Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Partei" brachte und ihn zu manchem eigenmächtigen Schritte veranlaßte. Dahin
gehört es z. B., daß er selbst ein allgemeines Kirchengebet verfaßte, es sich von
seinem Hofprediger Funck corrigiren ließ und befahl (1552), daß es in dieser
Form von allen Pfarrern vor und nach der Predigt vorgelesen werden sollte --
ein Verfahren, welches lebhaft an die Octroyirung der preußischen Unionsagende
durch Friedrich Wilhelm III. erinnert und, wie diese, heftigen Widerstand her¬
vorrief. Er führte ferner (1558) eine neue Kirchenordnung ein, ohne die Stunde,
welche die alte genehmigt hatten, zu befragen. Während er aber hier zu weit
ging, vermochte er in seinen alten Tagen die ihm gebührende Autorität nicht
gegen die früher unterdrückte Partei und die von ihr zu Hilfe gezogenen Com-
missaire seines Lehensherrn, des polnischen Königs, zu wahren, und wir begreifen
den Stoßseufzer des ergrauten, matt gewordenen Herrn: "Wofern ich nicht
auch hierzu zu alt wäre, wollte ich lieber die Schafe hüten als Regent sein."

An Bedeutung gewinnt die liebenswürdige Persönlichkeit Albrechts durch
die politischen Ereignisse, die sich durch ihn vollzogen und in ihrem Schoße die
weittragendsten Folgen bargen. Hat er doch unter mehrfacher Berathung mit
Luther, dessen Sohn Hans er nachmals auf seine Kosten auf seiner neugegrün¬
deten Universität in Königsberg studiren ließ, das Ordensgebiet der Deutsch¬
ritter in ein weltliches Herzogthum verwandelt und demselben 1526 eine evan¬
gelische Kirchenordnung gegeben, und wenn er auch der Anerkennung der polni¬
schen Lehensherrlichkeit sich nicht hatte entziehen können, so fällt doch noch in
seine Regierungszeit die erste Annäherung des Herzogthums an Kurbrandenburg,
aus der später die deutschprotestantische Großmacht Preußen hervorging. Kur¬
fürstliche Räthe "empfingen mit Bewilligung des Herzogs für Kurbrandenburg
den Huldigungseid im Fall des Abgangs der herzoglichen Familie unter der
Bedingung nachträglicher Genehmigung seitens der Krone Polen" (1565).

Dieser Vertrag war unter Mitwirkung eines Mannes zu Stande gekommen,
der seit Ende 1561 an Albrechts Hofe lebte, sich des Vertrauens feines Herrn
zu bemächtigen und sich unbegreiflicher Weise (bis 1565) in demselben zu be¬
haupten wußte, obgleich der Herzog mehrfach von sehr angesehenen Personen,
selbst von der Königin von Polen, der Tochter des Kaisers, vor ihm gewarnt
worden war. Dies war Paul Scalich aus Agram, der sich mit Hilfe einer
Reihe gefälschter Dommente als eine durch unglückliche Verhältnisse um den
Genuß ihrer Rechte und Besitzthümer gekommene hochfürstliche Persönlichkeit,
als einen Markgrafen von Verona, Grafen in Hun u. f. w. ausgab und durch
theologische Geheimnißkrämerei und Vorspiegelung besonderer himmlischer Er¬
scheinungen auch auf religiösem Gebiete den Schein eines Mannes von Gottes
besonderen Gnaden zu erwecken wußte. Dieser gewissen- und sittenlose Schwindler
brachte es dahin, daß ihm und seinen Freunden und Verwandten in einem


Partei" brachte und ihn zu manchem eigenmächtigen Schritte veranlaßte. Dahin
gehört es z. B., daß er selbst ein allgemeines Kirchengebet verfaßte, es sich von
seinem Hofprediger Funck corrigiren ließ und befahl (1552), daß es in dieser
Form von allen Pfarrern vor und nach der Predigt vorgelesen werden sollte —
ein Verfahren, welches lebhaft an die Octroyirung der preußischen Unionsagende
durch Friedrich Wilhelm III. erinnert und, wie diese, heftigen Widerstand her¬
vorrief. Er führte ferner (1558) eine neue Kirchenordnung ein, ohne die Stunde,
welche die alte genehmigt hatten, zu befragen. Während er aber hier zu weit
ging, vermochte er in seinen alten Tagen die ihm gebührende Autorität nicht
gegen die früher unterdrückte Partei und die von ihr zu Hilfe gezogenen Com-
missaire seines Lehensherrn, des polnischen Königs, zu wahren, und wir begreifen
den Stoßseufzer des ergrauten, matt gewordenen Herrn: „Wofern ich nicht
auch hierzu zu alt wäre, wollte ich lieber die Schafe hüten als Regent sein."

