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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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hier vertrat sie allerdings eine entschieden conservative Weltanschauung, die feste
Schranken gezogen wissen will, um den Ausschreitungen der Willkür zu wehren.
So erscheint uns Annette von Droste als eine harmonisch in sich vollendete
Persönlichkeit, fest wurzelnd in den geschichtlichen Gründen, ans denen unser
höheres Dasein ruht, aufsteigend zu deu letzten ewigen Zielen, zu denen wir
berufen sind, und in dieser doppelten Beleuchtung mit scharfem Blick, feinem
Sinn und warmem, weitem Herzen das ganze Gebiet des irdischen Daseins
umfassend. Ihre Dichtungen stellen das Gesammtbild der Welt dar, das sich
so ihr zeigte. Die zeichnende Hand ist fest und kräftig, die Züge scharf und
bestimmt, doch fehlen mitunter die weichen Mitteltöne, welche Einheit und Zu¬
sammenhang leichter erkennen lassen. Aber wer sich in die Sinnes- und Geistes¬
art der Dichterin hineingelebt hat, wird durch das Ungelenke und Dunkle der
Sprache nicht mehr oder doch nur selten gestört werden, er wird vielmehr darin
eine Eigenart sehen, die er nicht missen mag. Und der Umfang, die Größe und
die Tiefe der Gedanken, die ergreifende Gewalt der Gefühle und Anschauungen
werden ihm die Dichtungen Annelees von Droste zugleich zu einer Quelle der
Erhebung und Vertiefung, der Veredlung und Erbauung machen.




Herzog Albrecht von Preußen und sein Hofprediger.

Unter diesem Titel hat kürzlich Carl Alfred Hase auf Grund von Aeten-
material, welches ihm das Staatsarchiv von Königsberg darbot, ein detaillirtes
Geschichtsbild aus dem sechzehnten Jahrhundert entworfen, welches er seinem
greisen Vater und Lehrer, dem allbekannten Kirchenhistvriker, zu dem auf den
15. Juli fallenden 50jährigen Jubiläum seiner Jenenser Professur im voraus
gewidmet hat.*)

Die ansprechendste Gestalt des Buches ist ohne Zweifel Herzog Albrecht
selbst (1490 -- 1563). Er erscheint als ein wohlwollender und versöhnlicher
Fürst, als ein ehrlicher Mensch und ein standhafter Protestant von wahrer
Frömmigkeit und nicht ohne theologisches Verständniß, wenn auch gerade dieses
sein theologisches Interesse ihn allzusehr unter den Einfluß seiner "Hofprediger-



*) Herzog Albrecht von Preußen und sein Hofprediger, Eine Königsberger
Tragödie ans dem Zeitalter der Reformation von or. Carl Alfred Hase, Milna'r-
Obcrpfarrer des 1. Armeecorps. Leipzig, Breitkopf 6- HKrtel, 1ö7S>

hier vertrat sie allerdings eine entschieden conservative Weltanschauung, die feste
Schranken gezogen wissen will, um den Ausschreitungen der Willkür zu wehren.
So erscheint uns Annette von Droste als eine harmonisch in sich vollendete
Persönlichkeit, fest wurzelnd in den geschichtlichen Gründen, ans denen unser
höheres Dasein ruht, aufsteigend zu deu letzten ewigen Zielen, zu denen wir
berufen sind, und in dieser doppelten Beleuchtung mit scharfem Blick, feinem
Sinn und warmem, weitem Herzen das ganze Gebiet des irdischen Daseins
umfassend. Ihre Dichtungen stellen das Gesammtbild der Welt dar, das sich
so ihr zeigte. Die zeichnende Hand ist fest und kräftig, die Züge scharf und
bestimmt, doch fehlen mitunter die weichen Mitteltöne, welche Einheit und Zu¬
sammenhang leichter erkennen lassen. Aber wer sich in die Sinnes- und Geistes¬
art der Dichterin hineingelebt hat, wird durch das Ungelenke und Dunkle der
Sprache nicht mehr oder doch nur selten gestört werden, er wird vielmehr darin
eine Eigenart sehen, die er nicht missen mag. Und der Umfang, die Größe und
die Tiefe der Gedanken, die ergreifende Gewalt der Gefühle und Anschauungen
werden ihm die Dichtungen Annelees von Droste zugleich zu einer Quelle der
Erhebung und Vertiefung, der Veredlung und Erbauung machen.




