeit Constantins II. (337-340) auf, in Carnuntum mit
dem Usurpator Maximus (383—388), in Brück mit Graticmus (375—383).
Wenige Jahrzehnte weiter hin, und die ganze Militärgrenze an der Donau
brach zusammen, ihre Garnisonen fielen unter dein Schwerte der Deutschen
oder wichen ins Innere zurück, ihre Festungen sanken in Trümmer, die Pro¬
vinzen, welche sie hatten schützen sollen, wurden voll den germanischen Eroberern
überfluthet. Unter ihrem Tritt und noch mehr nnter dem Einbrüche der Slaven
und Avaren ging auch die romanisch-keltische Bevölkerung dieser Lande bis auf
schwache Reste zu Grunde.




Grmzbote» II. 1380.4
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[0029] Quader, Sueven und Vmtdalen abzuwehren; noch ist ein Denkmal vorhanden, welches der Deenrio T. Flavius Probus wahrscheinlich ans Anlaß dieses Er¬ eignisses setzte (die sogen, »r-i, Ilaimdm'FöQÄs). In diesem Standlager schrieb der Kaiser das zweite Buch seiner philosophischen Betrachtungen, die eines der edelsten Denkmäler spätrömischer Philosophie bilden; im nahen Vindobona ist er l 80 gestorben. Dreizehn Jahre später riefen die Legionen beider Standlager ihren Legaten, den düstren Afrikaner Septimius Severus, in Carnuntum zum Kaiser aus und eröffneten damit jene Periode der illyrischen Militärmonarchie die in den Donauländer ihren Ausgang nahm und in ihren tapferen, streit¬ gewohnten Legionen ihre beste Stütze fand. In Vindobona stand von 270 bis 275 der spätere Kaiser Probus als Kriegstribun, wie vorher bereits Aure- lianus. In Carnuntum wieder fand die schon erwähnte Zusammenkunft der Kaiser und Mitregenten vom 11. November 307 statt, und hier ließ sich vier Jahre darauf Licinius zum Augustus proclamiren. Aber das Vorspiel der Völkerwanderung brachte auch dieser stolzen Festung schwere Gefahr und endlich das Verderben. Schon um die Mitte des 4. Jahrhunderts wurden die Zu¬ stände mehr und mehr unsicher; ein vergrabener Schatz von etwa 5000 Stück Münzen aller Sorten, meist aus der Zeit Constantins des Großen, der im Oetober 1879 bei Schwechat zu Tage kam, giebt davon beredtes Zeugniß. Im Jahre 374 brachen dann die Quader, gereizt durch römische Festungsanlagen aus ihrem Gebiete, über den Strom und zerstörten Carnuntum mit Feuer und Schwert. Kaiser Valentinianus fand es noch im Frühjahr 375 verödet in rauch¬ geschwärzten Trümmern, doch stellte er es wieder her, verweilte drei Mouate hier und erließ auch von hier ans ein Gesetz. Noch einmal sührt dann das Staatshandbuch vom Jahre 400 beide Festungen wie die der ganzen Donau- grenze mit allen ihren Garnisonen vor Augen, aber bereits begann ihre Ver¬ bindung mit den Centren des Reiches sich zu lockern: in Wien hören die Münzfunde mit der Zeit Constantins II. (337-340) auf, in Carnuntum mit dem Usurpator Maximus (383—388), in Brück mit Graticmus (375—383). Wenige Jahrzehnte weiter hin, und die ganze Militärgrenze an der Donau brach zusammen, ihre Garnisonen fielen unter dein Schwerte der Deutschen oder wichen ins Innere zurück, ihre Festungen sanken in Trümmer, die Pro¬ vinzen, welche sie hatten schützen sollen, wurden voll den germanischen Eroberern überfluthet. Unter ihrem Tritt und noch mehr nnter dem Einbrüche der Slaven und Avaren ging auch die romanisch-keltische Bevölkerung dieser Lande bis auf schwache Reste zu Grunde. Grmzbote» II. 1380.4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/29>, abgerufen am 22.07.2024.