An Bedeutung gewinnt die liebenswürdige Persönlichkeit Albrechts durch
die politischen Ereignisse, die sich durch ihn vollzogen und in ihrem Schoße die
weittragendsten Folgen bargen. Hat er doch unter mehrfacher Berathung mit
Luther, dessen Sohn Hans er nachmals auf seine Kosten auf seiner neugegrün¬
deten Universität in Königsberg studiren ließ, das Ordensgebiet der Deutsch¬
ritter in ein weltliches Herzogthum verwandelt und demselben 1526 eine evan¬
gelische Kirchenordnung gegeben, und wenn er auch der Anerkennung der polni¬
schen Lehensherrlichkeit sich nicht hatte entziehen können, so fällt doch noch in
seine Regierungszeit die erste Annäherung des Herzogthums an Kurbrandenburg,
aus der später die deutschprotestantische Großmacht Preußen hervorging. Kur¬
fürstliche Räthe „empfingen mit Bewilligung des Herzogs für Kurbrandenburg
den Huldigungseid im Fall des Abgangs der herzoglichen Familie unter der
Bedingung nachträglicher Genehmigung seitens der Krone Polen" (1565).

Dieser Vertrag war unter Mitwirkung eines Mannes zu Stande gekommen,
der seit Ende 1561 an Albrechts Hofe lebte, sich des Vertrauens feines Herrn
zu bemächtigen und sich unbegreiflicher Weise (bis 1565) in demselben zu be¬
haupten wußte, obgleich der Herzog mehrfach von sehr angesehenen Personen,
selbst von der Königin von Polen, der Tochter des Kaisers, vor ihm gewarnt
worden war. Dies war Paul Scalich aus Agram, der sich mit Hilfe einer
Reihe gefälschter Dommente als eine durch unglückliche Verhältnisse um den
Genuß ihrer Rechte und Besitzthümer gekommene hochfürstliche Persönlichkeit,
als einen Markgrafen von Verona, Grafen in Hun u. f. w. ausgab und durch
theologische Geheimnißkrämerei und Vorspiegelung besonderer himmlischer Er¬
scheinungen auch auf religiösem Gebiete den Schein eines Mannes von Gottes
besonderen Gnaden zu erwecken wußte. Dieser gewissen- und sittenlose Schwindler
brachte es dahin, daß ihm und seinen Freunden und Verwandten in einem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146794"/>
          <p xml:id="ID_860" prev="#ID_859"> Partei" brachte und ihn zu manchem eigenmächtigen Schritte veranlaßte. Dahin<lb/>
gehört es z. B., daß er selbst ein allgemeines Kirchengebet verfaßte, es sich von<lb/>
seinem Hofprediger Funck corrigiren ließ und befahl (1552), daß es in dieser<lb/>
Form von allen Pfarrern vor und nach der Predigt vorgelesen werden sollte &#x2014;<lb/>
ein Verfahren, welches lebhaft an die Octroyirung der preußischen Unionsagende<lb/>
durch Friedrich Wilhelm III. erinnert und, wie diese, heftigen Widerstand her¬<lb/>
vorrief. Er führte ferner (1558) eine neue Kirchenordnung ein, ohne die Stunde,<lb/>
welche die alte genehmigt hatten, zu befragen. Während er aber hier zu weit<lb/>
ging, vermochte er in seinen alten Tagen die ihm gebührende Autorität nicht<lb/>
gegen die früher unterdrückte Partei und die von ihr zu Hilfe gezogenen Com-<lb/>
missaire seines Lehensherrn, des polnischen Königs, zu wahren, und wir begreifen<lb/>
den Stoßseufzer des ergrauten, matt gewordenen Herrn: &#x201E;Wofern ich nicht<lb/>
auch hierzu zu alt wäre, wollte ich lieber die Schafe hüten als Regent sein."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_861"> An Bedeutung gewinnt die liebenswürdige Persönlichkeit Albrechts durch<lb/>
die politischen Ereignisse, die sich durch ihn vollzogen und in ihrem Schoße die<lb/>
weittragendsten Folgen bargen. Hat er doch unter mehrfacher Berathung mit<lb/>
Luther, dessen Sohn Hans er nachmals auf seine Kosten auf seiner neugegrün¬<lb/>
deten Universität in Königsberg studiren ließ, das Ordensgebiet der Deutsch¬<lb/>
ritter in ein weltliches Herzogthum verwandelt und demselben 1526 eine evan¬<lb/>
gelische Kirchenordnung gegeben, und wenn er auch der Anerkennung der polni¬<lb/>
schen Lehensherrlichkeit sich nicht hatte entziehen können, so fällt doch noch in<lb/>
seine Regierungszeit die erste Annäherung des Herzogthums an Kurbrandenburg,<lb/>
aus der später die deutschprotestantische Großmacht Preußen hervorging. Kur¬<lb/>
fürstliche Räthe &#x201E;empfingen mit Bewilligung des Herzogs für Kurbrandenburg<lb/>
den Huldigungseid im Fall des Abgangs der herzoglichen Familie unter der<lb/>