Herzog Albrecht von Preußen und sein Hofprediger.

Unter diesem Titel hat kürzlich Carl Alfred Hase auf Grund von Aeten-
material, welches ihm das Staatsarchiv von Königsberg darbot, ein detaillirtes
Geschichtsbild aus dem sechzehnten Jahrhundert entworfen, welches er seinem
greisen Vater und Lehrer, dem allbekannten Kirchenhistvriker, zu dem auf den
15. Juli fallenden 50jährigen Jubiläum seiner Jenenser Professur im voraus
gewidmet hat.*)

Die ansprechendste Gestalt des Buches ist ohne Zweifel Herzog Albrecht
selbst (1490 — 1563). Er erscheint als ein wohlwollender und versöhnlicher
Fürst, als ein ehrlicher Mensch und ein standhafter Protestant von wahrer
Frömmigkeit und nicht ohne theologisches Verständniß, wenn auch gerade dieses
sein theologisches Interesse ihn allzusehr unter den Einfluß seiner „Hofprediger-



*) Herzog Albrecht von Preußen und sein Hofprediger, Eine Königsberger
Tragödie ans dem Zeitalter der Reformation von or. Carl Alfred Hase, Milna'r-
Obcrpfarrer des 1. Armeecorps. Leipzig, Breitkopf 6- HKrtel, 1ö7S>
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[0288] hier vertrat sie allerdings eine entschieden conservative Weltanschauung, die feste Schranken gezogen wissen will, um den Ausschreitungen der Willkür zu wehren. So erscheint uns Annette von Droste als eine harmonisch in sich vollendete Persönlichkeit, fest wurzelnd in den geschichtlichen Gründen, ans denen unser höheres Dasein ruht, aufsteigend zu deu letzten ewigen Zielen, zu denen wir berufen sind, und in dieser doppelten Beleuchtung mit scharfem Blick, feinem Sinn und warmem, weitem Herzen das ganze Gebiet des irdischen Daseins umfassend. Ihre Dichtungen stellen das Gesammtbild der Welt dar, das sich so ihr zeigte. Die zeichnende Hand ist fest und kräftig, die Züge scharf und bestimmt, doch fehlen mitunter die weichen Mitteltöne, welche Einheit und Zu¬ sammenhang leichter erkennen lassen. Aber wer sich in die Sinnes- und Geistes¬ art der Dichterin hineingelebt hat, wird durch das Ungelenke und Dunkle der Sprache nicht mehr oder doch nur selten gestört werden, er wird vielmehr darin eine Eigenart sehen, die er nicht missen mag. Und der Umfang, die Größe und die Tiefe der Gedanken, die ergreifende Gewalt der Gefühle und Anschauungen werden ihm die Dichtungen Annelees von Droste zugleich zu einer Quelle der Erhebung und Vertiefung, der Veredlung und Erbauung machen. Herzog Albrecht von Preußen und sein Hofprediger. Unter diesem Titel hat kürzlich Carl Alfred Hase auf Grund von Aeten- material, welches ihm das Staatsarchiv von Königsberg darbot, ein detaillirtes Geschichtsbild aus dem sechzehnten Jahrhundert entworfen, welches er seinem greisen Vater und Lehrer, dem allbekannten Kirchenhistvriker, zu dem auf den 15. Juli fallenden 50jährigen Jubiläum seiner Jenenser Professur im voraus gewidmet hat.*) Die ansprechendste Gestalt des Buches ist ohne Zweifel Herzog Albrecht selbst (1490 — 1563). Er erscheint als ein wohlwollender und versöhnlicher Fürst, als ein ehrlicher Mensch und ein standhafter Protestant von wahrer Frömmigkeit und nicht ohne theologisches Verständniß, wenn auch gerade dieses sein theologisches Interesse ihn allzusehr unter den Einfluß seiner „Hofprediger- *) Herzog Albrecht von Preußen und sein Hofprediger, Eine Königsberger Tragödie ans dem Zeitalter der Reformation von or. Carl Alfred Hase, Milna'r- Obcrpfarrer des 1. Armeecorps. Leipzig, Breitkopf 6- HKrtel, 1ö7S>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/288>, abgerufen am 03.07.2024.