Bedingung nachträglicher Genehmigung seitens der Krone Polen" (1565).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_862" next="#ID_863"> Dieser Vertrag war unter Mitwirkung eines Mannes zu Stande gekommen,<lb/>
der seit Ende 1561 an Albrechts Hofe lebte, sich des Vertrauens feines Herrn<lb/>
zu bemächtigen und sich unbegreiflicher Weise (bis 1565) in demselben zu be¬<lb/>
haupten wußte, obgleich der Herzog mehrfach von sehr angesehenen Personen,<lb/>
selbst von der Königin von Polen, der Tochter des Kaisers, vor ihm gewarnt<lb/>
worden war. Dies war Paul Scalich aus Agram, der sich mit Hilfe einer<lb/>
Reihe gefälschter Dommente als eine durch unglückliche Verhältnisse um den<lb/>
Genuß ihrer Rechte und Besitzthümer gekommene hochfürstliche Persönlichkeit,<lb/>
als einen Markgrafen von Verona, Grafen in Hun u. f. w. ausgab und durch<lb/>
theologische Geheimnißkrämerei und Vorspiegelung besonderer himmlischer Er¬<lb/>
scheinungen auch auf religiösem Gebiete den Schein eines Mannes von Gottes<lb/>
besonderen Gnaden zu erwecken wußte. Dieser gewissen- und sittenlose Schwindler<lb/>
brachte es dahin, daß ihm und seinen Freunden und Verwandten in einem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0289] Partei" brachte und ihn zu manchem eigenmächtigen Schritte veranlaßte. Dahin gehört es z. B., daß er selbst ein allgemeines Kirchengebet verfaßte, es sich von seinem Hofprediger Funck corrigiren ließ und befahl (1552), daß es in dieser Form von allen Pfarrern vor und nach der Predigt vorgelesen werden sollte — ein Verfahren, welches lebhaft an die Octroyirung der preußischen Unionsagende durch Friedrich Wilhelm III. erinnert und, wie diese, heftigen Widerstand her¬ vorrief. Er führte ferner (1558) eine neue Kirchenordnung ein, ohne die Stunde, welche die alte genehmigt hatten, zu befragen. Während er aber hier zu weit ging, vermochte er in seinen alten Tagen die ihm gebührende Autorität nicht gegen die früher unterdrückte Partei und die von ihr zu Hilfe gezogenen Com- missaire seines Lehensherrn, des polnischen Königs, zu wahren, und wir begreifen den Stoßseufzer des ergrauten, matt gewordenen Herrn: „Wofern ich nicht auch hierzu zu alt wäre, wollte ich lieber die Schafe hüten als Regent sein." An Bedeutung gewinnt die liebenswürdige Persönlichkeit Albrechts durch die politischen Ereignisse, die sich durch ihn vollzogen und in ihrem Schoße die weittragendsten Folgen bargen. Hat er doch unter mehrfacher Berathung mit Luther, dessen Sohn Hans er nachmals auf seine Kosten auf seiner neugegrün¬ deten Universität in Königsberg studiren ließ, das Ordensgebiet der Deutsch¬ ritter in ein weltliches Herzogthum verwandelt und demselben 1526 eine evan¬ gelische Kirchenordnung gegeben, und wenn er auch der Anerkennung der polni¬ schen Lehensherrlichkeit sich nicht hatte entziehen können, so fällt doch noch in seine Regierungszeit die erste Annäherung des Herzogthums an Kurbrandenburg, aus der später die deutschprotestantische Großmacht Preußen hervorging. Kur¬ fürstliche Räthe „empfingen mit Bewilligung des Herzogs für Kurbrandenburg den Huldigungseid im Fall des Abgangs der herzoglichen Familie unter der Bedingung nachträglicher Genehmigung seitens der Krone Polen" (1565). Dieser Vertrag war unter Mitwirkung eines Mannes zu Stande gekommen, der seit Ende 1561 an Albrechts Hofe lebte, sich des Vertrauens feines Herrn zu bemächtigen und sich unbegreiflicher Weise (bis 1565) in demselben zu be¬ haupten wußte, obgleich der Herzog mehrfach von sehr angesehenen Personen, selbst von der Königin von Polen, der Tochter des Kaisers, vor ihm gewarnt worden war. Dies war Paul Scalich aus Agram, der sich mit Hilfe einer Reihe gefälschter Dommente als eine durch unglückliche Verhältnisse um den Genuß ihrer Rechte und Besitzthümer gekommene hochfürstliche Persönlichkeit, als einen Markgrafen von Verona, Grafen in Hun u. f. w. ausgab und durch theologische Geheimnißkrämerei und Vorspiegelung besonderer himmlischer Er¬ scheinungen auch auf religiösem Gebiete den Schein eines Mannes von Gottes besonderen Gnaden zu erwecken wußte. Dieser gewissen- und sittenlose Schwindler brachte es dahin, daß ihm und seinen Freunden und Verwandten in einem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/289
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/289>, abgerufen am 03.07.2024.